Auch das Fitnessstudio steht noch auf dem Plan

Gerhard Bodura feiert heute seinen 90. Geburtstag – Der Altstadtrat schaut auf ein bewegtes, arbeitsames Leben zurück

Gerhard Bodura hat als Bürger und später als Stadtrat der Murrhardter Stadtverwaltung gegenüber auch mal klare Kante gezeigt. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Gerhard Bodura hat als Bürger und später als Stadtrat der Murrhardter Stadtverwaltung gegenüber auch mal klare Kante gezeigt. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Mit Blick auf seinen 90. Geburtstag sagt Gerhard Bodura: „Das Jahr hat 365 Tage, das Schaltjahr einen mehr, und er ist einfach einer davon.“ Abgesehen von einigen Zipperlein ginge es ihm gut. Der Jubilar wirkt nicht nur ausgesprochen fit, er nimmt auch noch regen Anteil am gesellschaftlichen Geschehen – wenn auch mit einem gewissen gelassenen Abstand. Als Altstadtrat und CDU-Mitglied verfolgt er die Diskussionen um den Parteivorsitz. „Wer der Beste ist beziehungsweise wäre, weiß man erst hinterher“, meint er mit einem Lächeln. „Ich persönlich würde Friedrich Merz bevorzugen wegen seiner klareren Linie.“ Gleichzeitig sieht er bei diesem Diskurs die Jüngeren in der Verantwortung, seine Generation habe ganz andere Zeiten erlebt – mit anderen Bedingungen und Möglichkeiten. Die Zeit, in der er sich ins städtische Leben eingebracht hat, liegt schon etwas zurück – in den 1960er- bis 1980er-Jahren. Der Anlass war ein durchaus lokalpolitischer und äußert konkreter.

Die Verwaltung plante einen zweiten Friedhof außerhalb der Stadt auf einem Grundstück in Richtung Karnsberg in der Nähe der Tennisplätze. Was in einer extra aufgelegten Broschüre hochgelobt worden sei, leuchtete Gerhard Bodura absolut nicht ein. Er sah eher das Gelände oberhalb des bestehenden Friedhofs an der Walterichskirche als Erweiterungsmöglichkeit. Es war zwar ebenso steil wie das an der Karnsberger Straße, aber zentral gelegen. „Bei einer Bürgerversammlung bin ich aufgestanden und hab den Entwurf der Stadt deutlich verrissen, die waren not amused, wie man heute sagt“, erzählt er. „Aber später haben sie erkannt, dass ich nicht ganz unrecht hatte.“

Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen, der Abnahme der Erdbestattung und Zunahme anderer Formen, war die Entscheidung richtig. „Sonst hätten wir heute zwei halb leere Friedhöfe.“ Als Bodura sich bei den Gemeinderatswahlen 1968 – damals noch für die Freien Wähler, erst später trat er der CDU bei – aufstellen ließ, holte er beachtlich viel Stimmen. Die ehrenamtliche Arbeit im Gremium fiel in eine Zeit, die auch beruflich intensiv war: Gerhard Bodura hatte sich 1960 als Bauingenieur mit einem eigenen Büro selbstständig gemacht. Somit konnte er viel fachliches Wissen in die Beratungen mit einbringen.

Gleichzeitig waren die Kommunen im Umkreis auch mit seine Auftraggeber. Bewarb er sich für Murrhardt um einen Projektauftrag, musste das Landratsamt das Verfahren prüfen, erzählt er. „Das war für mich als Stadtrat in Murrhardt eigentlich komplizierter als in anderen Gemeinden.“ Sein Tätigkeitsfeld reichte von der Planerstellung über Projekte in der Wasserwirtschaft und im Hochwasserschutz, Straßenbau bis hin zur Erschließung. Seit 2000 führen Gerd Rebmann und Hans-David Riker als ehemalige Mitarbeiter die Arbeit nach Übernahme des Büros fort. So handfest und bodenständig das Wirkungsfeld war, zeigte sich Gerhard Bodura aber auch offen für Unkonventionelles. Er kam in Kontakt mit Menschen, die mit Wünschelruten und Pendel unterwegs waren, um Wasseradern aufzuspüren. „Das war insofern beruflich ein Thema, weil beim Bau einer neuen Wasserleitung die alten nicht beschädigt werden sollten, aber manchmal der Verlauf nicht mehr bekannt war.“ Fasziniert von der Fähigkeit, machte Bodura später sogar selbst eine Ausbildung zum Einsatz von Wünschelruten beim Forschungskreis für Geobiologie, hielt Vorträge und nahm das Instrument auch immer wieder in die Hände, um Menschen privat zu beraten. Zum Arbeitsleben als Selbstständiger sagt er: „Von nichts kommt nichts.“ Ein Arbeitstag hatte oft genug 14 bis 16 Stunden. Dass er damals die Bauingenieurslaufbahn einschlug, hatte verschiedene Gründe – die Anregung eines Bekannten und die Möglichkeit, während der Semesterferien schon zu arbeiten –, letztlich ermöglicht hat ihm dies aber auch sein Vater, wofür Gerhard Bodura ihm heute noch dankbar ist. 1930 in Mährisch-Ostrau, heute Tschechien, geboren, war er ein Jahr vor Kriegsende genau ein Jahr vom Einzug in den Volkssturm entfernt. Zu diesem wurde der Vater noch geholt, seine Mutter, seine hochschwangere Schwester und er kamen nach verschiedenen Stationen schließlich als Flüchtlinge nach Süddeutschland. „Der Mann meiner Schwester stammte aus Murrhardt“, erzählt Gerhard Bodura. Dort wollte sich die Familie zusammenfinden. Zur Stimmung, die Flüchtlingen damals entgegenschlug, stellt er unsentimental fest: „Die Begeisterung hat sich in Grenzen gehalten.“ Als er in die Oberschule Murrhardt kam, wurde ihm klar, dass er zu Hause schon viel weiter war. Also versuchte er, sich beruflich zu orientieren und gleichzeitig durch einen geringen Verdienst die Familie zu unterstützen – als Zimmermannshelfer. Als es sein Vater 1947 schaffte, sich nach Murrhardt durchzuschlagen, war einer seiner ersten Schritte, seinem Sohn den Besuch der Oberschule in Backnang zu ermöglichen. Er starb früh, 1948, und Gerhard Bodura musste seine weiteren Entscheidungen selbst treffen, aber der Grundstein war gelegt.

Dass er neben seiner Selbstständigkeit Zeit gefunden hat, sich ehrenamtlich zu engagieren – ob im Gemeinderat bis zum Ausscheiden von Bürgermeister Helmut Götz, beim TVM, dem er auch drei Jahre als Vorsitzender vorstand, oder im Aufsichtsrat der Volksbank Murrhardt –, war nicht selbstverständlich. Trotzdem hat er auch immer ein Zeitfenster gefunden, Sport zu treiben, anfangs war er als Turner aktiv, später als Langstreckenläufer. Auch heute noch gehört der Gang ins Fitnessstudio dazu. „Man muss einfach was machen, dranbleiben“, sagt er. Ist das sein Geheimnis, dass er im hohen Alter noch so gut beieinander ist? Nicht nur. „Es ist wichtig, nicht so verbissen zu sein, nicht alles so bierernst zu nehmen“, sagt er. Es sei gut, die Tage auch nicht mehr ganz so arbeitsam angehen zu müssen.

Mit seiner großen Familie wird der Geburtstag natürlich gebührend gefeiert.

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Erstellt:
2. März 2020, 06:00 Uhr

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