Bock und Gärtner

Sahra Wagenknecht torpediert die BSW-Koalitions-sondierungen in Sachsen und Thüringen.

Von Eidos Import

Wie naiv, wie dreist muss man sein, um sich hoffnungsvoll dem Plan (wenn man ihn überhaupt so nennen kann) zu widmen, das Bündnis Sahra Wagenknecht in eine Landesregierung zu locken? Wie blind muss man sein, der linkspopulistischen Kreml-Ikone für ihre ego-verpeilte Propaganda so viel Raum zu lassen, dass sie sich sicher wähnt, in Erfurt, Dresden und Potsdam massiv bundespolitisch Einfluss nehmen zu können? Und wie frech müssen dort SPD und CDU argumentieren, eine Koalition unter Einbeziehung des BSW als Demokratie stabilisierende Maßnahme anzupreisen?

Es ist richtig und gut, die auftrumpfende AfD von jeglicher politischer Mitverantwortung fernzuhalten. Dies indes als allesentscheidende Maxime ins Feld zu führen, um einen unberechenbaren neuen Partner ins Landes-Boot zu holen, ist ein starkes Indiz für machtbewahrende Hilflosigkeit. Wer Wagenknecht die Gartentür im Glauben öffnet, reiche Ernte einfahren zu können, macht den Bock zum Gärtner. Und sollte sich später über einen verseuchten Boden nicht wundern. Schließlich rechnet Wagenknecht unverblümt alle AfD-Wähler zu ihrem strategischen Lager, die sich mit ihrer Stimme außerhalb des demokratischen Lagers gestellt haben: Umfragen von Infratest dimap zeigen, dass für Wähler von BSW und AfD ähnliche Topthemen wie Migration und Krieg/Frieden zählen – wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung.

Die vergangenen Tage haben allen gezeigt: Wo Wagenknecht draufsteht, ist auch Wagenknecht drin. Weitab von landespolitischen Interessen und Aufgaben. Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, keine Stationierung von US-Raketen in Deutschland – das ist eine politische Drohnenattacke auf die Fundamente der deutschen Bündnis- und Sicherheitspolitik. Wagenknecht schürt damit ganz im Sinne Putins die Angst der Deutschen „vor einem möglichen Konflikt zwischen der Nato und der Russischen Föderation“, wie es in einem Strategiepapier des Kreml heißt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer will die Gefahr dieser unheiligen Allianz nicht erkennen. Im Ergebnis der Kennenlerngespräche stehe nur ein einziger Satz zur Außenpolitik, sagt der CDU-Politiker bieder, und der laute „Wir wollen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten für Frieden in Europa einsetzen.“ Er wisse nicht, wer dagegen etwas haben könnte.

Ob in Sachsen, Thüringen oder Potsdam: Längst geht es ums Schönreden einer unverantwortlichen Allianz. Wie das geht, lernen sie zurzeit von Wagenknecht, die den deutschen Systemwechsel als einen Weg verzuckert, „das Leben der Menschen spürbar zu verbessern und das Vertrauen der Menschen wieder zu erhöhen, dass Demokratie funktioniert“. Worte, die dem Bock im ostdeutschen Garten Appetit machen dürften.

Die Attacken Wagenknechts gegen Forderungen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz für Taurus-Lieferungen an die Ukraine („blanker Wahnsinn“) zielen ja gerade darauf ab, Vertrauen zu zerstören. Dass sie damit ihre pragmatischen Verhandlungsteams in den Ländern bloßstellt (die tapfer behaupten, es gäbe keine Standleitung nach Berlin), dass SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dem BSW empört „Erpressung“ vorwirft und sich in der CDU bereits Tausende für einen Unvereinbarkeitsbeschluss wie zur Linkspartei aussprechen: Das alles passt zu Wagenknechts Zermürbungstaktik. Dennoch glauben SPD und Union in Erfurt, Potsdam und Dresden, „eine stabile Regierung“ hinzubekommen. Wenn auch nicht um jeden Preis. Sozusagen mit einem Bündnis Sahra Wagenknecht ohne Sahra Wagenknecht. So ist das, wenn Wunschdenker verhandeln.

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Erstellt:
22. Oktober 2024, 22:09 Uhr
Aktualisiert:
22. Oktober 2024, 23:55 Uhr

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