Urlaubsregionen an der Adria

Der Kampf um die Kellner

An der Adria werden wegen der Emigration die Saisonkräfte knapp – und durch asiatische Arbeitsimmigranten ersetzt.

Offenbar ein rarer Anblick in diesem Sommer:  Kellner in einem malerisch gelegenen Café im kroatischen Urlaubsort Split

© imago/Wirestock

Offenbar ein rarer Anblick in diesem Sommer: Kellner in einem malerisch gelegenen Café im kroatischen Urlaubsort Split

Von Thomas Roser

Das Ostergeschäft ist geschlagen. Nervös fiebern die Gastronomen in Südosteuropa nun der sommerlichen Hochsaison entgegen. Denn von Albanien bis Slowenien werden in den Touristenhochburgen an der Ostküste der Adria Kellner, Köche oder Küchenhilfen gesucht: Im Südosten Europas sind Saisonkräfte wegen der anhaltenden Emigration in den Westen zur Mangelware geworden.

In Kroatien beispielsweise pflegten die Adria-Gastronomen jahrelang aus dem heimischen Arbeitskräftereservat der wirtschaftlich angeschlagenen Kornkammer Slawonien zu schöpfen. Doch seit Kroatiens EU-Beitritt 2013 ist die Bevölkerung im Adria-Staat wegen der verstärkten Abwanderung von über vier auf 3,8 Millionen Einwohner geschrumpft: Vor allem junge Kroaten suchen in Mittel- und Westeuropa ein besser und ganzjährig bezahltes Berufsglück.

Wer kocht die Traditionsgerichte?

„Die Hochsaison nähert sich und es gibt immer weniger heimische Arbeitskräfte“, titelt das kroatische Webportal „index.hr: „Es fehlt an Leuten, die die kroatischen Traditionsgerichte zubereiten können.“ Tatsächlich stellten die Einheimischen bereits im vergangenen Jahr nur noch ein Fünftel von Kroatiens Saisonarbeiterheer.

Meist sind es bisher zwar noch serbische, bosnische, mazedonische, kosovarische oder montenegrinische Kellnerinnen und Kellner, die als vermeintliche Einheimische ausländische Gäste bei der Auswahl kroatischer Köstlichkeiten oder Weine beraten. Doch der verstärkte Konkurrenzkampf um die Arbeitskraft macht die Saisonarbeiter aus der Region im Adria-Staat zur Mangelware: Vor allem als Küchenhilfen, Reinigungskräfte oder Zimmermädchen werden darum zunehmend Saisonkräfte aus Nepal, Indien, Pakistan und den Philippinen, aber auch der Ukraine angeheuert.

Massenemigration an Arbeitskräften

Im benachbarten Montenegro braucht man in diesem Sommer laut unterschiedlicher Schätzungen 20 000 bis 30 000, im neuen Reiseboomland Albanien sogar 50 000 ausländische Saisonbeschäftigte. Die Massenemigration hat in Albanien seit der Jahrtausendwende die Einwohnerzahl von über drei Millionen auf nur noch 2,4 Millionen Einwohner gedrückt. Sie „fordert ihren Zoll, vor allem im Tourismus“, so der Fernsehsender „Euronews Albania“.

Doch nicht nur die massive Abwanderung, sondern auch die fehlende Qualifikation und mangelhafte Fremdsprachenkenntnisse der verbliebenen Arbeitskräfte sind der Grund, dass Albaniens rasch expandierenden Tourismussektor zunehmend auf Arbeitsmigranten aus asiatischen Billiglohnländern wie Philippinen, Nepal oder Bangladesch zurückgreifen lässt. Montenegros Gastronomen, die traditionell von den serbischen und bosnischen Arbeitsmärkten zu zehren pflegten, machen wiederum die etwas höheren Gehälter und besseren Bedingungen für Saisonkräfte in Kroatien zu schaffen: Selbst Montenegros Studenten jobben wegen der besseren Bezahlung mittlerweile lieber im kroatischen Dubrovnik als im heimischen Budva.

Trinkgeld besser in der Hochsaison

Am Ende des Arbeitskräftemangel-Dominos stehen im Südosten die Herkunftsstaaten der Saisonarbeiter, die der Lockruf der Adria an die Küsten der Nachbarstaaten pilgern lässt: Auch wegen des Mangels an Mitarbeitern sehen sich bosnische und serbische Gastronomen oft zu unfreiwilligen Betriebsferien verdonnert. In Kroatien könnten Köche bis zu 3000 Euro im Monat netto, Kellner immerhin zwischen 1000 und 1500 Euro verdienen und mit den wesentlich höheren Trinkgeldern in der Hochsaison selbst auf bis zu 4000 Euro pro Monat kommen, erklärte Srdjan Stojanovic vom serbischen Gastronomen-Verband im Fernsehsender „Blic-TV“. Die sommerliche Abwanderung des heimischen Fachpersonal sei einfach ein zu „großes Problem“: „Der Aderlass der Arbeitskräfte aus Serbien ist alarmierend.“

Das durch die Emigration verstärkte Buhlen um die Dienste von Saisonkräften lässt nicht nur deren Löhne, sondern auch die Preise für die Besucher grenzüberschreitend steigen. Ein Billigreiseland ist beispielsweise Kroatien längst nicht mehr. Allein von 2022 bis 2024 ist das Preisniveau im Fremdenverkehrsgewerbe laut Tourismusminister Tonci Glavina um 50 Prozent gestiegen. Die „Wilderei“ bei den Preisen sei keineswegs immer durch verbesserte Leistungen begründet, sagte der Politiker: „Wir rufen den Sektor zu konkurrenzfähigen Preisen auf.“

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Erstellt:
24. April 2025, 07:08 Uhr

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