Brisanter Kraftakt der Fed

Die US-Notenbank lehnt sich mit ihrem XL-Zinsschritt aus dem Fenster. Das ist politisch heikel.

Von Eidos Import

Wenn Notenbankentscheidungen überraschen, liegt meist etwas im Argen. Der Job der Währungshüter ist es, den Finanzmärkten mit klaren Signalen Planungssicherheit zu geben und Ungewissheiten vorzubeugen. Beim Jumbo-Zinsschritt um einen halben Prozentpunkt, mit dem die US-Notenbank nun ihre geldpolitische Wende einleitete, gelang genau dies nicht – die meisten Experten hatten ein sachteres Vorgehen erwartet. Nicht nur deshalb ist der Beschluss der Fed brisant.

Und dann ist da auch noch der Donald-Trump-Faktor: Mit der XL-Zinssenkung setzt sich die Fed inmitten der heißen Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs Vorwürfen der politischen Einflussnahme aus. Die deutliche geldpolitische Lockerung soll Konjunktur und Arbeitsmarkt stützen, – das stärkt der Regierung der Demokraten und deren Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris den Rücken. Kein Wunder, dass Herausforderer Donald Trump von den Republikanern zürnt. Er hat die Notenbank ohnehin schon auf dem Kieker und droht im Fall seiner Wiederwahl damit, ihr in die Geldpolitik hineinzuregieren.

Trump forderte die Währungshüter vor der Zinssitzung explizit zum Stillhalten auf – jetzt gibt ihm die Fed Futter für seine unsinnige Selbstvermarktung als vermeintlicher Außenseiter, dessen Rückkehr ins Weiße Haus das Establishment in Washington angeblich mit allen Mitteln verhindern will. Der Ex-Präsident hat zum Fed-Vorsitzenden Jerome Powell – den er während seiner ersten Amtszeit selbst nominierte, dann jedoch ständig kritisierte – sowieso ein angespanntes Verhältnis. Umso wichtiger wäre es für die Notenbanker gewesen, sich in diesem Spannungsfeld zurückzuhalten.

Fest steht: Der Zeitpunkt, um geldpolitisch in die Vollen zu gehen, ist äußerst heikel. Die nächste Zinsentscheidung in den USA steht am 7. November an, zwei Tage nach den Präsidentschaftswahlen. Hätte die Fed nicht bis dahin abwarten und den Abstieg vom Zinsgipfel mit einem kleinen Schritt beginnen können?

Hier wird es spannend, mit Blick auf die Konjunkturlage in der weltgrößten Volkswirtschaft. Denn den Notenbankern Parteilichkeit im Wahlkampf zu unterstellen, ist weit hergeholt. Tatsächlich scheint die Sorge vor einer harten wirtschaftlichen Landung so groß, dass die Fed keinen zeitlichen Spielraum mehr sah.

Dabei deuten die Wirtschaftsdaten nicht auf eine akute Rezessionsgefahr hin. Der letzte US-Arbeitsmarktbericht bestätigte den Trend zur Abkühlung, lieferte aber keine Alarmsignale. Das US-Wachstum lag zuletzt solide zwischen zwei und drei Prozent – Jahresraten, von denen etwa das chronisch schwache Deutschland nur träumen kann. Die US-Börsen steigen von einem Rekordhoch zum nächsten, im Finanzsektor droht kein Systemstress. Zugleich übertraf die um schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel bereinigte Inflationsrate im August mit 3,2 Prozent weiterhin deutlich den Zielwert der Notenbank.

Kurz: Die wirtschaftliche Lage scheint kein so entschlossenes Vorgehen der Fed zu erfordern – vor allem nicht im aufgeheizten politischen Umfeld mit erhöhter Teuerung. Allerdings verfügt die Notenbank neben den stark im öffentlichen Fokus stehenden Konjunkturdaten und Stimmungsindikatoren über umfassende Umfragewerte ihrer regionalen Filialen – hier zeigt sich eine deutliche Eintrübung des Wirtschaftsausblicks.

Anleger versetzt der große Zinsschritt in Euphorie, aber er sollte sie eher vorsichtig stimmen. Die Maßnahmen der Fed zeigen, dass das Rezessionsrisiko in den USA – eine der größten Bedrohungen für die seit Monaten laufende Börsenrallye – real ist.

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Erstellt:
19. September 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
20. September 2024, 00:03 Uhr

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