Der Kulturkosmos, er lebe hoch

Der Sommerpalast feiert seinen 25. Geburtstag. Das Murrhardter Zeltfestival hat sich schon lange als Kulturevent mit spannenden Künstlerinnen und Künstlern etabliert. Für das ehrenamtliche Team ist es vor allem ein soziales Ereignis.

Pere Vila.

© Jörg Fiedler

Pere Vila.

Von Christine Schick

Murrhardt. Gleich am Eingang ist der Sommerpalastpool fürs Palastteam inklusive kleinem Sandstrand und Liegen aufgebaut, in denen sich einige Ehrenamtliche eine Pause gönnen und ein Schwätzchen halten. Weiter hinten im Gastrozelt befasst sich eine Gruppe mit dem neuen digitalen Kassensystem, das die Arbeit in Sachen Bewirtung erleichtern und weiter professionalisieren soll. Der Aufbau für den Sommerpalast ist so gut wie abgeschlossen und wird mit Umtrunk, einer Runde Brezelflammkuchen und der Band „Stray Colours“ begangen. Hoch gestapelte Kisteninseln zeugen von den künftigen Versorgungsaufträgen und Hardy Wieland sagt: „Das sind 150 Hektoliter Getränke, die Menge nimmt immer mehr zu.“ Dass das Team den Laden schmeißt und das gut auffängt, daran besteht für ihn kein Zweifel. „Es sind etwa 20 neue junge Helferinnen und Helfer dazugekommen, die auch bei anderen Vereinen wie Feuerwehr und Stadtkapelle aktiv sind. Das durchmischt sich immer mehr.“

Die gute Atmosphäre ist auch für die Künstlerinnen und Künstler ein Faktor

Der Sommerpalast ist längst Teil der Stadtgemeinschaft und hat sich nicht nur als Kultur-, sondern auch Integrationsereignis bewährt. Dieses Jahr geht er nach zwei Jahren Pause – es fand zweimal das Bergfestival auf den Höhen des Schwäbischen Waldes rund um Murrhardt statt – in seine 25. Runde. „Angefangen haben wir mit 30 Leuten, mittlerweile sind es rund 300“, erinnert sich Hardy Wieland später. Unter den Helferinnen und Helfern sind viele Murrhardterinnen und Murrhardter, genauso wie Menschen aus unterschiedlichen Ländern wie Spanien, dem Iran oder Afghanistan. Eine Reihe von Ukrainerinnen und Ukrainern werden am kommenden Freitag die internationale Küche des Festivals bereichern. „Ziel des Sommerpalasts ist es, Menschen zusammenzubringen, egal welchen Alters oder welcher Nation“, sagt Hardy Wieland, und dass die Zusammenarbeit mit dem Team einfach traumhaft viel Spaß mache. Für ihn ist die besondere Atmosphäre dieses Miteinanders der Grund dafür, hochkarätige Künstlerinnen und Künstler fürs Festival zu gewinnen.

Pere Vila aus Barcelona steht mit einem Lächeln am Pool. Er ist seit über 20 Jahren dabei. Murrhardt lernte er über eine Fahrt kennen, die die Kreisjugendringe und die Jugendzentren auf deutscher und spanischer Seite organisiert hatten. Seitdem ist der Spanier eine feste Größe im Küchenteam und der Palast ein ganz zentrales Event des Sommers für ihn. „Das ist meine zweite Familie“, sagt er. „Und ich liebe es, Fisch zuzubereiten.“ Im Gepäck hat er eine selbst gepflückte Mischung aus über zehn getrockneten Kräutern inklusive Steinpilze – als Inspiration für die Palastküche aus Spanien. Es kann ihm schon mal passieren, dass er nach seiner Ankunft in Murrhardt bei einem Einkauf im Laden angesprochen wird. „Ah, Pere ist da, dann ist Sommerpalast“, erzählt er und lacht. Neulich hat er mit Hardy Wieland gesprochen und überlegt, ob sie im Alter einmal mit dem Rollstuhl zum Sommerpalast kommen, aber bis dahin ist noch Zeit. Für ihn hat vor allem die Integration des ehrenamtlichen Teams eine große Kraft. „Im Alltag gehen die meisten getrennte Wege, hier machen alle etwas zusammen, das liebe ich. Der Sommerpalast steht für eine offene Stadt.“

