Denkmalschutz sticht Solaranlage

Die evangelische Kirchengemeinde Murrhardt hat in den vergangenen Jahren große Projekte gestemmt, aber auch die künftigen Aufgaben sind nicht klein. Gern hätte sie eine Solaranlage für das Kirchendach vorgesehen, aber ein Arbeitskreis hat die Anfrage abgelehnt.

Nach einer Leitlinie des Landes von 2022 soll eine Genehmigung von Solaranlagen auf Kulturdenkmälern regelmäßig erteilt werden. Sie kam somit erst nach der Sanierung des Stadtkirchendachs 2021. Die Kirchengemeinde hätte aber auch nun eine PV-Anlage begrüßt.

© Stefan Bossow

Nach einer Leitlinie des Landes von 2022 soll eine Genehmigung von Solaranlagen auf Kulturdenkmälern regelmäßig erteilt werden. Sie kam somit erst nach der Sanierung des Stadtkirchendachs 2021. Die Kirchengemeinde hätte aber auch nun eine PV-Anlage begrüßt.

Von Christine Schick

Murrhardt. Im Gemeindebrief erinnert Pfarrer Hans Joachim Stein noch mal an die Spendenaktion „Kinder – Kirche – Orgelklang“, zu der 2016 aufgerufen wurde, da die evangelische Kirchengemeinde gleich vor drei Großprojekten stand: Außensanierung der Murrhardter Stadtkirche, Neubau des Kindergartens und der Aufbau einer neuen Orgel. Mittlerweile sind alle Vorhaben abgeschlossen und somit wird auch der Spendenaufruf beendet. „Wir mussten uns nicht verschulden, aber die Rücklagen sind geschröpft. Ganz leerräumen dürfen wir sie auch nicht“, sagt Pfarrer Stein. Bekanntlich geht einer Kirchengemeinde mit einem historischen Gebäudebestand aber auch nicht die Arbeit aus beziehungsweise es tauchen immer wieder mehr oder weniger unvorhergesehene Baustellen auf. Zwar kann die Gemeinde die Innensanierung der Stadtkirche, die ursprünglich vorgesehen, aber zugunsten der Außensanierung wegen Schäden an Dach und Dachstuhl zurückgestellt worden war, jetzt noch nicht angehen, muss aber trotzdem überlegen, wie sich die Lage verbessern lässt.

Eine Solaranlage könnte Energie für


die strombetriebene Heizung liefern

„Dringlich ist die Heizung“, so Stein. Geheizt wird die Stadtkirche über sogenannte Wandvektoren und mit einer Fußbodenheizung, beide sind elektrisch betrieben. Das Problem ist, dass die Fußbodenheizung über 40 Jahre auf dem Buckel hat, nicht mehr an allen Stellen funktioniert und vor allem viel Strom verbraucht, erläutert Pfarrer Stein. Ein Anschluss an das städtische Wärmeversorgungsnetz wäre grundsätzlich möglich, ist aber zurzeit finanziell keine Option, da dazu der Boden der Kirche geöffnet werden müsste, sprich dies ein umfangreiches Bauprojekt ist. Nun sollen neue Konvektoren helfen, für die voraussichtlich rund 30000 bis 40000 Euro ausgegeben werden müssen.

Um aber trotzdem einen Beitrag zu einer umweltschonenderen Energieproduktion zu leisten, hat die Kirchengemeinde eine Solaranlage für das Kirchendach in Betracht gezogen. „Die Richtlinien haben sich gelockert“, erzählt Stein und dass man bei den Zuständigen angeklopft habe. Doch die Anfrage sei abgelehnt worden. Er hoffe, dass die Vorgaben noch stärker angepasst werden und sich in vielleicht zwei oder drei Jahren ein erneuter Anlauf nehmen lässt. Der geschäftsführende Pfarrer setzt letztlich darauf, dass der politische Druck steigt, da auch die Ziele einer Klimaneutralität erreicht werden müssen.

Arbeitskreis aus kirchlichen Bauämtern und Denkmalamt sieht Anlage kritisch

Stellt sich die Frage, wie die Verantwortlichen eine Ablehnung begründet haben. Auf Nachfrage beim Regierungspräsidium Stuttgart, wie das dort zuständige Landesamt für Denkmalpflege argumentiert hat, erläutert Janina Dinkelaker vom Presseteam, dass es diesbezüglich einen Arbeitskreis mit Vertretern der kirchlichen Bauämter und dem Landesamt für Denkmalpflege gibt. „Hier wurden zahlreiche Kirchen betrachtet und Kriterien entwickelt, wann eine Beeinträchtigung so erheblich ist, dass eine PV-Anlage nicht oder nicht ohne Weiteres zustimmungsfähig ist. Bei über 80 Prozent der besprochenen Objekte konnte eine fachliche Zustimmung nur teilweise mit Einschränkungen in Aussicht gestellt werden. Im Rahmen dieser Besprechung wurde damals eine Zustimmung für die altehrwürdige Klosterkirche St. Januarius als kritisch angesehen.“ Bei den Beurteilungskriterien fällt die Stadtkirche in die Kategorie „Nicht möglich“, wie Bürgermeister Armin Mößner bestätigt. „Grundsätzlich sind wir PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden gegenüber aufgeschlossen, sofern das Landesamt für Denkmalpflege denkmalfachlich eine positive Stellungnahme abgibt.“

