Delikater Gypsy-Swing und Lebensfreude pur
Die fünfköpfige französisch-deutsch-polnische „Marion&Sobo Band“ begeistert bei der Reihe „Jazz im Foyer“ das Publikum in der Murrhardter Festhalle mit Jazzklassikern, eigenen Kompositionen sowie globalen Klängen und Rhythmen.

Dem Quintett ist die Spielfreude beim Konzert auch anzusehen. Foto: Elisabeth Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Ein stilistisch und klangfarblich faszinierend variantenreiches Hörvergnügen ist die Konzertpremiere der „Marion&Sobo Band“ in der Walterichstadt beim jüngsten Konzert der Reihe „Jazz im Foyer“. Das Quintett aus einer Sängerin und vier Musikern sprüht vor kreativen und fantasievollen musikalischen Ideen, alle sind auch virtuose Solisten und Improvisateure.
„Wir sind große Fans von Django Reinhardt“, bekennt „Sobo“, der polnische Gitarrist Alexander Sobocinski, der die seit über zehn Jahren bestehende Band mit gründete. Die musikalische Sprache und den Sound der Band prägen der Gypsy-Jazz und französische Swing der 1930er-Jahre im Stil des berühmten Django Reinhardt (1910 bis 1953). Ähnlich wie dessen legendäres Quintett „Hot Club de France“ ist es besetzt mit zwei speziell gebauten Gypsy-Gitarren, einer Violine und einem Kontrabass. Regie führen die französisch-amerikanische Sängerin Marion Lenfant-Preus mit ihrer bezaubernd jugendlichen Sopranstimme und „Sobo“. Authentisch und zugleich mit vielen eigenen Ideen zelebriert er die hohe Gitarrenspielkunst und Technik, inspiriert von Reinhardt.
Eine treibende Gitarre, ein Kontrabass, der wie ein Didgeridoo schnarrt
Ab und zu tauscht er die Rolle des Melodiegitarristen mit dem jungen Gypsy-Jazzer Fredi Gebhardt. Dieser sorgt als Rhythmusgitarrist mit perkussionistisch wirkendem Spiel für den oft temporeichen, temperamentvoll swingenden Drive. Jazzviolinist Frank Brempel verzaubert das Publikum mit romantischen, idyllisch verträumten Klängen, aber auch ausgeklügelten, fast barock anmutenden komplexen Figurationen. Kontrabassist Stefan Berger entlockt seinem Instrument auch überraschend sanfte, melodiöse Töne sowie seltsam schnarrende Klänge, die an ein Didgeridoo erinnern.
Charmant und humorvoll lassen die sprachbegabte Sängerin und die Musiker alle Schubladen und Kulturgrenzen hinter sich und kreieren ihren eigenen, facettenreichen Stil. Darin mixen sie viele unterschiedliche Zutaten wie Gypsy-Swing, traditionelle Melodien und Rhythmen des Balkans sowie der Sinti und Roma, Chanson, Weltmusik und Pop auch zu vielschichtigen Eigenkompositionen. Jedes Werk wird mit artistischen Soli, Improvisationen und innovativen Arrangements interpretiert und bietet Hörgenüsse vom Feinsten.
Höhepunkte sind einige schnelle, mitreißende Jazzklassiker wie „Django’s Tiger“ oder „Joseph, Joseph“ mit dem deutschen Text „Sie will nicht Blumen und nicht Schokolade“. „2010 kam ich zum Sprachstudium nach Deutschland und lernte drei verschiedene Dialekte kennen: Schwäbisch in Stuttgart, Hessisch in Wiesbaden und Rheinländisch in Bonn“, erinnert sich Marion Lenfant-Preus. Sie schreibt selbst Texte und Melodien und erzählt Geschichten in verschiedenen Sprachen. Augenzwinkernd und sentimental blickt sie auf ihre Studentenzeit mit wilden WG-Partys zurück in „Die Badewanne voller Bier“, rhythmisch und melodisch abwechslungsreich illustriert.
Im Romanes der Sinti und Roma singt sie „Ederlezi“, ein traditionsreiches Lied vom Balkan zum Frühlingsfest des Heiligen Georg. Es beginnt mit sehnsüchtigen, orientalisch anmutenden Rufen, daraus entsteht mitreißende Melodik voller Lebensfreude und Rhythmik ähnlich einer Rumba. Gefühlvolle, verträumte Klangnuancen kommen in der Ballade „Nur eine Sekunde“ zur Entfaltung: Darin erzählt die Künstlerin von einer Person, die zwar körperlich präsent ist, gedanklich aber in weite Fernen schweift. Teils temperamentvolle, teils emotionale brasilianische Klänge und Rhythmen prägen „Wintergarten“, auf Französisch gesungen.
In den 1920er- und 1930er-Jahren war Musik aus Kuba in Europa populär, auch Django Reinhardt spielte gerne diese rhythmisch betonten Melodien wie den Bolero „20 Jahre“ mit spanischem Text. Ebenso Jazz- und Swinghits wie den Bossa Nova „I wish you love“. Die französische Version hat indes eine völlig unterschiedliche Perspektive: In „Was bleibt übrig von unserer Liebe“ schildert die Band mit swingenden Klängen, Gesang und Scat (improvisiertes Singen von rhythmisch und melodisch aneinandergereihten Silbenfolgen) Spaziergänge in Paris mit Erinnerungen an Rendezvous, Liebesbriefe und Fotos.
„Das macht sehr großen Spaß“, freut sich „Sobo“: Vom Start weg springt der Funke dank bezaubernden Klängen und Rhythmen der Spitzenklasse aufs Publikum über. Begeistert klatscht es mit, viele Füße wippen, Bravorufe und rhythmischer, enthusiastischer Applaus motivieren die Band zu einer Zugabe: „Norwegischer Tanz“ von Edvard Grieg. „Django Reinhardt war Fan der Klassik und arrangierte dieses und andere Werke“, erzählt „Sobo“. Auch die Band legt eine ganz eigene, neue Fassung vor: Idyllische Harmonik vermittelt die Stimmung einer Mittsommernacht, und Marion Lenfant-Preus schrieb den englischen Text dazu. „So schöne Musik haben wir schon lange nicht mehr gehört“, finden etliche Gäste, darunter auch Fans der Band aus Schweden, die ihre Heimreise mit dem Besuch des Konzerts verbunden haben.