Ausgeklügelte Soli, facettenreiche Tutti
Mit souveränen, klangschönen Interpretationen von Meisterwerken aus Klassik und Romantik begeistern drei Solisten und die Musiker des Murrhardter Kammerorchesters das Publikum beim Konzert in der Murrhardter Festhalle.

Andreas Vogel hat bei seinem Soloauftritt sehr beeindruckt. Nach tosendem Applaus spielt er noch eine Zugabe fürs Publikum. Foto: E. Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Die Sehnsucht nach Livemusik sowie weiteren Kulturveranstaltungen ist groß. Dies zeigt die große Zuhörerschar, die zum Konzert „Solissimo“ mit drei Solokonzerten des Kammerorchesters Murrhardt der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land in die Festhalle gekommen ist. So ist diese nach den aktuell geltenden Coronaregeln auch voll besetzt. Ursprünglich war das Konzert für April 2020 geplant, konnte jedoch wegen des Lockdowns nicht stattfinden.
„Trotzdem haben wir Möglichkeiten gesucht, gemeinsam zu musizieren, und es ist uns gelungen, die Stücke so lange warmzuhalten“, erklärt Musikschulleiterin Judith-Maria Matti. „Wir wollen proben und spielen, wir wollen und brauchen Kultur, denn es ist ein schönes Gefühl, live spielen zu können“, hätten die Orchestermitglieder betont, denn „Musik gemeinsam zu erleben ist ein grundsätzliches Bedürfnis“. Und es funktioniert, denn alle halten sich an die vorgeschriebenen Regeln und Einschränkungen, wahren die Abstände zwischen den Sitzplätzen und tragen ihre Masken während des gesamten Konzerts.
Das Publikum wird mit einem wunderschönen, hinreißenden Musikerlebnis belohnt. Unter der Regie von Dirigent Matthias Baur, der das Kammerorchester „mit viel Empathie und Umsicht“ leitet, wie die Musikschulleiterin hervorhebt, agieren alle Mitwirkenden hoch motiviert, voller Musizierfreude und Hingabe. Sie rufen all ihr Können ab, laufen zur Bestform auf und interpretieren die sorgfältig einstudierten Kompositionen durchweg souverän und auf Spitzenniveau.
Den Auftakt bildet die Fantasie in B-Dur für Viola und Orchester von Johann Nepomuk Hummel, Klavierschüler von Mozart sowie mit Haydn und Beethoven verbunden. Das Werk mit drei Sätzen ist die verkürzte Fassung eines Potpourris und enthält bekannte Melodien aus Mozarts Oper „Don Giovanni“. Diese umrahmt der Pianist und Kapellmeister mit einer langsamen, feierlich-ernsten Grave-Einleitung und einem effektvollen, tänzerisch verspielten Rondo-Abschluss. Mit Verve gestaltet Solistin Ketevan Angelidi, die auch Lehrkraft an der Musikschule ist, die Solopartie auf der Viola und bringt deren weichen, lyrischen Klang mit ihrem brillanten Spiel bestens zur Geltung. Das Werk, in dem sich Elemente aus Klassik und Frühromantik zu einem attraktiven Klangmosaik verbinden, bringen Solistin und Orchestermusiker in feiner Harmonie schwungvoll, aber auch idyllisch, verspielt und liedhaft zum Ausdruck.
Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs komponierte Richard Strauss im amerikanisch besetzten oberbayerischen Garmisch auf Anregung des 24-jährigen Besatzungssoldaten und Oboisten John de Lancie aus Chicago das Konzert für Oboe und kleines Orchester in D-Dur mit vier Sätzen. In eindrucksvoller Weise und mit höchster, exakt aufeinander abgestimmter Präzision meistern Solist Andreas Vogel und die Orchestermusiker die enormen Herausforderungen dieser mit vielen Schwierigkeiten verschiedenster Art gespickten, fantasievollen Klangmalerei.
