Der Kontrabass übernimmt die Melodiestimme
Solist Anton Vogel fasziniert viele Zuhörerinnen und Zuhörer mit virtuosem Spiel beim Konzert des Kammerorchesters Murrhardt, dessen Mitglieder in der katholischen Kirche St. Maria drei fantasievolle Klangkunstwerke stilvoll interpretieren.
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Das Konzert des Kammerorchesters Murrhardt findet großes Interesse: Viele Zuhörerinnen und Zuhörer kommen in den Genuss von drei bisher nur selten aufgeführten, aber überaus fantasievollen und facettenreichen Klangkunstwerken aus dem 19. Jahrhundert. Dirigent Matthias Baur hat sie ausgewählt und mit den Musikerinnen und Musikern intensiv einstudiert. Dank der hervorragenden Akustik in der katholischen Kirche St. Maria und der vollendeten Präsentation kommen auch sehr leise Passagen bestens zur Entfaltung.
Herzstück und Höhepunkt des Programms ist das Konzert für Kontrabass und Orchester in fis-Moll Opus 3 mit drei Sätzen, das der Kontrabassist Sergej Koussevitzky 1905 für dieses Instrument kreierte. Die Komposition zeichnet sich durch ein breit gefächertes spätromantisches Panorama aus spannungsvoll gestalteten Stimmungen und Charakteren mit bezaubernd klangschönen, reich ausgearbeiteten Melodie- und Harmoniebögen aus. Vor Virtuosität sprühend, mit viel Feingefühl und Präzision gestaltet der 18-jährige Solist Anton Vogel aus Backnang seine Partien. Er hatte Unterricht an der Backnanger Jugendmusikschule, ist seit 2022 Stipendiat der Riebesam-Stiftung und Jungstudent an der Musikhochschule Nürnberg, nun beginnt er mit dem regulären Studium.
Vogel setzt Koussevitzkys musikalische Vorgaben brillant und stimmig um, wobei er die überraschend reichen klanglichen Möglichkeiten und den großen Tonumfang des Kontrabasses voll ausschöpft. Dabei streicht er mit dem Bogen teils schnell und energisch, teils geradezu sanft über dessen vier Saiten. Und um die höchstmöglichen Töne herauszuholen, bewegt er die Finger seiner linken Hand bis zur Mitte des Korpus. In dem Konzert übernimmt der Kontrabass die Melodiestimme, wobei das Instrument fast wie ein Violoncello klingt, jedoch noch wärmer, dunkler und voller, aber ihm fallen auch kunstreiche Figurationen, schnelle Tonwiederholungen und Läufe zu. In harmonischer Interaktion mit dem Solisten bringen die Kammerorchestermitglieder ihre vielschichten, abwechslungsreichen Partien zum Ausdruck. Das ursprünglich für Kontrabass und Sinfonieorchester konzipierte Werk führen Anton Vogel und das Kammerorchester in einer Bearbeitung für Kontrabass und Streichorchester von Thomas Fuschelberger auf.
Im Jahr 1926 schuf der britische Komponist Peter Warlock die Capriol Suite mit sechs Sätzen für Streichorchester nach Vorbildern italienischer und französischer Renaissancetänze. Diese entnahm er der 1588 entstandenen „Orchésografie“ des französischen Priesters und Choreografen Thoinot Arbeau. Warlock gestaltete daraus festlich und anmutig wirkende Stücke in reich ausgearbeiteter Melodik und Harmonik mit unterschiedlichen Rhythmen. Eine Besonderheit ist die vielseitig ausdifferenzierte Dynamik: So kommen beispielsweise gezupfte Motive vor, die extrem leise gespielt werden. In den Modulationen spiegeln sich spätromantische und impressionistische Klangfarbenfülle, hinzu kommen moderne Elemente wie innovative Akkorde und im abschließenden Schwerttanz auch Dissonanzen.
Leoš Janáčeks Suite für Streichorchester mit sechs Sätzen von 1877 ist seine erste Orchesterkomposition und noch stark von seinem Freund Antonín Dvořák beeinflusst. Inspiriert von der böhmisch-mährischen Volksmusik lotet Janáček darin die breit gefächerten Klangmöglichkeiten der Streichinstrumente umfangreich aus und experimentiert mit ihnen. So entfaltet das Kammerorchester einen großen Reichtum an rasch changierenden Charakteren, melodischen und harmonischen Ideen in hochromantischer Klangsprache. Feierliche und jubilierende, bis in höchste Lagen aufsteigende Klangbilder kontrastieren mit schnellen, dramatisch aufgewühlt wirkenden Figurationen. Im Zentrum der Suite steht eine wunderschöne Kantilene, die wie ein fröhlich-anmutiger Volkstanz klingt. Hinzu kommt ein filigranes, geradezu zärtlich und leise vorgetragenes Violoncellosolo von Esther Konzelmann.
Die Kammerorchestermitglieder meistern die großen Herausforderungen aller drei Werke mit Bravour: Vor Musizierfreude sprühend setzen sie jedes Kompositionsdetail minutiös und stilvoll um. Mit enthusiastischem Beifall dankt das Publikum Solist Anton Vogel, Dirigent Matthias Baur, Konzertmeisterin Sandra Stock und allen Musikerinnen und Musikern des Kammerorchesters für das grandiose Hörerlebnis.