Weniger Ausstellungen in deutschen Museen
Das „Slow Museum“ will abspecken
Viel Aufwand, kurze Laufzeit: Jahrzehnte lang sollten Museen ständig neue Ausstellungen präsentieren. Damit ist es jetzt vorbei.
Von Adrienne Braun
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Deshalb machten im vergangenen Jahr viele Kunstliebhaber ein langes Gesicht, denn die Tickets für die legendäre Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum Amsterdam waren ruckzuck ausverkauft. Nach vier Monaten wurde die historisch einmalige Schau auch schon wieder geschlossen, die Bilder an die Leihgeber zurückgegeben. Deshalb fragte sich mancher: Warum dieser Aufwand für so kurze Zeit?
Weil es bisher so üblich war. Von Museen wurde jahrzehntelang erwartet, dass sie möglichst lebendig sind und ständig neue Ausstellungen präsentieren. So sollten sie attraktiv bleiben und zu regelmäßigen Besuchen einladen. Diese vermeintliche Selbstverständlichkeit wird inzwischen immer häufiger in Frage gestellt. „Slow Museum“ nennt sich der Trend, der wie so vieles aus den USA kommt, weil die Museen dort nicht selbstverständlich auf staatliche Förderung setzen können. Deshalb haben auch große Häuser bereits vor der Pandemie begonnen, ihr Programm zu reduzieren. Das Solomon R. Guggenheim Museum in New York hat 2013 zum Beispiel noch zwölf Ausstellungen pro Jahr eröffnet, jetzt sind nur noch sechs. Auch das Carnegie Museum of Art in Pittsburgh hat die Zahl der Ausstellungspremieren von zehn auf sechs heruntergefahren. Dafür bietet es jetzt ein breiteres Begleitprogramm an.
Die Zahl der Ausstellungen ist zurückgegangen
Auch in Deutschland gibt es immer mehr Museen, die die langjährige Praxis ständig neuer Sonderausstellungen in Frage stellen und Laufzeiten verlängern. Die gerade veröffentlichte Bilanz des Instituts für Museumsforschung zeigt zwar, dass die Museen mit 106 Millionen Besucher wieder fast so gut besucht sind wie vor der Pandemie, die Zahl der Ausstellungen ist aber zurückgegangen. Die befragten 4000 Museen und rund 300 Ausstellungshäuser haben ihr Angebot um zwanzig Prozent eingedampft.
Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe hat das Programm zuletzt allerdings nicht aus Überzeugung, sondern nur deshalb verschlankt, weil die Transportkosten gestiegen sind und die Klimavorgaben strenger seien, wie der Direktor Eckart Köhne sagt. Auch die elektronischen Sicherheitsvorrichtungen und die Ausstellungsarchitektur hätten sich erheblich verteuert. Das Städel Frankfurt hat die Laufzeiten der Ausstellung verlängert, weil das wirtschaftlicher und nachhaltiger sei. Sogar der Hamburger Bahnhof in Berlin, „der eher wie ein Theater zeitgenössische Kunst produziert“, so der Direktor Till Fellrath, hat inzwischen mehrere Dauerausstellungen.
Längere Laufzeiten begrüßt auch der Deutsche Museumsbund, weil die überlasteten Teams so Überstunden abbauen könnten, ohne wichtige Aufgaben vernachlässigen zu müssen. Wobei auch hier die amerikanischen Kollegen bereits einen Schritt weiterdenken. Das Whitney Museum of American Art in New York setzt beim „Slow Museum“ auch bei der Sammlung an: Es wird künftig weniger ankaufen, um die Kosten für Lagerung und Erhalt nicht immer weiter in die Höhe zu schrauben.