Landwirtschaft
Brüssel will die Bauern stärken
Die EU-Kommission plant eine bessere Position der Landwirte in der Lebensmittelkette. Auf die Bauern warten auf dem Weg in die geplante Klimaneutralität allerdings große Herausforderungen.
Von Knut Krohn
Kurz vor Weihnachten entdeckt die EU-Kommission ihr Herz für die Landwirte. „Wenn sich die festliche Jahreszeit nähert und Familien sich versammeln, um Mahlzeiten zu teilen, werden wir an das Engagement der Bauern erinnert, die diese Momente am Tisch möglich machen“, erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag in Brüssel bei der Präsentation eines Papieres, das die Position der Landwirte in Zukunft stärken soll. Darin ist viel von Fairness die Rede, von anständigem Einkommen und stärkeren Verhandlungspositionen in der Lebensmittelkette.
Bürokratische Hürden sollen abgebaut werden
Den Bauern helfen soll etwa die Verpflichtung, in Zukunft schriftliche Verträge zwischen Landwirten und Abnehmern zu schließen. Bisher gab es oft nur mündliche Absprachen. Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen betonte aber, dass mit solchen Maßnahmen keine zusätzlichen bürokratischen Hürden aufgebaut würden. Der Ressortchef hebt diesen Punkt hervor, da die zahlreichen EU-Vorgaben einer der zentralen Kritik-punkte der Landwirte an Brüssel sind. Es brauche eine gewisse Freiheit und Einfachheit in den Verträgen, auch um Bürokratie so einfach wie möglich zu gestalten, sagte der Luxemburger bei der Präsentation. „Das kann auch eine E-Mail sein, in der man verabredet: Ich liefere Dir zu die-sem Zeitpunkt diese Menge, zu diesem Preis und in dieser Qualität.“
Die EU-Kommission hat zuletzt mehrere Erleichterungen für die Landwirte auf den Weg gebracht. Angestoßen wurden diese Veränderungen vor allem durch die zum Teil gewalttätigen Proteste in ganz Europa. Der Druck auf die Bauern hatte im Zuge des russischen Angriffskriegs durch gestiegene Preisen für Energie und andere Produkte stark zugenommen.
Zorn der Bauern auf auf das Mercosur-Abkommen
Mit dem Positionspapier will die EU-Kommission ein weiteres Zeichen setzen, dass sie die Arbeit der heimischen Landwirte honoriert. Denn in deren Reihen brodelt bereits wieder der Zorn angesichts des soeben unterzeichneten Mercosur-Abkommens. Zwischen Europa und Südamerika soll eine der weltweit größten Freihandelszonen mit über 715 Millionen Einwohnern geschaffen werden. Die Landwirte befürchten aber, dass sie in Zukunft von billigen Produkten aus Übersee überschwemmt werden, weil die Konkurrenz sich nicht an die strengen Umweltauflagen halten müsse.
Zur Verunsicherung trägt auch bei, dass immer deutlicher wird, dass sich die Landwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten in einigen Bereichen grundlegend verändern muss, um ihren Teil im Kampf gegen den Klima-wandel beizutragen. In vielen Wirtschaftssektoren sei sehr deutlich formuliert, wie der Weg in die Klimaneutralität aussehen werde, heißt es etwa in einer neuen Studie des Thinktanks Agora Agrar. Im Bereich der Landwirtschaft müsse das noch geleistet werden. Die Autoren formulieren dabei sehr klare Ziele: Senkung der Emissionen bei gleichzeitiger Erhaltung der Ernährungssicherheit, zudem soll die Biodiversität vergrößert werden und auch noch Platz für den Anbau von Biomasse bleiben.
Studie zeigt den Weg in die Klimaneutralität
Deutlich wird, dass die Wissenschaftler auf eine Mischung aus politischem Druck und vor allem ökonomische Anreizen setzen. „Wir müssen Landwirten klarmachen, dass sie einen wirtschaftlichen Nutzen durch die Transformation haben“, sagte Harald Grethe, einer der Direktoren von Agora Agrar, bei der Präsentation der Studie in Brüssel. Sein Kollegin Christine Chemnitz erklärte das an einem konkreten Beispiel. So könnten etwa in renaturierten Mooren, die zur wichtigen CO2-Speicherung wieder vernässt wurden, weiter Pflanzen angebaut werden, die beim Hausbau als Dämmmaterial sehr begehrt sind. Diese Paludikulturen würden in Zukunft wesentlich stärker nachgefragt werden, da auch die Bauindustrie klimaneutral arbeiten müsse, erklärte Christine Chemnitz. So könnten in vielen Be-reichen für landwirtschaftliche Betriebe neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.
Harald Grethe betonte aber, dass nicht nur die Landwirte, sondern auch die Verbraucher ihre Gewohnheit ändern müssten. Grundlegend sei eine Umstellung auf pflanzenbetonte Ernährung. „Durch eine Halbierung des Konsums tierischer Produkte werden sich sowohl die Futtermittelimporte als auch die Flächen für den Futteranbau innerhalb der EU halbieren“, rechnet der Wissenschaftler vor. Auf diesem Weg hält er aber nichts von einem erhobenen Zeigefinger. Die Maßnahmen müssten von der Politik klug „flankiert“ werden, etwa durch eine Steuerung über die höhere Besteuerung von Fleisch bei gleichzeitiger Verbilligung von pflanzlichen Produkten.