Janina Dinkelaker schlüsselt die Rahmenbedingungen für eine Genehmigung beziehungsweise eine Verweigerung auf, da es im Fall der Stadtkirche, für die kein Antrag im engeren Sinne gestellt wurde, keine spezifische Stellungnahme gab. Grundlage sind die Leitlinien, die das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen als oberste Denkmalschutzbehörde im Mai 2022 für Entscheidungen zu PV-Anlagen auf Kulturdenkmälern erlassen hat. Ihnen zufolge ist eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn die Solaranlagen sich insbesondere der eingedeckten Dachfläche unterordnen und möglichst flächenhaft sowie farblich abgestimmt angebracht werden. Umgekehrt nennt die Leitlinie Kriterien, die eine Ablehnung bewirken können. Stichworte sind hier künstlerische Schutzgründe mit Blick auf eine anspruchsvolle Gestaltung beispielsweise stark gegliederter Dachflächen wie Kreuzungen, Rundungen, Überschneidungen oder Turmeinschnitte, eine besondere Gestaltung im Dachbereich wie historische Dachgauben oder eine historische Dachdeckung. In diesen Fällen ist zu analysieren, ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds und/oder ein erheblicher Substanzeingriff bei der Installation einer Solaranlage vorliegt. Eine Möglichkeit ist, zu prüfen, ob über eine farbliche Anpassung der Module an die Dachfarbe eine Genehmigung erreicht werden kann.

Landratsamt: Fast alle Kirchen im Kreis genießen besonderen Schutzstatus

Mit Blick auf diese farbliche Anpassung gibt es eine Neuentwicklung, die möglicherweise zumindest bei länger geplanten Vorhaben eine Option ist: Solardachziegel, wie sie beispielsweise beim Projekt der Backnanger Stadthalle zum Einsatz kommen sollen (wir berichteten). Voraussetzung für eine Genehmigung sind unter anderem Fragen der Statik und ob die bisherige Dachdeckung schützenswert ist.

Das Landratsamt meldet mit Blick auf die künstlerischen Schutzgründe und eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds zurück, dass fast alle Kirchengebäude im Rems-Murr-Kreis diesen besonderen Schutzstatus (inklusive Umgebung) genießen. Isabelle Kübler vom Presseteam hält vor dem Hintergrund, dass man regelmäßig über die Anzahl der genehmigten und abgelehnten Solaranlagen berichten soll, fest: „In der Zuständigkeit der unteren Denkmalschutzbehörde des Rems-Murr-Kreises sind seit der Herausgabe der Leitlinien zu Solaranlagen keine Anfragen oder Anträge auf denkmalschutzrechtliche Genehmigungen für eine Solaranlage auf einem Kirchengebäude oder in dessen unmittelbarer Umgebung gestellt worden.“

Die relativ steilen Dachflächen sind auf allen Seiten präsent und einsehbar. Fotos: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Die relativ steilen Dachflächen sind auf allen Seiten präsent und einsehbar. Fotos: Stefan Bossow

Im August und September werden die Substanz und der Energiebedarf der Gebäude unter die Lupe genommen

Baustellen Die evangelische Kirchengemeinde Murrhardt hat weitere Gebäude, bei denen baulich etwas getan werden könnte, wie das Pfarrhaus, bei dem aktuell abbröckelnder Putz abgeschlagen wurde, oder das Waschhaus, ein einsturzgefährdetes Häuschen, das als Fahrradunterstand genutzt und nun mit Stützen gesichert wurde. Zum Hintergrund sagt Pfarrer Stein: „Der Oberkirchenrat will gerade keine grundlegenden Renovierungen angehen. Im August und September sollen alle Gebäude aufgenommen und in ihrer Substanz und ihrem Energiebedarf bewertet werden. Darum sollten nur dringend nötige Sicherheitsmängel behoben werden.“ Das ist selbst für die Gebäude wie Alte Abtei, Stadtkirche und Pfarrhaus von Belang, die im Besitz der eigenen Kirchengemeinde sind, weil bei Sanierungen Zuschüsse der Landeskirche wichtig sind. Verbunden sind damit auch Fragen der Weiterentwicklung der Kirchengemeinde vor dem Hintergrund, wie viele Stellen welche inhaltliche Arbeit erlauben und wo diese künftig stattfinden kann.

Klimaschutzthematik Das Presseteam des Regierungspräsidiums ergänzt zum Thema: Denkmalschutz ist auch Klimaschutz. Denkmäler wurden mit meist regionalen Baustoffen reparierfähig gebaut und speichern über Jahrhunderte Energie. Die Denkmalpflege (vor allem auch durch kompetente Architekten, Handwerker und Restauratoren) weiß, wie man diese Kleinode erhält, Schäden vermeidet und repariert. Energetische Ertüchtigung ist insbesondere beim Denkmalschutz weiter zu fassen und nicht auf Fotovoltaik zu beschränken.

Genehmigungsbeispiel Bleibt die Frage, wie sich beides vereinbaren lässt. Ein Beispiel findet sich im Bistum Trier: Dort ließ sich das Dach der katholischen Kirche in Illerich mit einer Solaranlage ausstatten. Die Anlage ist auf der Rückseite der Dorfkirche angebracht und von der Straße aus nicht zu sehen.

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Erstellt:
29. Juni 2024, 06:00 Uhr

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