Wahlen in Namibia
Chaotische Wahlen in Namibia: Die erste Präsidentin
Nach einem chaotischen Urnengang steht fest, dass Netumbo Nandi-Ndaitwah (72) zur ersten Präsidentin Namibias gewählt worden ist. Doch die Opposition im Land will das Ergebnis nicht anerkennen.
Von Christian Putsch
Die Politikerin der Partei Swapo (übersetzt: „Südwestafrikanische Volksorganisation“) erhielt laut offiziellem Ergebnis 57 Prozent der Stimmen und konnte sich damit im ersten Wahlgang durchsetzen. Der Gegenkandidat Panduleni Itula von der Partei Unabhängige Patrioten für einen Wechsel („Independent Patriots for Change” – IPC) kam auf 26 Prozent der Stimmen. Nandi-Ndaitwah war im Februar zur Vizepräsidentin ernannt worden, nachdem Präsident Hage Geingob während seiner Amtszeit gestorben war.
Der Urnengang wurde nicht wie geplant auf den vergangenen Mittwoch beschränkt, sondern zog sich über vier Tage lang bis zum Samstag hin. Es mangelte an allem: Stimmzettel, Personal und ausreichend Wahllokalen. Selbst an qualifizierten Wahlbeobachtern. Die Delegation der SADC-Länder des südlichen Afrikas gab behutsam „Empfehlungen“, wie man es beim nächsten Mal besser machen könnte, anstatt den chaotischen Ablauf angemessen zu kritisieren.
Opposition spricht von Fehlverhalten
Oppositionskandidat Panduleni Itula erklärte dagegen, dass es ein „eklatantes und unbestreitbares Fehlverhalten” der Wahlkommission gegeben habe. Schon die letzten Wahlen im Jahr 2019 waren umstritten, ein Gericht lehnte damals einen Antrag auf Annullierung der Resultate ab, obwohl es auch damals beim Ablauf Probleme gab. Die Justiz wird wohl einmal mehr eingeschaltet werden. Und so gratulierten Anfang der Woche Frauenverbände aus mehreren afrikanischen Ländern wohl etwas verfrüht. Nandi-Ndaitwah wäre die erste Präsidentin in der Geschichte des Landes im Südwesten Afrikas. Aktuell wird auf dem Kontinent nur Tansania von einer Frau regiert: Samia Suluhu Hassan, die nach dem Tod ihres Vorgängers aber ohne Wahlen aufrückte. Auch die Liste ihrer Vorgängerinnen in Afrika ist erschreckend kurz. Die erste gewählte Präsidentin war dort im Jahr 2005 Ellen Johnson Sirleaf in Liberia, danach folgten Joyce Banda in Malawi und Samba Pranza in der Zentralafrikanischen Republik mit kurzen Amtszeiten. In Äthiopien war Sahle-Work Zewde bis vor wenigen Wochen Präsidentin, hatte dort aber nur repräsentative Aufgaben.
Nandi-Ndaitwah hat eine für den Süden Afrikas durchaus typische politische Karriere hingelegt. Verdienste im Befreiungskampf, nach der Unabhängigkeit diverse Ministerposten. Loyalität innerhalb der Parteistrukturen und unermüdlicher Einsatz für Bildung garantierten den Aufstieg, auch wenn sie nie mit allzu viel Charisma oder Impulsen auffiel – ihre politischen Positionen sind vage. Das Swapo-Ticket hatte seit der Unabhängigkeit von Südafrika im Jahr 1990 bislang noch immer das Präsidentenamt garantiert. Doch zuletzt wankte der Nimbus der ehemaligen Befreiungsorganisationen in der Region. In Südafrika verlor der „African National Congress“ (ANC) nach 30 Jahren die absolute Mehrheit, in Botswana musste die „Botswana’s Democratic Party” nach 58 Jahren die Macht übergeben. Und auch in Mauritius gab es einen Regierungswechsel.
In Namibia hatte die Swapo im Jahr 2019 erhebliche Verluste verzeichnet. Die hohe Arbeitslosigkeit (19 Prozent) sank seitdem kaum, die Schuldenlast stieg weiterhin ebenso bedrohlich an wie die Zahl der Swapo-Korruptionsskandale. Nandi-Ndaitwah ist in dieser Hinsicht nie auffällig geworden – es war eines der wichtigsten Argumente für ihre Nominierung.
Für wirklichen Aufbruch steht aber auch sie nicht. Mit 72 Jahren ist sie etwa 3,5-mal so alt wie der durchschnittliche Bürger ihres Landes. Und der unkoordinierte Ablauf der Wahlen dürfte die zunehmende Demokratieverdrossenheit im Land weiter anheizen.