Herausforderungen am Wok und spontane Jamsessions

Hannes Dietrich hat es vom Wolkenhof in Murrhardt nicht ganz so weit und ist ebenfalls ein treuer Begleiter des Sommerpalasts. „Ich weiß nicht mehr genau, wann ich eingestiegen bin, aber es gibt Palast-T-Shirts von 2007“, erzählt er. Auch er ist ein Mann der Küche, steht seither am Wok. Sein Ansporn ist, ein gutes Händchen für den richtigen Nachschub in der Pfanne und die genau richtige Konsistenz der Zutaten zu haben. „Manche sagen mir dann, ich freu mich schon auf deinen Wok“, was ihm wiederum ein wenig Feuer macht, aber das A und O fürs Team sei, dass die Atmosphäre entspannt bleibt. „Alle freuen sich jetzt so, dass der Sommerpalast wieder stattfinden kann, sind euphorisch, das wird der Hammer“, sagt er mit Blick auf die zweijährige Zwangspause. Hinzu kommen das neue digitale Kassensystem als neuestes Helferlein und die spannenden Künstlerinnen und Künstler, die Hardy Wieland wieder verpflichten konnte. „Das ist vielleicht der einzige Wermutstropfen, dass ich wenig von den Abendvorstellungen mitbekomme“, sagt Hannes Dietrich. Er liebt es, wenn sich am späteren Abend das Team noch am Lagerfeuer zusammensetzen kann. „Irgendjemand packt dann die Gitarre aus, einmal haben auch einige der Musiker im Zelt gejammt, das war großartig, da hatten alle Tränen in den Augen.“ Für ihn und seine Frau Gabi jedenfalls war, ist und bleibt das Festival ein fixer Termin, damit kultureller und sozialer Genuss während dieser Tage im Juli zusammenfließen können.

Noch vergleichsweise frisch beim Palastteam sind Leonie Brandt und Frieda Lang. Die beiden 16-Jährigen kennen das Zeltfestival aber schon aus der Grundschulzeit, während der sie die Kindertheatervorstellungen besucht haben. Über Freunde stießen sie vor rund drei Jahren zum Helferpool. „Wir schenken Getränke aus“, erzählt Leonie Brandt, „das ist witzig und macht Spaß.“ Das gegenseitige Einanderhelfen im Team, die Gemeinschaft, die kulinarischen Genüsse und die Veranstaltungen sind für sie ein richtig guter Mix.

Irgendwo im Mittelfeld bewegen dürften sich Leonie Treml, Melissa Klenk und Christian Staita. Die drei sitzen zusammen an einem der Tische und lassen den Abend ausklingen. „Der Aufbau ist die schönste Zeit“, sagt Leonie Treml. Das Ankommen in der Familie der bekannten und neuen Ehrenamtlichen genießt sie ganz besonders, bevor der Vorhang aufgeht, die Gäste zu bewirten sind und die Rädchen ineinandergreifen müssen. Schon in der Grundschule, 3. oder 4. Klasse, wollte sie beim Palastteam andocken und mithelfen. „Die Mama einer Mitschülerin hat uns dann mitgenommen, wir waren bei einem Vorbereitungstreffen, haben schließlich Kaffee verkauft und uns ganz groß gefühlt.“ Nach Studium, mehreren Jahren Feenamt und im Beruf als Sozialarbeiterin angekommen hält sie am Palast fest. „Da macht selbst das Kühlschrankputzen oder Schrubben einer alten Zeltplane Spaß“, sagt sie. Was ist das Geheimnis für sie? „Dass jeder so angenommen wird, wie er ist. Jemand kann so viel erzählen, wie er möchte, oder so verschwiegen sein, wie er will.“

