Medizin in der Antike

Chirurgen testen 1800 Jahre alte Operations-Anleitung

Moderne Mediziner haben erstmals eine Sezierung nach der genauen Anleitung des berühmten griechischen Arztes Galenos von Pergamon durchgeführt. Dieser hatte das entsprechende Manuskript bereits im zweiten Jahrhundert n. Chr. geschrieben.

Die Chirurgie ist jenes Teilgebiet der Medizin, das sich mit der operativen Behandlung von Krankheiten und Verletzungen beschäftigt. Einer der Wegbereiter der  modernen Chirurgie war der antike Arzt Claudius Galenos von Pergamon.

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Die Chirurgie ist jenes Teilgebiet der Medizin, das sich mit der operativen Behandlung von Krankheiten und Verletzungen beschäftigt. Einer der Wegbereiter der modernen Chirurgie war der antike Arzt Claudius Galenos von Pergamon.

Von Markus Brauer

Chirurgen schneiden und schnibbeln gerne. Das war schon in der Antike nicht anders. Die Chirurgie ist jenes Teilgebiet der Medizin, das sich mit der operativen Behandlung von Krankheiten und Verletzungen beschäftigt.

Einer der Wegbereiter der Chirurgie – der Name stammt vom Griechischen „cheirurgía“: Arbeiten mit der Hand oder Handwerk – war Claudius Galenos oder Galen von Pergamon (128/131-199/216 n. Chr.).

Galenos von Pergamon: Vater der Chirurgie

  • Der Grieche war als Arzt, Anatom, medizinischer Schriftsteller, Forscher und Universalgelehrter vorwiegend in Rom tätig. Er verfasste rund 200 Schriften und gilt neben Hippokrates von Kos (460-370 v. Chr.) als einer der bedeutendsten Ärzte des Altertums.
  • Galenos baute die hippokratische Lehre, insbesondere die Vier-Säfte-Lehre (Humoralpathologie), die er systematisierte, aus.
  • Sein 15 Bücher umfassendes, zwischen 168 n. Chr. und seinem Tod entstandenes Anatomiewerk „Über die Verfahrensweisen beim Sezieren“ ist vollständig nur in arabischer Übersetzung erhalten.
  • Vom griechischen Original sind die ersten acht Bücher und der Anfang des neunten Buches erhalten (Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Römer, Reclam, 1989) .

Galenos’ hoher Grad an technischer Perfektion

Entsprechend seinem Grundsatz, dass die medizinische Forschung nur in der Einheit von empirischem Vorgehen und theoretischer Durchdringung erfolgreich sein kann, hat Galenos in seiner Schrift „Über den Nutzen der Körperteile“ die teleologische – also die zweckbestimmte und zielgerichtete – Betrachtungsweise zum Prinzip erhoben. Mit der darin enthaltenen Darstellung der anatomischen Strukturen verfolgt er das Ziel, deren funktionale Zweckmäßigkeit zu erweisen.

Seine Kenntnisse vom anatomischen Bau der Körperteile beruhen auf eigenen Sektionen, die er – wie dem Werk „Über die Verfahrensweisen beim Sezieren“ zu entnehmen ist – mit einem hohen Grad an technischer Perfektion an Säugetieren durchgeführt hat.

Seiner Darstellung des Nervensystems liegen zum Teil Vivisektionen – also Eingriffen am lebenden Tier – zugrunde, mit deren Hilfe er Ausfallerscheinungen durch Unterbrechung von Nervensträngen nachgewiesen hat.

Jahrhundertelang Leitfaden für Chirurgen

Galenos „Über die Verfahrensweisen beim Sezieren“ war bis ins 17. Jahrhundert ein wichtiger Leitfaden für Chirurgen. Doch nachdem der Grieche seine Schriften im zweiten Jahrhundert n. Chr. verfasst hat, wurden diese über 14 Jahrhunderte nur handschriftlich kopiert. Kopierfehler waren unvermeidlich, was dazu führte, dass heute mehrere Varianten von Galenos‘ Werken existieren. Doch welche sind korrekt?

Um das herauszufinden, haben Forscher um Andres Pelavski von der Hebräischen Universität Jerusalem jetzt eine der Sezier-Anleitungen des antiken Arztes in der Praxis ausprobiert. In insgesamt 95 Schritten sezierte das Team die Bauchwand, Bauchhöhle und Bauchorgane eines zuvor eingeschläferten Schweins genauso, wie Galenos es in seiner Schrift beschrieben hat.

Ihre Studie ist im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienen.

In 95 Schritten zum antiken Meister-Chirurgen

„Von den Schritten konnten 66 zufriedenstellend ausgeführt oder visualisiert werden, 20 wurden teilweise abgeschlossen, und neun blieben unerreicht“, schreiben die Mediziner.

Wenn sie einen der insgesamt 95 Schritte nicht ausführen konnten, lag es meistens daran, dass sie ein von Galenos beschriebenes Element nicht fanden oder es zumindest nicht genau so sahen wie beschrieben. In anderen Fällen war es zu schwierig, eine bestimmte Handlung so auszuführen wie von Galenos gefordert.

Die Mediziner konnten auf diese Weise nicht nur Klarheit in das antike Tutorial bringen, sondern auch neue Einblicke in die Umstände gewinnen, unter denen die Schrift einst entstanden sein muss. Die Sektionen dürften wohl kaum öffentlich durchgeführt worden sein.

Sezieren war nichts fürs einfache Volk

„Die Menge an Licht, die für die Betrachtung der Details erforderlich ist, sowie die Flüssigkeiten und Gerüche, die von dem Tier und seinen Eingeweiden ausgehen, lassen vermuten, dass die öffentlichen Bäder nicht der ideale Ort für diese spezielle Sezierung waren, während eine Bibliothek oder ein Tempel nur dann in Frage kommen könnten, wenn die Sezierung in einer offenen Halle oder einem hellen, gut belüfteten Auditorium innerhalb solcher Komplexe durchgeführt wurde“, schreiben die Forscher.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Galenos‘ Werk nicht für Laien, sondern für Ärzte, Studenten und Personen mit anatomischen Grundkenntnissen bestimmt war. „Angesichts des technischen Niveaus, das für das Verfahren erforderlich ist, sind wir geneigt anzunehmen, dass Galenos gewisse Vorkenntnisse voraussetzte.“

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Erstellt:
5. Dezember 2024, 13:06 Uhr

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