Serienhit auf Netflix

Basiert „Adolescence“ auf einer wahren Begebenheit?

Die Netflix-Serie „Adolescence“ wirft mit ihrer Geschichte erschreckend reale Fragen auf – über Jugendgewalt, toxische Onlinekulturen und eine Gesellschaft, die zu lange wegsieht. Doch basiert die Serie wirklich auf wahren Begebenheiten?

Der 13-jährige Jamie (Owen Cooper, r.) wird beschuldigt, einen Mord begangen zu haben. Psychologin Briony Ariston (Erin Doherty) will sich ein Bild von ihm machen.

© Ben Blackall/Netflix © 2024

Der 13-jährige Jamie (Owen Cooper, r.) wird beschuldigt, einen Mord begangen zu haben. Psychologin Briony Ariston (Erin Doherty) will sich ein Bild von ihm machen.

Von Katrin Jokic

Die neue Netflix-Miniserie „Adolescence“ hat mit ihrer düsteren Geschichte über einen 13-jährigen Jungen, der unter Mordverdacht steht, weltweit eine Debatte ausgelöst. Die vier Folgen, jeweils in einem einzigen Kameraschwenk inszeniert, werfen brisante Fragen zu Jugendgewalt, Radikalisierung im Netz und gesellschaftlichem Versagen auf. Doch ist die Erzählung von Jamie Miller und der ermordeten Katie tatsächlich wahr?

Keine reale Vorlage – aber bittere Realität als Grundlage

Klar ist: „Adolescence“ basiert nicht auf einem konkreten, realen Mordfall. Die Figuren Jamie und Katie sind fiktiv, ebenso die Tat. Dennoch ist der Stoff erschreckend nah an der Realität. Serienmacher Stephen Graham, der auch Jamies Vater spielt, sowie Autor Jack Thorne und Regisseur Philip Barantini ließen sich von tatsächlichen Entwicklungen in Großbritannien inspirieren – vor allem von der Zunahme von Messerangriffen unter Jugendlichen und der Rolle toxischer Onlinekulturen wie der sogenannten Incel-Szene.

Graham schilderte in mehreren Interviews, wie ihn reale Fälle junger Mädchen, die von etwa gleichaltrigen Jungen mit Messern getötet wurden, zutiefst erschütterten. Diese Fälle waren für ihn Anlass, tiefergehende gesellschaftliche Fragen zu stellen: Was passiert mit unseren Söhnen? Warum greifen Kinder zu tödlicher Gewalt – und warum gegen Mädchen?

Adoleszenz, Einsamkeit und digitale Radikalisierung

Der Serientitel verweist auf die Adoleszenz – die sensible Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. In „Adolescence“ gerät Jamie in dieser Phase zunehmend unter Druck: durch soziale Medien, durch Mobbing, durch ein Gefühl sozialer Ausgrenzung. Insbesondere seine Auseinandersetzung mit der Incel-Ideologie – einer toxischen Online-Subkultur, die Frauen für eigene Frustrationen verantwortlich macht – wird in der Serie thematisiert.

Laut Drehbuchautor Thorne war es ihm wichtig, Jamie nicht als eindimensionale Täterfigur zu zeichnen. Vielmehr soll gezeigt werden, wie schnell sich jugendliche Isolation, gekränkte Männlichkeit und problematische Inhalte aus dem Internet zu einer gefährlichen Mischung verbinden können. Besonders die sogenannte „Manosphere“, ein digitales Netzwerk aus frauenfeindlichen und oft extremistischen Communities, spielt dabei eine zentrale Rolle.

Erklärung:Was bedeutet die Beleidigung "Nonse" aus der Serie?

Gesellschaftliche Verantwortung statt individueller Schuld

Die Macher der Serie betonen, dass sie keine Schuldzuweisungen an Eltern oder Schulen aussprechen wollen. Stattdessen solle „Adolescence“ dazu beitragen, eine längst überfällige Debatte anzustoßen: über die Radikalisierung junger Männer, über Gewaltprävention, über den Einfluss von Algorithmen und Influencern wie Andrew Tate, die gezielt mit frauenverachtenden Aussagen junge Zielgruppen erreichen.

„Adolescence“ zeigt eine fiktive Geschichte – aber sie ist in einer Wirklichkeit verwurzelt, die längst kein Randphänomen mehr ist. Die Serie ist weniger True Crime als ein gesellschaftlicher Spiegel – und ein Weckruf, genauer hinzusehen, was in den Kinderzimmern hinter den Bildschirmen wirklich passiert.

Zum Artikel

Erstellt:
28. März 2025, 10:42 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!