Überraschende Sanierung
Der Blautopf kommt für Jahre hinter Zäune
Die öffentlichen Toiletten veraltet, ein historisches Wehr brüchig, Anwohnerstraßen überlastet, der Rundweg um die Karstquelle nicht behindertengerecht: Die Stadt Blaubeuren saniert ihr touristisches Topziel. Mindestens vier Jahre bleibt es geschlossen. Und zwar schon ab Montag.
Von Rüdiger Bäßler
Wer den Blautopf besucht, unternimmt immer auch einen Ausflug in die eigene Fantasie, lässt sich von der Farbe und unergründlichen Tiefe dieser Quelle womöglich zu romantischen Gedanken verführen. So, wie es dem Dichter Eduard Mörike ergangen ist, der in seiner „Historie von der schönen Lau“ erzählte, wie eine Wassernixe an diesem Ort das Lachen wieder lernte. Versteht sich, dass eine Steinfigur dieser Lau zur lokalen Möblierung gehört. Zwischen 300 000 und einer halben Million Besucher zählt die Stadtverwaltung jährlich.
Die Figur, der Blautopf, die angrenzende alte Hammerschmiede, der Rundweg – das alles wird an diesem Wochenende zum letzten Mal in dieser Form zu sehen sein, und zwar für mindestens viereinhalb Jahre. Ab Montag beginnt die Sanierung des gesamten Areals rund um den Blautopf. Erst Ende 2028 sollen die Bauzäune wieder abgebaut sein. Das Quartier sei „in die Jahre gekommen“, begründet dies die Stadtverwaltung. Es solle nun „mit Behutsamkeit und Entscheidungsfreude“ modernisiert werden, sagt der parteilose Bürgermeister Jörg Seibold.
Die Ankündigung überrascht überregional
Erst am 13. August informierte das Blaubeurer Rathaus per Pressemitteilung auf breiterer Ebene über die Langzeitschließung, mitten in der Urlaubszeit und keine zwei Wochen vor Baustart. Beschwerden deshalb, beispielsweise über Social-Media-Kanäle, seien bisher aber nicht registriert worden, hieß es am Freitag aus dem Rathaus. Banner, gespannt über Zufahrtsstraßen, sollen ab nächster Woche Autofahrer schon bei der Anfahrt über die Sperrung informieren. Mitarbeitende der Tourist-Information sind angehalten, möglicherweise enttäusche Tagesgäste auf andere lokale Sehenswürdigkeiten hinzuweisen: das örtliche Urgeschichtliche Museum etwa oder das Kloster Blaubeuren mit seinem Hochaltar aus dem Jahr 1494.
Auf lokaler Ebene immerhin wirkt die Sanierung nicht überraschend. Vor acht Jahren befasste sich der Gemeinderat erstmals mit einer Umgestaltung des Areals. Es folgten ein Bürgerbeteiligungsverfahren, die Aufnahme des Blautopfgeländes ins Sanierungsprogramm der Stadt, 2021 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb. Den Zuschlag erhielt ein gemeinsamer Entwurf der beiden Ulmer Büros „silands“ sowie „Stemshorn Kopp“.
Rund 50 Millionen Euro könnte alles kosten
In Teilen dürfte das Blautopf-Gelände immer noch aussehen wie zu Zeiten des Dichters Mörike. Das gilt vor allem für den Rundweg, zum bewaldeten Hang hin steil über unzureichend befestigte Wege und Stufen führt. Für Gehbehinderte ist das so gut wie nicht zu meistern. Nun soll dieser Weg barrierefrei gemacht werden. Die Lösung der Planer: der Weg unterhalb des Blautopfhangs wird zur Brücke. Dazu wird ein historisches Wehr saniert, auch ein Sanitärgebäude wird auf den Stand der Zeit gebracht. Wenn das getan ist, soll ein Zufahrtsweg verbreitert werden, zur Entlastung von Anliegern wird eine Autobrücke gebaut. Die Kosten beziffert das Rathaus auf einen „mittleren zweistelligen Millionenbetrag“. Bund und Land sollen beteiligt werden, am Ende möglichst mit 60 Prozent der Aufwendungen. Aber noch sind längst nicht alle Bewilligungen und Zusagen da.
Eine Großbaustelle wird also eröffnet. Aber viereinhalb Jahre Bauzeit? Die Stadt begründet das mit der schwierigen topografischen Lage des Blautopfs und Naturschutzbelangen. Zitiert wird die Architektin und Projektleiterin der Sanierung, Manuela Irlwek: „Schon die Baumfällarbeiten mussten mit Hilfe eines Helikopters durchgeführt werden, da das Gelände rund um den Blautopf so unwegsam ist.“ Es müssten Laich- und Brutzeiten berücksichtigt, die Durchfahrt von Rettungswagen und Anwohnern gewährleistet werden. Die Arbeiten könnten deswegen nur „Schritt für Schritt“ zu Ende gebracht werden. Am Planungsprozess waren Naturschutzverbände beteiligt.
Die Höhlenforscher sind wohl nicht betroffen
Über Jahrzehnte war der Blautopf auch Zustieg für tauchende Forscher ins unterirdische Höhlensystems. Das nasse Tor ins Reich der schönen Lau dürfte auch ihnen nun für lange Zeit versperrt bleiben. Die meisten der Abenteurer sind jedoch seit 2010 auf Tauchgerät gar nicht mehr zwingend angewiesen. Oberhalb Blaubeurens, am Rand der Bundesstraße 28, wurde ein bis unter die Erdoberfläche reichender, trockener Seitengang ins Höhlensystem entdeckt. Eine in ein Bohrloch eingelassene Trittleiter eröffnete den Zugang.
Eine kleine Chance ist wohl doch noch vorhanden, dass zumindest kurze Blicke auf den Blautopf möglich bleiben. Der Gemeinderat hat sich in diesem Jahr mit der Möglichkeit beschäftigt, eine provisorische Aussichtsplattform bauen zu lassen. Ob das gelingt, hängt nach Rathausinformation allerdings noch davon ab, ob das Baupersonal noch genügend Raum zum Arbeiten hätte – und von den Kosten. Eine endgültige Ratsentscheidung soll nach der Sommerpause getroffen werden. Käme die Plattform, wäre das nicht nur ein Entgegenkommen den Ausflüglern gegenüber, sondern auch eine Maßnahme zum Selbstschutz. Die Coronajahre, als der Blautopf schon einmal gesperrt war, hätten gezeigt, so heißt es, dass die Barrieren von Einzelnen immer wieder durchbrochen oder umgangen wurden.