Biogas als Lückenfüller für Dunkelflauten
Wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht, sind Biogasanlagen eine Alternative. Auf Einladung der Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ informiert Ingenieur Thomas Ehrmann, wie eine dezentrale lokale Energieversorgung aufgebaut werden kann.
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Erneuerbare Energien können in dezentralen, lokalen Verbundprojekten wesentlich zur Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme beitragen. Dabei kommt der Biogastechnologie eine Schlüsselrolle zu, erläuterte Ingenieur und Biogasanlagenplaner Thomas Ehrmann aus Ilshofen. Auf Einladung der Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ (UBE) verdeutlichte er in seinem Vortrag an der Volkshochschule Murrhardt das Potenzial dieser Technologie vor zahlreichen Interessierten im Grabenschulhaus.
Biogas ist ein Gasgemisch, das sich beim Abbau organischer Substanzen durch Bakterien unter Luftabschluss bildet, erklärte Ehrmann. Es besteht bis zu 65 Prozent aus Methan und bis zu 50 Prozent aus Kohlendioxid sowie Spurengasen wie Stickstoff, Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Blockheizkraftwerke erzeugen daraus gleichzeitig Strom und Wärme, es kann aber auch gereinigt und ins Erdgasnetz eingespeist werden.
Verglichen mit Wind- und Solarenergie hat Biogas Nachteile: Zur CO2-neutralen Erzeugung wird Brennstoff benötigt, es gibt Geruchs- und Schallemissionen, die Anlagen sind technisch aufwendig, darum ist es teuer. Vorteile sind, dass Biogas grund- und spitzenlastfähig, flexibel und saisonal regelbar ist. Um Biogas zu gewinnen, werden verschiedene Ausgangsstoffe benötigt. Die eine Hälfte umfasst organische Abfälle, aber „Biomüll, Reststoffe aus der Lebensmittelproduktion, Mist und Gülle reichen nicht“, darum sind auch nachwachsende Rohstoffe erforderlich. Dazu gehören Energiepflanzen wie Gras und Mais sowie Leguminosen – verschiedene Arten von Hülsenfrüchtlern, die in Symbiose mit Bakterien Stickstoff aus der Luft aufnehmen, diesen binden und den Boden damit anreichern.
Biogasanlagen bestehen aus dem sogenannten Fermenter, einem großen Behälter mit Rührwerk, in dem Bakterien die zugeführten Ausgangsstoffe zersetzen, Gärproduktlager, Gasaufbereitungsanlage und Gasspeichern. Hinzu kommen ein Blockheizkraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung, Pufferspeicher, Silos für Energiepflanzen sowie eine Vorgrube für Schmutz- und Sickerwasser oder auch Gülle. Eine Biogasanlage kann über eine Mikrogasleitung auch ein sogenanntes Satellitenblockheizkraftwerk in einer Siedlung mit Rohbiogas beliefern.
„Biogas bietet hohe Versorgungssicherheit“, da es planbar, maximal flexibel und breit regelbar die Stromerzeugung Tag und Nacht sowie in jeder Jahreszeit absichern und die Lücken füllen kann. „Biogasanlagen können bei Strommangel oder hohem Bedarf nur über wenige Stunden laufen“, betonte Ehrmann. So können sie im Winter die Lücke durch die sogenannte Dunkelflaute schließen, wenn kaum Solar- und Windenergie erzeugt werden kann. Überdies ermöglicht es Biogas, günstig Wärme für Nahwärmenetze zu erzeugen, und eignet sich als Speichermedium für überschüssigen Strom aus Wind- und Solaranlagen.
Anlagen im Verbund mit
Windkraft und Fotovoltaik
Außerdem stellte der Biogasanlagenplaner ein Verbundprojekt für die lokale Strom- und Wärmeversorgung eines Orts aus erneuerbaren Energien vor, das auch Notstrom erzeugen und im Inselbetrieb laufen kann, was technisch nicht schwierig umsetzbar sei. Dazu werden Windkraft- und Fotovoltaikanlagen mit einer Biogasanlage kombiniert und über Transformatoren abgesichert. Die Biogasanlage dient zugleich als Lieferant von Strom und Wärme sowie als Speicher für überschüssigen Strom aus Wind- und Solarenergie. Dabei können durch Elektrolyse Wasserstoff sowie Biomethan biologisch erzeugt werden. Überdies werden Gärprodukte in einem chemischen Prozess mit Säurezusatz und Vakuumverdampfung zu Mineraldünger verarbeitet. Mit Blick auf die kommunale Wärmeplanung, eine Pflichtaufgabe für alle Kommunen, wäre es nun „erste Bürgerpflicht für jede Stadt- oder Gemeindeverwaltung“, sich mit solchen Projekten zu beschäftigen, fand Thomas Ehrmann. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Kommune das lokale Stromnetz selbst erwirbt und betreibt.
Ein „Riesenproblem“ sei es, dass in Deutschland die Sicherheit zu hoch bewertet wird: Wegen der Gefahr der Ausbreitung von Infektionskrankheiten darf die Biogaserzeugung in Kläranlagen nur in geschlossenen Kreisläufen erfolgen. Daher ist es nicht möglich, diese Biogasanlagen in irgendeiner Form mit weiteren zu verbinden, die beispielsweise bei landwirtschaftlichen Betrieben angesiedelt sind.
Nun gilt es, auszuloten, wie ein solches Verbundprojekt auf Murrhardter Gemarkung umgesetzt werden könnte und was dafür benötigt wird. „Wir müssen im Kreislauf denken, und der Energiesektor sollte der Demokratie entsprechen. Darum ist es wichtig, darüber in Gesprächskreisen in Murrhardt zu diskutieren und es in die Bevölkerung hinein zu kommunizieren, damit es auch in Stuttgart gehört wird“, forderte UBE-Initiator Dieter Schäfer abschließend.