Das Rätsel Schwabe
Jakob Friedrich präsentiert in Murrhardt sein erstes Soloprogramm „I schaff mehr wie du“. Der Bremer Fischkopf arbeitet sich vor allem an Irritierendem und Skurrilem seiner Wahlheimat ab.

© Jörg Fiedler
Was für ein Blick. Aber der kann nicht darüber hinwegtäuschen: Jakob Friedrich ist ein WWW-Typ, sprich er will immer wissen wieso, weshalb, warum? Foto: J. Fiedler
Von Wolfgang Gleich
MURRHARDT. Jakob Friedrich leistete Schwerstarbeit am Sonntagabend in der Festhalle Murrhardt – unbestritten. Da beißt die Maus keinen Faden ab! Dabei hatte er es alles andere als leicht, der Kabarettist und Mechatroniker aus Besigheim mit Bremer Migrationshintergrund. Ursprünglich hätte er ja eigentlich im Julius-Söhnle-Pavillon im Murrhardter Stadtgarten am Feuersee auftreten sollen, vorzugsweise an einem lauen Sommerabend. Daraus ist dann ja nichts geworden; der Wettergott machte ihm einen dicken Strich durch die Rechnung, sodass der Auftritt in die Festhalle in der Helmut-Götz-Straße verlegt wurde. Und zu allem Überfluss ging dann auch noch so ein heftiger Regen nieder, dass man keinen Hund vor die Tür gejagt hätte.
Letztendlich waren es dann doch zwei Dutzend Unverzagte, die sich gegen den Wiener Tatort im Ersten und Simone Thomalla im Zweiten entschieden hatten und in die garstige Nacht hinein aufbrachen. Und sie wurden nicht enttäuscht, ihre Entscheidung war ganz klar die richtige. Auch wenn in dem leeren Saal, der eh schon etwas vom Flair einer Fahrzeughalle hat, der viel zitierte Funke von der Bühne herunter zum Publikum partout nicht auf Anhieb überspringen wollte. Doch wer genau hinhörte, der kam auf alle Fälle auf seine Kosten.
Dafür rackerte sich Friedrich hoch oben auf dem Podium leidlich ab: in Latzhosen, mit den Arbeitsschuhen fest auf dem Boden und nichts mehr als einem Spickzettel holte er sein Publikum ab und führte es in die geheimnisvolle, vielen unbekannte Welt der Raucherecken, Werkskantinen und Montagehallen, in denen es nach heiß gelaufenen Motoren, Bohrmilch, Schweiß und glühenden Metallspänen riecht.
Und auch nach 15 Jahren in der schwäbischen Metall- und Elektroindustrie ist dem Reiseführer Friedrich, der ja eigentlich durch das Labyrinth seines ersten Soloprogramms „I schaff mehr wie du“ führen sollte, so manches dunkel und unerklärlich geblieben. Daran lässt der original Bremer Fischkopf und Ex-Waldorfschüler seine Zuhörer teilhaben: Er denke viel, weil er von Natur aus ein „WWW-Typ“ sei, einer, der immer nach dem Wieso?, Weshalb?, Warum? frage. Ganz anders dagegen sei sein Nachbar Jürgen, ebenfalls Metallarbeiter, wie wahrscheinlich schon sein Vater und sein Großvater, und höchstwahrscheinlich bereits in einer blauen Latzhose geboren. Dieser Jürgen sei nämlich ein „ZDF-Typ“, für den gebe es nur Zahlen, Daten, Fakten. Und diese Typen gebe es wie Sand am Meer.
„Die Schwaben haben ihre Eigenheiten“, weiß Friedrich aus eigenem Erleben, und er hat damit bisweilen seine Probleme. Sei es das Arbeitsethos, das es ihnen schwer macht, sich krankschreiben zu lassen, und dazu führt, dass sie sich über ihre Arbeit definieren, seien es verbreitete politische Einstellungen, die immer wieder mal „Volkes Rechtsempfinden“ hochkochen lassen oder sei es, dass der ganz normale Alltagswahnsinn Urständ feiert. Ja, man musste genau hinhören, wenn Jakob Jürgen dem Publikum gegenüberstellte, wenn er mit Zahlen, Daten und Fakten jonglierte, mit Worten und Stereotypen spielte. Da bekam die Agentur für Arbeit ebenso ihr Fett weg wie das Gesundheitswesen oder auch die Werbewirtschaft. Allein schon daran konnte man sich begeistern, und langweilig wurde es einem bei Jakob Friedrichs Auftritt keinen Augenblick!