Politik
Auflösung des Bundestags: Was bedeutet das?
Was passiert, wenn der Bundestag aufgelöst wird? Bedeutet es, dass Deutschland ohne Regierung dasteht? Erklärung zu diesem politischen Mittel.
Von Katrin Jokic
Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Neuwahlen anzustreben, nachdem die Ampel-Koalition zerbrochen ist, wirft viele Fragen zur möglichen Auflösung des Bundestags auf. Nach aktuellem Stand sollen die Neuwahlen am 23. Februar 2025 stattfinden. Ein solcher Schritt ist ein bedeutender Eingriff in das politische System Deutschlands und bringt zahlreiche rechtliche und politische Herausforderungen mit sich.
Was bedeutet die Auflösung des Bundestags?
In Deutschland ist die Auflösung des Bundestags ein seltenes und historisch bedeutsames Ereignis. Es ist kein gängiges Mittel der politischen Auseinandersetzung, sondern ein außergewöhnlicher Schritt, der nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist.
Laut Artikel 68 des Grundgesetzes kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen, wenn der Bundeskanzler eine Vertrauensfrage stellt und diese nicht die Mehrheit der Abgeordneten erhält. Die Idee dahinter ist, die Handlungsfähigkeit der Regierung zu gewährleisten und die Wählerschaft in Situationen starker politischer Blockaden neu entscheiden zu lassen.
Lesen Sie auch: Was ist die Vertrauensfrage?
Auflösung des Bundestags: Hat Deutschland dann keine Regierung mehr?
Eine Auflösung des Bundestags bedeutet nicht, dass Deutschland ohne Regierung dasteht. Vielmehr wird der Bundestag, also das Parlament, für den Zeitraum bis zur Neuwahl in seiner Arbeit eingestellt, während die Bundesregierung als geschäftsführende Regierung weiterhin im Amt bleibt.
Das funktioniert so:
1. Geschäftsführende Bundesregierung: Nach der Auflösung des Bundestags bleibt die aktuelle Bundesregierung, auch wenn sie „nur noch“ geschäftsführend ist, im Amt. Das bedeutet, dass Bundeskanzler und Minister weiterhin alle notwendigen Aufgaben übernehmen und Entscheidungen treffen können. Sie dürfen jedoch keine grundlegenden neuen Projekte oder weitreichenden Reformen einleiten. Das Ziel der geschäftsführenden Regierung ist die Sicherstellung der Verwaltung und grundlegenden politischen Stabilität des Landes bis zur Wahl einer neuen Regierung.
2. Eingeschränkte Gesetzgebung: Da der Bundestag seine Arbeit einstellt, können keine neuen Gesetze beschlossen werden. Stattdessen beschränkt sich die Regierung auf laufende Angelegenheiten und dringliche Verwaltungsaufgaben. Dringende gesetzliche Maßnahmen, die etwa die Sicherheit des Landes betreffen, könnten theoretisch durch den Bundesrat und die Bundesregierung gemeinsam beschlossen werden, allerdings ist das ein Sonderfall und kommt nur selten vor.
3. Zeitplan für Neuwahlen: Nach der Auflösung des Bundestags legt der Bundespräsident den Termin für Neuwahlen fest. In der Regel müssen diese innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestags stattfinden. Bis dahin führt die geschäftsführende Regierung das Land, um Kontinuität und Stabilität zu gewährleisten.
Wie oft wurde der Bundestag in Deutschland bis jetzt aufgelöst?
Nicht jedes Mal, wenn die Vertrauensfrage gestellt wird, wird auch der Bundestag aufgelöst. Lesen Sie in unserem passenden Artikel mehr dazu, wie oft die Vertrauensfrage bisher in Deutschland gestellt wurde.
Der Bundestag wurde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bislang dreimal aufgelöst:
- 1972: Bundeskanzler Willy Brandt stellte die Vertrauensfrage, nachdem eine politische Pattsituation die Arbeit des Bundestags blockierte. Als ihm die Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen verweigerte, löste Bundespräsident Gustav Heinemann den Bundestag auf und setzte Neuwahlen an. Diese fanden am 19. November 1972 statt.
- 1983: Bundeskanzler Helmut Kohl nutzte ebenfalls die Vertrauensfrage, um Neuwahlen herbeizuführen, obwohl er über eine Mehrheit im Bundestag verfügte. Ziel war es, eine klare Legitimation seiner Regierung durch die Wählerschaft zu erhalten. Nach intensiven Diskussionen stimmte Bundespräsident Karl Carstens der Auflösung des Bundestags zu, und Neuwahlen wurden am 6. März 1983 durchgeführt.
- 2005: Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte die Vertrauensfrage, nachdem die SPD in Nordrhein-Westfalen eine wichtige Landtagswahl verloren hatte, was Spannungen und Blockaden innerhalb seiner Partei und Regierung verstärkte. Bundespräsident Horst Köhler löste daraufhin den Bundestag auf, und die Neuwahlen fanden am 18. September 2005 statt.
Diese drei Ereignisse sind die einzigen Male, in denen der Bundestag seit seiner Gründung aufgelöst wurde. In allen Fällen war die Auflösung des Bundestags ein Mittel, um politische Blockaden zu überwinden und eine stabile Regierungsarbeit zu ermöglichen.