Detailgenau und virtuos gestalten sie das spätromantische Meisterwerk mit einer wunderschönen, atmosphärisch verträumten, scheinbar unendlich dahinfließenden Melodie, in der immer wieder neue musikalische Gedanken, Stimmungen, Klänge und Rhythmen zur Entfaltung kommen. Sie vermittelt den Eindruck einer heiteren, sommerlich warmen Idylle, auch schwingt darin die Freude mit, dass der Krieg und die NS-Diktatur endlich vorüber sind. Doch kommt in einer ernsten, nachdenklichen Passage auch eine Ahnung von Herbst und sorgenvollem Blick in eine ungewisse Zukunft zur Entfaltung, bevor das Werk mit einem effektvollen, an ein Scherzo erinnernden, reich ausgearbeiteten Schlussstück endet.
Da kontrastiert die „amerikanisch“ wirkende, an den Jazz erinnernde, stark synkopierte Rhythmik mit „europäisch“ wirkender Melodik im Walzertakt. Solist Andreas Vogel fasziniert die Zuhörer mit einem fast endlosen, klangfarbenreichen Melodiebogen. Auch da die Sätze ineinander übergehen, spielt er nahezu ununterbrochen und hat kaum Pausen zum Luftholen. Zugleich bringt er alle Register und Klangnuancen der Oboe in stimmungsvollen Kantilenen trefflich zur Geltung. Mit „Bravo“-Rufen und tosendem Beifall bringt das Publikum seine Begeisterung über diesen grandiosen Ohrenschmaus zum Ausdruck. So setzt der Solist noch eine Zugabe drauf und spielt „auf speziellen Wunsch“ das gefühlvolle, an „gute alte Zeiten“ erinnernde Stück „Gabriels Oboe“ aus dem Film „The Mission“ von Ennio Morricone.
Den krönenden Schlusspunkt des Abends setzt Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert in A-Dur mit Alexander Konrad als Solist, der zwar nicht mehr an der Musikschule unterrichtet, ihr aber weiterhin verbunden ist. Die Komposition mit drei Sätzen ist eine der berühmtesten Mozarts und ein echtes Juwel der Klassik. Sie gehört zu den sinfonischen Konzerten, die mit Klarinetten statt Oboen besetzt und kammermusikalisch orchestriert sind. Voller Schwung und Tempo beginnt im ersten Satz Allegro ein vorwiegend heiterer Rokoko-Melodienreigen mit lyrischen Momenten, wobei der Pianist die Solopartie mit feinsinnig-perlendem Anschlag exzellent und variantenreich gestaltet.
Den emotionalen Mittelpunkt bildet der zweite Satz Adagio, stimmungsvoll dargestellt vom Solisten und Orchester. Das klagende, schwermütige Hauptthema in der seltenen Tonart fis-Moll verleiht dem Werk einen besonderen Klang. In starkem Kontrast dazu steht der dritte Satz Allegro assai mit einem schwungvollen Hauptthema voller Bewegung, das Optimismus und Hochstimmung ausstrahlt. Hinzu kommen rasche Wechsel zwischen Dur und Moll in den beiden verschiedenartigen, reich ausgestalteten Themen. Für diese Darbietung und überhaupt für das gesamte, herausragende „Solissimo“-Musikerlebnis gibts „Bravo“-Rufe und stürmischen Applaus vom Publikum.
So serviert Alexander Konrad noch eine echte Delikatesse für Musikfeinschmecker als Zugabe: Claude Debussys „Pagodes“, ein bezaubernd exotisch klingendes Klavierkunstwerk. Benannt nach den asiatischen turmartigen Tempelbauten, inspirierte den impressionistischen Komponisten dazu die Musik indonesischer Gamelan-Orchester aus verschiedenen Gongs, Metallplatten- und Stabspielen, die ihn bei den Pariser Weltausstellungen um die Jahrhundertwende begeistert hatten.