Ende der Ampel

Der Kanzler, die Vertrauensfrage – und warum es kompliziert bleibt

Worum geht es beim Streit um die Vertrauensfrage? Welche Rolle spielt Parteitaktik? Das Wichtigste in Fragen und Antworten.

Allein der Kanzler entscheidet, wann er die Vertrauensfrage stellt.

© AFP/RALF HIRSCHBERGER

Allein der Kanzler entscheidet, wann er die Vertrauensfrage stellt.

Von Tobias Peter

Die Ampel ist geplatzt – jetzt streiten Union und SPD heftig über den Termin für die Vertrauensfrage des Kanzlers und den Wahltermin.

Wem steht nach der Verfassung die Entscheidung über den Zeitpunkt der Vertrauensfrage zu?

Nach den Regeln des Grundgesetzes ist es allein der Kanzler, der entscheidet, ob und wann er die Vertrauensfrage stellt. Seine starke Stellung ist eine Lehre aus der Weimarer Republik, in der zahlreiche Regierungen scheiterten.

Gibt es also keine Möglichkeit für den Bundestag, den Kanzler zu stürzen?

Doch. Das geht aber ausdrücklich nur über ein konstruktives Misstrauensvotum. Der Bundestag müsste also einen anderen Kanzler wählen. Nur: Auch CDU-Chef Friedrich Merz hat keine Mehrheit im Bundestag – es sei denn, er ließe sich mit Stimmen der AfD wählen. Das kommt für ihn nicht infrage.

Was ist der Vorschlag des Kanzlers? Und was fordert die Union?

Der Kanzler hatte ursprünglich angekündigt, er wolle im Bundestag die Vertrauensfrage am 15. Januar stellen. Darüber war die Empörung in der Union groß. Sie wirft Scholz „politische Insolvenzverschleppung“ und verlangt, er solle bereits an diesem Mittwoch die Vertrauensfrage stellen. Das lehnt der Kanzler ab. Laut Umfragen will eine Mehrheit der Deutschen rasche Neuwahlen. Scholz hat sich mittlerweile bereit erklärt, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen – wenn es über den Termin zu einer Einigung zwischen Unionsfraktionschef Friedrich Merz und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kommen sollte.

Was spricht für eine schnelle Vertrauensfrage?

Die verbleibende rot-grüne Regierung hat keine Mehrheit im Parlament und auch keinen Haushalt für das kommende Jahr. Donald Trump wird am 20. Januar als US-Präsident eingeführt. Je früher Scholz die Vertrauensfrage stellt, desto schneller könnte es eine neue Regierung geben, die Deutschland wirkungsvoller vertreten könnte.

Was genau passiert nach einer verlorenen Vertrauensfrage?

Scholz kann dann zum Bundespräsidenten gehen und ihn um die Auflösung des Bundestags bitten. Für diese Entscheidung hat der Bundespräsident laut Grundgesetz 21 Tage Zeit. Stimmt Frank-Walter Steinmeier zu – was er sicher tun wird – muss der Bundestag innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Was spricht gegen eine schnelle Vertrauensfrage?

Die Bundeswahlleiterin warnt vor organisatorischen Schwierigkeiten. So müssen Kandidaten aufgestellt, Ehrenamtler geschult und Wahlzettel gedruckt werden – auch die rechtzeitige Möglichkeit zur Briefwahl ist eine Herausforderung. Die Chancen kleiner Parteien, die erst Unterschriften sammeln müssen, sollen gewahrt bleiben. Bei allem muss es genau nach Recht und Gesetz zugehen, damit die Wahl hinterher nicht angefochten werden kann. Eine Wahl bereits im Januar erschwert auch den Wahlkampf, da kurz zuvor Weihnachten ist. Eine Wahl im März ließe allen mehr Zeit.

Welche Rolle spielen parteitaktische Fragen?

Offiziell keine. Klar ist aber: Scholz liegt weit hinten und könnte Zeit brauchen, um aufzuholen. Die CDU und Merz hoffen bei einer schnellen Wahl auf einen deutlichen Sieg.

Warum lässt der Kanzler Rolf Mützenich verhandeln, statt sich selbst mit Friedrich Merz zu einigen?

Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Vertrauensfrage aus der Hand zu geben, soll dazu dienen, klarzumachen: Der Kanzler handelt nicht egoistisch. Im Übrigen gilt: Scholz und Merz mögen einander nicht. Mützenich und Merz haben hingegen einen guten Draht zueinander. Aus der Union waren jedoch ablehnende Stimmen zum Verfahren zu hören, dass Merz und Mützenich sich einigen sollen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat zugleich klargemacht: Gibt es keine Einigung, entscheidet der Kanzler notfalls allein.

Ist eine Einigung an Sachfragen gekoppelt, also daran, ob die Union zum Beispiel bereit ist, die geplante Kindergelderhöhung noch mitzutragen?

Der Kanzler sagt: Nein. Mützenich hätte allerdings gern eine Paketlösung, die eine Einigung über den Wahltermin mit einer Lösung für solche Sachfragen verbindet. Die Union will über Sachfragen aber erst sprechen, wenn Scholz die Vertrauensfrage gestellt hat. Es bleibt also kompliziert.

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Erstellt:
11. November 2024, 16:56 Uhr

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