Bilder als Begegnung mit dem Göttlichen

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe über die byzantinische Kunst zeigt Bernhard Lüdecke eine Auswahl seiner Ikonen mit bedeutenden und seltenen Motiven bei einer Ausstellung im Murrhardter Begegnungscafé bis Mittwoch vor Ostern.

Bernhard Lüdecke hat im Kloster Schöntal spontan einen Kurs zur Ikonenmalerei belegt. Seither lässt ihn das Thema nicht mehr los. Er hat selbst bereits rund 120 Bilder angefertigt. Foto: Elisabeth Klaper

Bernhard Lüdecke hat im Kloster Schöntal spontan einen Kurs zur Ikonenmalerei belegt. Seither lässt ihn das Thema nicht mehr los. Er hat selbst bereits rund 120 Bilder angefertigt. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Ikonen sind religiöse Bildkunstwerke, die für Gläubige der orthodoxen Kirchen große Bedeutung haben. Sie werden nicht kreativ gestaltet, sondern exakt nach jahrhundertealten Vorlagen, deren genau festgelegte Darstellungsformen sich im oströmischen Reich Byzanz entwickelten. Ikonen faszinieren den Murrhardter Bernhard Lüdecke: Seit Anfang der 1980er-Jahre schuf er rund 120 solcher Bilder, nun stellt er eine Auswahl im Begegnungscafé der Kirche vor Ort aus.

Er erzählt, wie alles begann: „Mit meiner Familie war ich über Weihnachten bei einer Freizeit im Kloster Schöntal und entdeckte einen Kurs für Ikonenmalerei.“ Interessiert meldete er sich an und machte über einen längeren Zeitraum zwei bis drei einwöchige Kurse pro Jahr mit. Deren Kursleiter Karl Selig und Jürgen Veigel gestalteten selbst Ikonen und erklärten, wie diese gefertigt werden, zudem wirkte ein Theologe und Experte für die Orthodoxie mit. „So erfuhr ich alles rund um die Ikonenmalerei in Theorie und Praxis“, und später gab Bernhard Lüdecke auch selbst Kurse.

Eine Ikone anzufertigen sei sehr aufwendig und erfordere große Sorgfalt und Geduld, erklärt er. Als Bildträger dient ein Hartholzbrett, das er mit Leim abdichtet und mit Kreidegrundierung für den Farbauftrag vorbereitet. In die Grundierung paust er eine Kopie der Vorlage durch und ritzt sie mit einer Gravurnadel ein. Dann vergoldet er den Hintergrund, indem er Blattgold mit Öl auf rotem Untergrund fixiert. Anschließend folgt das Motiv: Eine Person oder Personengruppe wird „geschrieben“, nicht gemalt, zuerst die Gewänder, zum Schluss Gesicht und Hände sowie die Beschriftung, wobei Korrekturen nur eingeschränkt möglich sind.

Bernhard Lüdecke verwendet rasch trocknende Acrylfarben anstelle der traditionellen, aber langsam trocknenden Temperafarben mit Eigelb als Bindemittel. „Eine Ikone ist ein religiöses Motiv voller Symbolik, das verehrt wird“, insofern sei auch die Herstellung eine religiöse Handlung, verdeutlicht Theologe Martin Stierand bei der Vernissage. In seiner Einführung erläutert er zahlreichen Gästen die große Rolle der Ikonen im orthodoxen Glauben: Viele Familien haben Ikonenecken in ihren Wohnungen und in Kirchen stehen vor dem Altarraum Ikonenwände.

Deren Zentrum ist die Ikone von Jesus Christus, der segnet und lehrt, als „Pantokrator“, also Allherrscher, wahrer Mensch und wahrer Gott. Ein wichtiges Motiv ist auch die Muttergottes, Maria mit dem Jesuskind, in verschiedenen Typen, ausgestellt ist „die süß Küssende“ nach dem Vorbild der Ikone von Vladimir. Die Darstellungsform jedes Motivs ist genau festgelegt und entwickelte sich seit dem 5. Jahrhundert in Byzanz. Bernhard Lüdecke schuf einen Festtagszyklus mit 17 Ikonen zum Leben Jesu Christi von der Verkündigung bis zur Sendung des Heiligen Geistes.

Herzstück ist die Auferstehung: Sie zeigt Jesus, der auf dem Kreuz stehend aus dem Grab emporsteigt als Zeichen dafür, dass er den Tod und die Unterwelt überwunden hat. Die meisten ausgestellten Ikonen stellen Motive aus dem Neuen Testament dar. Hinzu kommt die im Alten Testament beschriebene Himmelfahrt des Propheten Elia auf einem Feuerwagen, die man im Mittelalter als Vorzeichen für die Himmelfahrt Christi deutete. Sehr selten ist die Darstellung von Jesus als Weinstock mit den zwölf Aposteln, eine mit der Lupe gemalte Miniatur. Darauf ist Paulus, Apostel der Heiden, als Zwölfter oben rechts zu sehen, erklärt Ingrid Lüdecke, die mit ihrem Mann Bernhard die Initiative Kirche vor Ort im Jahr 2000 gründete.

„Der Goldhintergrund weist auf das göttliche Licht hin“, insofern sei jede Ikone „eine Begegnung mit dem Göttlichen“, ergänzt Stierand. Die Art der Bildgestaltung geht auf die altrömische Bildersprache zurück. Die Darstellungsweise nach byzantinischen Vorlagen ist flächig und ohne Schatten, nicht naturalistisch, sondern unkörperlich und ohne die in Westeuropa seit der Renaissance übliche Zentralperspektive. Die Abbildung Gottes wird theologisch begründet mit den Worten am Beginn des Johannesevangeliums: Das Wort Gottes ist in Jesus Christus Fleisch geworden und sichtbar, so ist auch die Darstellung des Göttlichen möglich, erklärt der Theologe.

Neben der Ausstellung werden byzantinische Kunst und frühchristliche Bildersprache in Vorträgen thematisiert

Öffnungszeiten Die Ausstellung der Ikonenbilder ist bis Mittwoch, 27. März, im Begegnungscafé in der Fornsbacher Straße 3 zu sehen: Montag bis Samstag von 9 bis 12.30 Uhr, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 14.30 bis 18 Uhr.

Vorträge Die Vernissage war Auftakt der Veranstaltungsreihe über Ikonen und byzantinische Kunst. Dabei kooperieren unter Martin Stierands Federführung die Initiative Kirche vor Ort, das Zündfunkenteam der Katholischen Seelsorgeeinheit Oberes Murrtal und die Katholische Erwachsenenbildung Rems-Murr. Es folgen zwei Vorträge mit Emanuel Gebauer und Julia Matveyeva zur religiösen Kunst von Byzanz im katholischen Gemeindezentrum, Blumstraße 30, in Murrhardt. Am Donnerstag, 7. März, wird „Der Weg von der römischen Antike zur frühchristlichen Bildersprache“ beleuchtet. Am Donnerstag, 14. März, geht es um „Spuren der religiösen Kunst von Byzanz in Europa“. Beginn der Vorträge ist jeweils um 18 Uhr.

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Erstellt:
4. März 2024, 06:00 Uhr

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