Lars Klingbeil bei Caren Miosga

„Das ,Du‘ von Merz habe ich gern angenommen“

SPD-Parteichef Lars Klingbeil schildert im ARD-Talk sein wachsendes Vertrauen zu CDU-Chef Friedrich Merz und erläutert, warum er Saskia Esken die Stange hält.

Lars Klingbeil war am Sonntagabend zu Gast bei Caren Miosga.

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Lars Klingbeil war am Sonntagabend zu Gast bei Caren Miosga.

Von Christoph Link

Diese Talkrunde von Caren Miosga am Sonntagabend in der ARD hat den SPD-Chef Lars Klingbeil schon aufgrund der Fragen der Moderatorin rasch als Match-Winner strahlen lassen: Mit welchem Selbstbewusstsein und welcher Chuzpe es die SPD mit ihren mageren 16,4 Prozent geschafft habe, für sie wichtige Punkte wie das Infrastruktursondervermögen, die Tariftreue, einen höheren Mindestlohn, die Rentenstabilisierung und eine Anhebung des Spitzensteuersatzes durchzusetzen, wollte Caren Miosga wissen. Lars Klingbeil antwortete selbstgefällig, dass hinter so plausiblen Forderungen wie guten Löhnen und Renten eigentlich 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung stünden – eins zu Null.

Im übrigen sei es so, dass auch der Union Zugeständnisse gemacht worden seien, der müsse ja auch signalisiert werden, dass sie „etwas erreicht“ habe und das sieht er vor allem bei zwei Themen, die für ihn für den „Politikwechsel“ in diesem Land nach der Wahl stehen: Migration und Bürgergeld. Besonders beim Bürgergeld habe er im Wahlkampf erlebt, so Klingbeil, dass in der Öffentlichkeit zumindest „der Eindruck“ entstanden sei, dass sich die SPD mehr um diejenigen kümmere, die das Geld vom Staat erhalten, als um „die Fleißigen, die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen“. Das sei falsch, das werde man ändern, die „Anständigen und Fleißigen“ im Land müssten an der neuen Regierung erkennen, „die tut was für uns“.

Klingbeil ärgert sich über Durchstechereien

In der Tonalität war das schon sehr nahe an Äußerungen von Friedrich Merz (CDU) und in der Tat hat sich Klingbeils Verhältnis zu dem CDU-Chef seit der Bundestagswahl offenbar sehr verbessert. Vor der Wahl habe man sich „nichts geschenkt“ und sich „bekämpft“, so Klingbeil, schließlich sei es darum gegangen, dass Olaf Scholz Kanzler bleibe, und auch jetzt sei es wohl übertrieben zu sagen, man werde „beste Freunde“. Aber er habe auch „neu gelernt“ über Merz, das Vertrauen zu ihm sei mit den Koalitionssondierungen gewachsen, er habe dessen Verlässlichkeit erfahren und man habe belastbare Gespräche geführt. „Vor drei Tagen hat mir Merz das Du angeboten. Ich habe es gerne angenommen“, sagte Klingbeil. Schließlich habe man schon „eine gemeinsame Strecke“ hinter sich, drei Grundgesetzänderungen mithilfe der Grünen geschafft und die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner durchgesetzt. Das sei eine gute Vertrauensgrundlage, um „Großes zu schaffen für dieses Land.“

Aber noch laufen ja die Koalitionsverhandlungen und wie es da zu geht, darüber ging man bei Miosga nicht ins Detail, nur der Ärger von Klingbeil über Durchstechereien wurde erkennbar und dass sich die SPD noch „mehr“ erhofft: Man müsse doch darüber reden können, dass Nutznießer von höheren Erbschaften, Vermögen und Einkommen auch einen höheren Beitrag für Deutschland leisten könnten, so Klingbeil. Im übrigen vertrete die SPD das Prinzip der finanzpolitischen Solidität, wer da „schön klingende Dinge“ vorschlage, der müsse auch sagen, wo das Geld her komme.

Personalpolitisch ließ sich Klingbeil von Caren Miosga nicht entlocken, welches Ministeramt er anstrebt. „Ob ich was anderes machen kann, müssen wir sehen“, war die Antwort des SPD-Chefs. Der nächste SPD-Parteitag wird auch personelle Klarheiten und Zuweisungen bringen, beispielsweise über die SPD-Co-Chefin Saskia Esken, die derzeit parteiintern in der Kritik steht, von der Lars Klingbeil aber sagte, die Kritik an ihr sei „unfair“, er weise sie zurück, er arbeite seit langem eng und vertrauensvoll mit ihr zusammen. Auf die Frage, ob der beliebteste Politiker Deutschlands, SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius, nun für einen Job im neuen Kabinett gesetzt sei, antwortete Klingbeil nur indirekt, man sei ja froh, dass Pistorius mit „im Team“ sei, „den Rest kann sich ja jeder denken“.

Klingbeil setzt auch außenpolitische Akzente

Überraschend klar setzte Klingbeil dann aber seine außenpolitischen Akzente: Die demütigende Unterredung von US-Präsident Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im „Oval Office“ habe ihn schockiert, sie habe gezeigt, dass auf die USA als Partner kein Verlass mehr sei und das geleakte Chat-Gespräch zum Angriff auf den Jemen, geführt wie von „pubertären Teenagern“ mit der Verächtlichmachung von Europas, habe den Eindruck nur verstärkt. Klingbeils Fazit: die wirtschaftliche starke, aber militärisch schwache Macht Europa müsse „endlich eigenständig werden“. Von Moskau erwartet Klingbeil hingegen so gut wie nichts, es gebe derzeit keinen Grund, auch nur „einen Zentimeter auf Putin zuzugehen. Er ist derjenige, der den Krieg beenden kann“. Wie die Ergebnisse der Verhandlungen von Riad nun zu bewerten seien, könne er nicht abschließend sagen, dass es „gute“ seien und sie nicht zu Lasten von Europa und der Ukraine seien, daran habe er seine Zweifel.

Skeptisch sieht Klingbeil auch Rufe aus der Union nach einem Ende der Sanktionen und der Wiederaufnahme von russischen Gaslieferungen. Die Abhängigkeit von russischer Energie sei ein großer Fehler gewesen, den solle man nicht wiederholen. Putin hänge weiter seinen „Großmachtsphantasien“ nach, den Weg der Unabhängigkeit von russischem Gas müsse man weitergehen. Eine Rüstungskooperation mit der Ukraine hält Klingbeil für sinnvoll, was eine deutsche Beteiligung von Friedenstruppen anbelangt, hält er eine Entscheidung aber für verfrüht. Was die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine anbelangt, äußerte er sich sehr dezidiert. Der Schlüssel dazu liege in Washington, ohne eine Zustimmung von Donald Trump werde das nicht passieren. Und die ist – laut Trumps bekannten Aussagen – unwahrscheinlich.

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Erstellt:
31. März 2025, 06:34 Uhr
Aktualisiert:
31. März 2025, 07:26 Uhr

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