Offener Brief an die Deutsche Bahn
Boris Palmer kritisiert Streckensperrungen in Tübingen
Totalsperrung, Schienenersatzverkehr und längere Reisezeiten. Tübingens Oberbürgermeister ist von den Plänen der Deutschen Bahn alles andere als begeistert und verfasste einen offenen Brief.
Von René Wolff
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, hat sich mit einem offenen Brief an Clarissa Freundorfer, die Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, gewandt. Grund für das Schreiben ist die geplante Streckensperrung zwischen Tübingen und Stuttgart sowie die gleichzeitige Einstellung des Zugverkehrs zwischen Tübingen und Herrenberg vom Montag, 29. Juli, bis Montag, 9. September 2024.
Palmer äußert auf seiner Facebook-Seite scharfe Kritik an der Deutschen Bahn. „Dieses Jahr schießt die Bahn aber den Vogel ab. Statt auf der Ammertalbahn ein ordentliches Ersatzzugprogramm zu fahren, will die DB in den Sommerferien auch diese Strecke schließen“, schrieb der Oberbürgermeister.
Tübingen zu 90 Prozent vom innerdeutschen Bahnverkehr abgekoppelt
Palmer, bekannt als Anhänger des Schienenverkehrs, ist besonders verärgert über das Vorgehen der Bahn, das er in seinem offenen Brief als „Abgewöhnungsprogramm für die Bahnkunden“ beschreibt. Außerdem erklärt er, dass die geplante Maßnahme die Universitätsstadt Tübingen zu 90 Prozent der innerdeutschen Zielen abkoppele.
„Wenn man sich aber schon für eine Totalsperrung entscheidet, dann muss meiner Meinung nach sichergestellt sein, dass auf der alternativen Strecke nach Stuttgart über Herrenberg Verkehr auf der Schiene angeboten wird“, schreibt Palmer zudem im offenen Brief.
Laut Bahn stehen nicht genug Dieselfahrzeuge zur Verfügung
Laut dem Brief begründe die Deutsche Bahn die Sperrung der Alternativstrecke mit einer notwendigen Abschaltung der elektrischen Oberleitung. Denn die Stromeinspeisung der Ammertalbahn wird über die Neckartalbahn geführt. Dies mache den Betrieb mit Elektrozügen von und nach Herrenberg unmöglich. Ein Ersatzverkehr mit Dieselzügen sei laut Aussage der DB auch nicht möglich, da nicht genügend Dieselfahrzeuge zur Verfügung stünden.
Palmer hält diese Begründung für nicht akzeptabel. „Dass die DB nicht in der Lage sei, ausreichend Fahrzeuge für eine Strecke zu finden, die sich mit zwei Zugpaaren betreiben lässt, ist eine Bankrotterklärung“, schrieb er in den dazugehörigen Facebook-Post. Er vergleicht die Situation mit einer gleichzeitigen Vollsperrung der B 27 und der B 28 und fordert, dass die Bahn dieselben Standards wie beim Straßenverkehr anlegt.
Sperrungen überschreiten das Zumutbare für die Fahrgäste
Auf Palmers Facebook-Seite fand seine Kritik großen Anklang. Etwa 300 Kommentare zeigen, wie sehr das Thema die Tübinger und die Menschen aus der umliegenden Region bewegt. Denn Tübingen wiederum dient für viele als Sprungbrett nach Stuttgart und somit zu überregionalen Verbindungen.
Reiner Dettling schrieb in seinem Facebookkommentar: „Die ständigen Sperrungen der Gäu- und Ammertalbahn überschreiten tatsächlich - und das seit Jahren - das Zumutbare für die Fahrgäste.“
Dass der Schienenverkehr „allein auf Fahrzeugmangel“ abgestellt wird, ist für Palmer inakzeptabel. Daher fordert er die Bahn in seinem Brief auf, zu prüfen, ob vier Schienenfahrzeuge für den Verkehr zwischen Tübingen und Herrenberg bereitgestellt werden können.
„Die Deutsche Bahn prüft den darin enthaltenen Vorschlag aktuell“, teilte eine Sprecherin der Deutschen Bahn mit. Am Montag will die Bahn hierzu genaueres bekannt geben.
Ernsthafte Beeinträchtigung des öffentlichen Nahverkehrs
Die Ersatzverbindung von Tübingen nach Herrenberg dauert pro Strecke etwa 20 Minuten länger, was für die Pendler eine Verlängerung ihrer Reisezeiten bedeutet. Der Tübinger OB sieht in der aktuellen Planung der Deutschen Bahn eine ernsthafte Beeinträchtigung des öffentlichen Nahverkehrs und hofft, dass die Maßnahmen überprüft und angepasst werden.