Argentinien: In der Heimat des Papstes
Der besondere Abschied der Armenpriester von Franziskus
In Buenos Aires laden die die Armenpriester am Samstag zu einem besonderen Mahl. Ehrengäste sind hier Obdachlose und alleinerziehende Mütter.

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Der der Erzbischof von Buenos Aires hält in der Kathedrale Gottesdienst für den verstorbenen Franziskus.
Von Tobias Käufer
Es wird ein Marsch der Tränen: „Wir werden in einer Karawane die Orte besuchen, die uns an die Schritte von Franziskus an die Ränder der Gesellschaft erinnern: Plätze, Krankenhäuser, Gefängnisse, Elendsviertel, die Häuser Christi“ schreiben die argentinischen Armenpriester, die „Curas Villeros“, in ihrer Einladung. Es ist ein bewusster Kontrast zur Feier in Rom. Es soll die Kirche der Armen gefeiert werden, wie sich der Papst wünschte. „Wir werden uns an seine Worte erinnern und die Gesten des damaligen Kardinals Bergoglio nachahmen, mit dem wir gelernt haben, eine Kirche in Bewegung zu sein, die mehr einem Feldlazarett gleicht als allem anderen.“
Ein Mahl mit den Armen
Am Samstag wird die Aufmerksamkeit der Argentinier erst der Fernsehübertragung aus Rom gelten. Dort beginnt die offizielle Trauerfeier um 5 Uhr argentinischer Zeit. Danach ist ein großes gemeinsames Mittagessen auf der Plaza de Mayo geplant. Dabei sitzen keine Ehrengäste in der ersten Reihe, sondern die Menschen aus den „Pfarreien und Kapellen der Arbeiterviertel und Armenviertel“, heißt es in der Ankündigung der Armenpriester. Obdachlose, Rentner, Arbeitssuchende, alleinerziehende Mütter.
Der prominenteste Vertreter der „Curas Villeros“, Padre Pepe di Paola, zog einst mit dem Erzbischof Jorge Bergoglio durch die Armenviertel der Hauptstadt. Die Ehrung von Franziskus werde darin bestehen, seine Lehre zu konkretisieren und in die Praxis umzusetzen, sagt er: „Jetzt wollen wir mehr denn je bei den Menschen sein und unsere organisierten Gemeinschaften dabei begleiten, Gutes zu tun.“ Nicht wenige fürchten ohne den Papst als „Schutzpatron“ könnte ihre Arbeit schwerer werden, die Armut in Argentinien und Lateinamerika aus dem Blickwinkel geraten.
Den Auftakt des Gedenkens an den Papst macht am Samstag zunächst ein Gedenkgottesdienst in der Kathedrale von Buenos Aires, in der Jorge Bergoglio Erzbischof war, ehe er 2013 nach Rom flog und seine Heimat nicht mehr besuchen sollte.
Die Woche hatte mit einem Gottesdienst in der Basilica de San Jose de Flores begonnen, in dem Viertel, in dem Jorge Bergoglio aufgewachsen ist. Auch Vizepräsidentin Victoria Villarruel war gekommen. Sie erntet sowohl Beifall als auch Beschimpfungen als Nazi, als sie die Kirche betrat. Viele Gläubige haben der Regierung von Präsident Javier Milei ihren rüden Umgangston nicht verziehen. „Dein Modell ist die Armut“, rief Milei dem Papst während des Wahlkampfes 2023 zu. Er warf ihm vor, den Kapitalismus nicht zu verstehen und die Gefahr des Sozialismus zu unterschätzen.
Franziskus bereiste seine Heimat nie
Anders als Milei suchte Villarruel die Nähe des Papstes. Sie warb für „komplette Erinnerung“ im Umgang mit der rechtsextremen Militärdiktatur, die Schätzungen zu Folge 30 000 Opfer forderte. Denn es gab auch rund 1000 Menschen, die Opfer von linksextremen Guerillagruppen wurden. Für sie gibt es bis heute kein offizielles Gedenken. Villarruel will allen Gewaltopfern gedenken. Auf die Nazi-Rufe reagiert der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Gracia Cuerva, erschrocken: „Sie haben nichts verstanden“, sagt er auf einer Pressekonferenz.
Er ist nun die starke Stimme der argentinischen Kirche. Am Ostersonntag hatte hat er noch den libertären Präsidenten Javier Milei wegen seiner radikaler Sparpolitik attackiert. Garcia Cuerva sagt, wollen. Doch, nachdem Franziskus allen argentinischen Wahlkämpfen terminlich aus dem Weg gegangen war und unzählige Reisen an die Ränder der Gesellschaft gemacht hatte, da war ihm die Lebenszeit ausgegangen. Argentinien hat seinen ersten Papst nie im eigenen Land zu Gesicht bekommen.
Präsident Javier Milei und sieben Kabinettsmitglieder werden nach Rom reisen, um an der Trauerfeier teilzunehmen. Wie sich der Tod des Papstes innenpolitisch auswirkt, bleibt abzuwarten. Milei-Kritiker posteten alte Kommentare und Beleidigungen des Präsidenten über den Papst, die posthum natürlich noch einmal eine besondere Wucht entfalten. Das Internet vergisst nichts. „Trotz der Differenzen, die heute geringfügig erscheinen, war es für mich eine große Ehre, ihn in seiner Güte und Weisheit kennenlernen zu dürfen“, versucht Milei die Gemüter zu beruhigen. Milei-Anhänger kontern mit Beiträgen über den damaligen Versuch der linksgerichteten Peronisten Franziskus unmittelbar nach seiner Wahl im März 2023 in die Unterstützerecke der Militärdiktatur des 20. Jahrhunderts zu drängen. Offenbar weil er als Kardinal auch Kritik an den Linken übte. Die Kollaboration mit den Generälen war eine Falschbehauptung, die schnell in sich zusammenbrach. Nicht einmal in der Woche nach dem Tod des Papstes pausiert die Polarisierung in dessen Heimatland. Vielleicht gelingt das wenigstens am Samstag.