Bergbauversuche und Postkutschenlinie
Zur Eröffnung der neuen stadtgeschichtlichen Abteilung lädt das Carl-Schweizer-Museum Murrhardt am kommenden Sonntag zu einem Tag der offenen Tür bei freiem Eintritt ein. Sie erzählt mittels verschiedenster Exponate aus der Zeit von 1650 bis 1950.

Im Medienraum besteht die Möglichkeit, auch Filmdokumente anzuschauen. Christian Schweizer zeigt hier einen Ausschnitt von Aufnahmen der Römerfestspiele, die in Murrhardt stattfanden. Auch die Wand mit Fotografien aus den Jahren von 1870 bis 1925 vermittelt eine Fülle von Eindrücken aus der Vergangenheit der Walterichstadt. Foto: E. Klaper
Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. Es ist so weit: Die neue stadtgeschichtliche Abteilung im Carl-Schweizer-Museum ist fertiggestellt. Zur Eröffnung am kommenden Sonntag, 4. Oktober, veranstaltet die Familie Schweizer einen Tag der offenen Tür in ihrem privat geführten „Haus für Natur und Geschichte“ in Murrhardt. Der Raum, in dem die neue Abteilung eingerichtet ist, „umfasst eine Vielzahl von Ausstellungsstücken verschiedenster Art zur Geschichte und Entwicklung der Walterichstadt im Zeitraum von 1650 bis 1950“, hebt Museumsleiter Christian Schweizer hervor. Die Bandbreite reicht von alten Büchern und Schriftdokumenten über Bilder und Fotos bis zu Kleidungsstücken und Möbeln, Gerätschaften und Waffen.
Die Besucher finden dort zahlreiche Informationen über bedeutende historische Ereignisse und Persönlichkeiten der Walterichstadt; ebenso über die Glashütten der Region, die Kriege im 18. Jahrhundert, aber auch über die diversen, vergeblichen Bergbauversuche unter dem Motto „Silberrausch und Salzfieber“. Ein spannendes Thema ist die Auswanderung nach verschiedenen Hungerjahren: Anfang des 19. Jahrhunderts emigrierten etliche Murrhardter nach Russland, in der Zeit vor und nach der Revolution 1848 nach Amerika, und ab 1860 zog es fromme Familien auch aus Nachbarorten nach Palästina.
Hinzu kommen Objekte und Dokumente zur Geschichte der Post in Murrhardt und die Anbindung der Stadt an die Postkutschenlinie 1841. Unterhalb der nach Epochen bestückten Vitrinen befinden sich große Schubladen. Sie enthalten Bücher und Schriftstücke aus denselben Zeiträumen. Darunter beispielsweise Werke aus der Zeit von Friedrich Christoph Oetinger, Landesbeschreibungen, Schulbücher der Murrhardter Lateinschule, aber auch alte Zeitungsbände aus verschiedenen Regionen Württembergs sowie Bücher zur Statistik und Landeskunde. Sie sind eine wichtige Informationsquelle, zum Beispiel über die Einwohnerzahl der württembergischen Städte: So hatte 1861 die noch stark landwirtschaftlich geprägte Walterichstadt „deutlich mehr Einwohner als Waiblingen, Schorndorf, Crailsheim und Ellwangen“, indes sei die unterschiedliche Weiter- und Bevölkerungsentwicklung noch zu erforschen. „Diese Schubladen sind bewusst so niedrig angebracht, dass sie auch von Kindern und Rollstuhlfahrern geöffnet und betrachtet werden können“, erläutert Christian Schweizer.
Ein Schmuckstück ist der Medienraum, der für Vorträge und Filmvorführungen mit Leinwand und Beamer ausgestattet ist. Am Tag der offenen Tür können Besucher dort alte Filme über bedeutende Murrhardter Ereignisse sehen wie die Römerfestspiele. Blickfang ist eine als Fotoalbum gestaltete Wand, von oben bis unten mit einer Fülle historischer Aufnahmen ausgestattet, die zwischen 1870 und 1925 entstanden. Sie ermöglichen spannende Einblicke ins Leben in der Walterichstadt, wie diese anno dazumal aussah, und wie sie sich weiterentwickelte.
Senior-Museumschef Rolf Schweizer weist auf einen weiteren besonderen Anlass hin: „In diesem Jahr feiern wir Jubiläum. Seit 70 Jahren besteht das Carl-Schweizer-Museum an dieser Stelle. Dessen Neugründung und Neubau 1950 wurde fertiggestellt, damals war ich Abiturient und 18 Jahre alt. Das Museum ist in drei Etappen entstanden. Vor 70 Jahren gab es nur die naturkundliche Abteilung mit den Dioramen der europäischen Tierwelt. 1954 folgte der Erweiterungsbau, der den Eingangsbereich mit dem Türmchen und den Räumen im Untergeschoss umfasste. 1956/57 kam eine heimatkundliche Abteilung hinzu in diesen Raum, der jetzt die neue stadtgeschichtliche Abteilung beherbergt. Vorne war die Vor- und Frühgeschichte mit Steinzeitfunden bis zu den Alamannen, in der Mitte die Römerzeit und im hinteren Bereich die Kloster- und Neuzeit. Alle Exponate standen frei, es gab noch keine Vitrinen. Die Abteilung war sehr modern, farbenfroh und abwechslungsreich im Stil der 1950er-Jahre gestaltet“, erinnert sich Rolf Schweizer. Nach der Ausgrabung der Stadtkirche Anfang der 1970er-Jahre nutzte die Familie Schweizer den Raum als Fundmagazin.
Anfang der 1980er-Jahre richtete sie im Untergeschoss die klostergeschichtliche Abteilung ein, Ende jenes Jahrzehnts die römische Abteilung, und um 2000 kam das steinzeitliche Kabinett im Raum rechts vom Eingangsfoyer hinzu. Seit Anfang 2018 erfolgte die umfangreiche Modernisierung von Haustechnik und Brandschutz sowie die energetische Sanierung des gesamten Gebäudes. „Anschließend haben wir einiges in der klostergeschichtlichen Abteilung neu gestaltet. Dort werden nun auch frühmittelalterliche Funde aus der Zeit vor Walterich in Vitrinen präsentiert“, verdeutlicht Rolf Schweizer. Und im Durchgang zur römischen Abteilung sind teils neue Objekte und Dokumente aus der Zeit der Renaissance und Gegenreformation, des Dreißigjährigen Krieges und Barocks ausgestellt.
Zur Eröffnung der neuen stadtgeschichtlichen Abteilung veranstaltet das Carl-Schweizer-Museum am Sonntag, 4. Oktober, einen Tag der offenen Tür mit freiem Eintritt von 10 bis 18 Uhr. Dazu finden bei Interesse auch Führungen durch die neu eröffnete Abteilung statt. Die Familie Schweizer bittet die Besucher, die wegen der Coronapandemie geltenden Verhaltens- und Hygienemaßnahmen einzuhalten. Das Museum ist ein Stück weit darauf angewiesen, dass die Gäste möglichst über den Tag verteilt kommen, also bereits auch am Vormittag oder späteren Nachmittag, deshalb bleibt es auch eine Stunde länger als sonst geöffnet.