Extra-Freizeit trotz Sparprogramm

Bonus für Gewerkschafter: Wie Mercedes künftig die IG Metall fördert

Verbesserungen, die Gewerkschaften durchsetzen, kommen fast immer allen Beschäftigten der Unternehmen zugute. Bei Mercedes sollen Gewerkschaftsmitglieder künftig bessergestellt werden. Was das bedeutet.

Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali setzte einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder durch. Selbst der kampferprobte Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück hatte dies jahrelang vergeblich versucht.

© Dannecker/Dannecker

Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali setzte einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder durch. Selbst der kampferprobte Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück hatte dies jahrelang vergeblich versucht.

Von Klaus Köster

Die sogenannten Trittbrettfahrer sind den Gewerkschaften seit jeher ein Dorn im Auge. Doch Arbeitgeber haben wenig Interesse, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften zu fördern, indem sie vereinbarte Lohnerhöhungen nur an deren Mitglieder auszahlen. Bei Mercedes ist der IG Metall nun ein Durchbruch gelungen, der in der Branche möglicherweise Schule machen wird.

„Es kann nicht sein, dass die IG-Metall-Mitglieder etwas erkämpfen, und zum Schluss kriegen alle Beschäftigten, die nicht mitgewirkt haben, das Gleiche“, schimpfte der langjährige Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück schon vor zwölf Jahren im Interview mit unserer Zeitung. „Die IG Metall sollte ihre Möglichkeiten offensiv nutzen, um für ihre Mitglieder einen zusätzlichen Bonus in den kommenden Tarifverträgen zu vereinbaren“, forderte er.

Bei den Arbeitgebern biss er damit auf Granit – die Unternehmen wollten weder eine Zweiklassengesellschaft in den Betrieben noch einen Anreiz, den Organisationsgrad zu erhöhen, indem sie den Eintritt in die Gewerkschaft durch Vergünstigungen belohnen. Noch im Sommer 2024 schloss der Vizechef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Harald Marquardt, einen Mitgliederbonus kategorisch aus.

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Arbeitgeber leisteten jahrelang Widerstand

Man lasse es sich „nicht für die Mitgliedergewinnung der IG Metall instrumentalisieren“, erklärte er unserer Zeitung. Die Gewerkschaften sollten „sich selbst etwas einfallen lassen, so wie wir uns um die guten Mitarbeiter selbst kümmern müssen“. Auch wenn es nur um einen freien Tag pro Jahr gebe, lehne er dies strikt ab. „Beim Einstieg in die 35-Stundenwoche waren es auch erst ein paar Minuten“, sagte Marquardt und erklärte, er spreche „für die große Mehrzahl unserer Mitglieder“.

Nun aber haben IG Metall und Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali geschafft, woran sich selbst der kampferprobte Hück die Zähne ausgebissen hat. Mercedes wird nun einen Mitgliederbonus gewähren – und zwar just in Form eines zusätzlichen freien Tages pro Jahr, wie ihn Marquardt im August ausgeschlossen hatte.

Ein freier Tag extra für Gewerkschafter bei Mercedes

Vom kommenden Jahr an werden Mercedes-Mitarbeiter, die mindestens sechs Monate in der IG Metall waren, einen zusätzlichen freien Tag im Rahmen des sogenannten tariflichen Zusatzentgelts (T-Zug A) erhalten. Bis zum Jahr 2027 entfällt nach der Vereinbarung bei Mercedes ohnehin das Wahlrecht zwischen einer jährlichen Zusatzzahlung von 27,5 Prozent eines Monatsgehalts und bis zu acht freien Tagen pro Jahr – es müssen die freien Tage genommen werden, die für IG-Metaller um einen Tag aufgestockt werden.

Vom Jahr 2028 an soll dann wieder der tarifliche Normalmodus mit Wahlrecht für einen Teil der Beschäftigten einsetzen. Während der Laufzeit der Vereinbarung, die nun bei Mercedes abgeschlossen wurde und die bis Ende 2034 gilt, erhalten die IG-Metall-Mitglieder weiter den zusätzlichen freien Tag, sofern sie sich für die Variante mit den freien Tagen entscheiden.

Mehr Geld für Zeitarbeiter

Auch für Zeitarbeiter soll es einen Gewerkschaftsbonus geben. Die Betriebsvereinbarung, die die Flexibilität erhöhen soll, sieht künftig nicht nur vor, dass die maximale Beschäftigungsdauer für Zeitarbeiter von 36 auf 48 Monate verlängert wird, sondern auch eine Erhöhung von deren Anteil auf bis zu zehn Prozent – bisher waren es acht. Werden die zehn Prozent überschritten, erhalten ausschließlich IG-Metall-Mitglieder unter den Leiharbeitern die Schichtzuschläge, wie sie der Metaller-Tarifvertrag vorsieht. Außerdem erhalten sie als Mitglieder in diesem Fall eine sogenannte Anerkennungsprämie in Höhe von 15 Prozent der Ergebnisbeteiligung. Die bisherige Regelung sah zehn Prozent unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit vor.

Andere Firmen dürften nachziehen

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die IG Metall nun auch bei anderen Betrieben im Südwesten auf einen Mitgliederbonus drängen. In Niedersachsen und Hessen ist ihr das bereits gelungen: Nach dem neuen Haustarif bei VW, der die Streichung von 35 000 Stellen und somit wesentlich härtere Schritte als die Vereinbarung bei Mercedes vorsieht, erhalten Gewerkschafter ab 2027 einen jährlichen Bonus von 254 Euro, der bis 2030 auf 1271 Euro steigt.

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Erstellt:
5. März 2025, 06:12 Uhr
Aktualisiert:
5. März 2025, 13:20 Uhr

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