Das A und O ist, in Bewegung zu bleiben
Heinz-Georg Emunds beleuchtet Risikofaktoren und moderne Therapiemöglichkeiten für Erkrankungen der Blutgefäße
Ursache für Herzinfarkt, Schlaganfall und die schmerzhafte Schaufensterkrankheit sind kranke Blutgefäße, die durch Arterienverkalkung und Blutgerinnsel verstopfen. Darum sind gesunde Arterien „entscheidend für die Lebensqualität“, betonte Gefäßchirurg Heinz-Georg Emunds.

Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. „Die Blutgefäße, Arterien und Venen, sind das größte Organsystem des Körpers und insgesamt etwa 10000 Kilometer lang.“ Dies verdeutlichte der Chefarzt der Gefäßchirurgie am Rems-Murr-Klinikum Winnenden in seinem Vortrag „Mit gesunden Gefäßen ins hohe Alter“ auf Einladung des Krankenpflegevereins. Für Gefäßerkrankungen bestehen auch erbliche Risiken, entscheidend für deren starke Zunahme sei aber der moderne, oft ungesunde Lebensstil.
„Wer raucht, sich zu wenig bewegt und ungesund ernährt mit zu viel Fett, Zucker und Fertiggerichten, Übergewicht hat und unter zu hohem Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes leidet, hat ein hohes Risiko, an Arteriosklerose (Arterienverkalkung) zu erkranken“, warnte der Mediziner. Doch: „Auch wenn man gesund lebt, ist dies nicht ganz zu verhindern“, schränkte er vor einer kleinen Zuhörergruppe im Heinrich-vonZügel-Saal ein.
Emunds empfahl zur Vorbeugung die mediterrane Ernährungsform mit viel Gemüse, Obst und Olivenöl, dazu viel Bewegung, am besten mit Ausdauersportarten wie Wandern und Walking, Radfahren und Schwimmen. Entscheidend sei, mit dem Rauchen aufzuhören und abzunehmen, um zu hohe Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzuckerwerte zu senken. Für den Blutdruck seien unter 120 systolisch (oberer Wert) und unter 80 diastolisch (unterer Wert) optimal.
Der Wert des „schlechten“ LDL-Cholesterins, eines Fettproteins mit niedriger Dichte, sollte unter 100 Milligramm pro Deziliter Blut betragen. Ein optimal eingestellter Blutzuckerwert liege unter 100 Milligramm pro Deziliter Blut, wenn man vorher nichts gegessen hat. „Gefäßerkrankungen sind der Killer Nummer eins“, unterstrich der Chefarzt. Darum gelte es, so lange wie möglich beweglich zu bleiben: „Gehen ist Leben.“ Heimtückisch sei, dass Durchblutungsstörungen und Blutgefäßveränderungen oft lange unbemerkt bleiben, weil anfangs keine Beschwerden auftreten.
Doch mit zunehmendem Alter verstärkten sich die Durchblutungsstörungen, was die Beweglichkeit immer weiter einschränke sowie Herz, Kreislauf und die gesamten Körperfunktionen beeinträchtige.
Bei Arteriosklerose, die im ganzen Körper, oft aber in den Beinen und dort in den Oberschenkeln auftrete, lagere sich Cholesterin an den Blutgefäßwänden ab. Daraus entwickelten sich steinharte „Korallenriffe“, die die Gefäße immer weiter verengen, den Blutfluss behindern und Brutstätten für Blutgerinnsel seien. Dies führe zu Sauerstoffmangel, der starke Schmerzen auslöse.
Der Referent stellte vier Stadien der Erkrankung vor: Im ersten Stadium habe der Patient keine Beschwerden, darum werde sie meist zufällig entdeckt, doch seien gelegentliche Beinschmerzen ernst zu nehmen. Im zweiten komme es zu Schmerzen in Waden oder Oberschenkeln, die beschwerdefreie Gehstrecke betrage etwa 200 Meter. Im dritten Stadium habe der Patient Schmerzen in Füßen und Zehen besonders im Liegen, und im vierten ist das Gewebe geschädigt, auch bilden sich Geschwüre.
Ein großes Problem sei, dass Patienten mit Gefäßerkrankungen oft nicht richtig untersucht, behandelt, überwacht und aufgeklärt werden, kritisierte der Gefäßchirurg. Mithilfe von Computer- und Kernspintomografie ließen sich die Gefäße sichtbar machen und dreidimensional darstellen, doch sei es für den Arzt wichtig zu wissen, wo genau die Schmerzen auftreten. Da Gefäßerkrankungen sehr unterschiedlich verlaufen, gelte es für jeden Patienten individuelle Lösungen mit speziellen Therapiekonzepten zu finden.
Beispielsweise führe man mithilfe von kleinen Eingriffen unter hohem Druck stehende Kunststoffballons in verstopfte Gefäße ein, um sie wieder zu erweitern. An den verstopften Stellen werden Stents, kleine Drahtgeflechte, als Stützen platziert, dafür seien aber Körperregionen mit großen Gelenken ungeeignet.
Bei Bedarf setze man auch klassische operative Verfahren ein, beispielsweise das Ausschälen verstopfter Gefäße. Zudem kombiniere man moderne und klassische Methoden, lege Bypässe und stabilisiere Gefäße mit Prothesen. Aber: „Arteriosklerose ist momentan noch nicht heilbar, wir reparieren die Gefäße nur, und der Patient wird nicht mehr gesund“, stellte der Chefarzt klar. Wenn Operationen nicht mehr möglich sind, gebe es noch die Infusionstherapie mit einem speziellen Medikament, das die kleinsten Kapillar-Blutgefäße stimuliere, jedoch das Herz belaste.
„Letztes Mittel“ vor der Amputation sei, einen Neurostimulator am Rückenmark einzusetzen. Dieser bewirke mit Stromimpulsen unterschiedlicher Frequenzen, dass sich die erkrankten Bereiche erwärmen, und lindere die Schmerzen deutlich.
Im Klinikum Winnenden findet am 7. Juli,
11 bis 18.30 Uhr ein Tag der offenen Tür statt. Die Besucher können Operationsräume besichtigen, Fachärzte halten Vorträge zu verschiedenen Themen.