Der Palast bietet viele verschiedene Experimentierfelder

Melissa Klenk ist 2010 über Leonie Treml zum Team gestoßen. Ihr erster Akt war das Anbringen der Lichterkette am großen Zirkuszelt, mittlerweile hat sie im Crêpeteam ihren Platz und ist immer noch fasziniert, wie der Palast in einem unorganisiert-organisierten Prozess entsteht. Dazu gehört auch, dass jeder etwas findet, das ihn interessiert und wo er sich ausprobieren kann. „Jeder bringt seine Stärken und seine Ideen ein“, sagt sie. Der Pool für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört in diese Kategorie – eine Idee von Christian Staita. „Anfangs hieß es, das ist doch total unwichtig“, erinnert sich Leonie Treml. Inzwischen ist klar: Fürs Team zu sorgen, ist auch wichtig.

Dorothee Mauser hat Christian Staita damals nach dem Abitur angesprochen und ins Boot geholt. Seit 2007 hat er so gut wie alle Stationen durchlaufen, war schon als Bauigel und Küchenschabe, wie es im Sommerpalastjargon heißt, tätig, aber auch in der Crêpeproduktion und Spülküche. Vertraute Gesichter und neue Begegnungen ergeben die perfekte Mischung. „Früher haben wir noch mehr improvisiert“, sagt er. In einer Werkstatt hat das Team sehr viel gebaut, Komponenten wie Küchenbodenteile immer wieder neu gezimmert. Feste Elemente machen dies heute überflüssig, dafür ist mehr Zeit für Gespräche und neue Ideen. Und Christian Staita verrät: „Der Stadtgarten wird zum Zuhause.“ Es gab Zeiten, in denen er im Zelt am Stadtgartenhang übernachtet hat – kunstvoll eingerichtet mit Gartenzaun und Wendeltreppchen.

Melissa Klenk, Christian Staita und Leonie Treml (von links). Fotos: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Melissa Klenk, Christian Staita und Leonie Treml (von links). Fotos: Jörg Fiedler

Hannes Dietrich.

© Jörg Fiedler

Hannes Dietrich.

Leonie Brandt und Frieda Lang (von links).

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Leonie Brandt und Frieda Lang (von links).

Der Aufbau ist geschafft, die Ehrenamtlichen versammeln sich rund um den Pool, in dem sie während des Festivals entspannen können.

© Jörg Fiedler

Der Aufbau ist geschafft, die Ehrenamtlichen versammeln sich rund um den Pool, in dem sie während des Festivals entspannen können.

Junge Erwachsene und Jugendliche haben 1996 den ersten Sommerpalast organisiert

Aushängeschild Zum Abschluss des Aufbaus stellt Bürgermeister Armin Mößner fest, dass es sein zehnter Sommerpalast ist. Dieses Jahr läuft das Festival auch erstmals unter der Regie des neu gegründeten Vereins Palastkultur. Mößner versichert aber, dass das Aushängeschild und die tolle ehrenamtliche Arbeit weiterhin von der Stadt unterstützt werden. Und er kündigt an, dass auch die Gäste des Städtepartnerschaftstreffens aus England, Frankreich, Polen sowie Sachsen sich beim Sommerpalast einfinden werden. Europäische Gäste können das internationale Flair genießen.

Anfänge Die Anfänge liegen in den 1990er-Jahren, als klar war, dass das Kino, damals noch Familienbetrieb, aufhören würde. Aus dem Wunsch einer Jugendzentrumsgruppe von Filmbegeisterten, den großen Filmprojektor zu retten, entwickelte sich schließlich das Projekt Kommunales Kino. Im ehemaligen Gebäude am Obermühlenweg entstand die Keimzelle – ein Teil der Engagierten wollte neben Filmvorführungen auch Kleinkunst auf die Beine stellen. Da die Organisation neben dem Kinobetrieb nicht ganz so trivial war, entstand die Idee, einmal im Jahr ein größeres Event zu planen. 1996 war es so weit und der Sommerpalast geboren.

Eine Reihe junger Erwachsener sowie Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren organisierten das erste Kulturfestival. Bei der zweiten Auflage ist auch die Stadtverwaltung als Veranstalter eingestiegen.

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Erstellt:
21. Juli 2022, 06:00 Uhr

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