Was geschah am . . . 12. April 1961?
Der russische Kosmonaut Juri Gagarin fliegt als erster Mensch in Weltall
Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin fliegt von Baikonur aus an Bord von Wostok 1 als erster Mensch ins All. Damit beginnt die bemannte Raumfahrt, die der Sowjetunion beim Wettlauf ins All im Kalten Krieg einen Vorsprung einbringt. Nach einer Umrundung der Erde landet Gagarin noch am selben Tag wieder sicher auf der Erde.

© Imago/Eastnews/Russia
Yuri Gagarin am 12. April 1961 an Bord der „Wostok-1“-Rakete kurz vor seinem ersten Raumflug.
Von Markus Brauer/dpa
12. April 1961: Die Sowjetunion greift nach den Sternen. Mit einer Schubkraft von 20 Millionen PS startet eine Rakete in den Weltraum. Erstmals mit einem Menschen an Bord.
Wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag hebt der sowjetische Pilot Juri Gagarin um 9.07 Uhr Moskauer Zeit mit der „Wostok-1“-Rakete ab. Auf dem Weltraumbahnhof in der kasachischen Steppe Baikonur weht ein lauer Frühlingswind.
„Nu pojechali!“, ruft Gagarin, „Los geht’s!“ Im vollen Bewusstsein, dass die Reise auch tödlich enden kann. Um 10.55 Uhr landet er unbeschadet in dem Ort Smelowka im Gebiet Saratow – als Held der Sowjetunion.
In 108 Minuten einmal um die Erde
In der engen „Wostok-1“-Kapsel kauert Juri Gagarin, Sohn einer Bäuerin und eines Tischlers. In 108 Minuten umrundet der Weltraumpionier die Erde, bevor er beim Landeanflug mit dem Fallschirm abspringt. Der harte Aufprall der Kapsel hätte ihn sonst töten können.
Als der 27-Jährige auf einen Acker an der Wolga fällt, erwartet ihn nicht die Weltpresse, sondern die erschrockene Waldarbeiterin Anna Tachtarowa samt Enkelin. Die Ingenieure hatten sich beim Landeplatz gründlich verrechnet.
„Erster Pop-Star des Ostblocks“
Der Flug macht den sozialistischen Vorzeigehelden mit dem jungenhaften Lächeln unsterblich – und zum „ersten Pop-Star des Ostblocks“. Straßen werden nach ihm benannt, er erhält Ehrungen und wird von Kremlchef Nikita Chruschtschow empfangen.
Gagarin erweist sich in Zeiten plumper Staatspropaganda als Glücksgriff. „Tut mir leid: Ich kann zwar um die Erde fliegen, aber mit dem Besteck kenne ich mich nicht aus“, sagt er beim Empfang der Queen und zeigt auf die vielen Messer und Gabeln. Das Ausland ist entzückt von so viel Spontanität.
„Kolumbus des Kosmos“
Dass „Wostok-1“ damals bei Saratow und nicht wie geplant bei Wolgograd aufschlägt, ist eine von vielen Pannen bei dem Flug. Vor dem Start drücken Ingenieure dem Kosmonauten eine Pistole in die Hand – „für alle Fälle“. Später klemmt beim Eintritt in die Erdatmosphäre eine Steckverbindung, das Durchbrennen des Kabels verhindert eine Katastrophe. Die Nachrichtenagentur Tass hat außer der Erfolgsmeldung auch eine Todesnachricht vorbereitet.
Gagarin kalkuliert ebenfalls das Schlimmste mit ein. Der oft als „Kolumbus des Kosmos“ verklärte Armeeoffizier schreibt seiner Frau Valentina vor dem Start einen Abschiedsbrief. „Ich habe ehrlich gelebt und zum Nutzen der Menschen – auch, wenn dieser Nutzen klein war“, heißt es dort.
Hartes Training in der Kosmonauten-Schmiede
1951, zehn Jahre vor Beginn des Zeitalters der bemannten Raumfahrt, kommt Gagarin nach Moskau. Hier absolviert der am 9. März 1934 im Dorf Kluschino rund 180 Kilometer westlich der Hauptstadt geborene Mann eine Ausbildung zum Gießer. 1955 muss er zur Armee.
Fünf Jahre später ist der Kampfjetflieger mit einer Größe von knapp 1,70 Meter ein idealer Kandidat für das ehrgeizige Raumfahrtprogramm des Landes. Gagarin setzt sich gegen 19 Konkurrenten durch, doch die Belastungstests verlangen ihm alles ab. „Ich weiß nicht, wer ich bin: der erste Mensch oder der letzte Hund im All“, erzählt er später mit Verweis auf die vorangegangene Testreihe mit Vierbeinern im Weltraum.
„Sein Lebensweg ist symbolisch“
„Sein Lebensweg ist symbolisch. Es ist die Biografie unseres Landes“, meinte Gagarins Kosmonauten-Kollege German Titow (1935-2000). Gagarin sei das Kind von Kolchose-Bauern, sein Dorf von deutschen Faschisten besetzt gewesen, er sei Arbeiter und Student und schließlich Flieger geworden.
„Diesen Weg haben Tausende unserer Altersgenossen genommen, es ist der Weg unserer Generation“, erklärte Titow, der sich im August 1961 rund 24 Stunden lang im All aufhielt.
Gagarin reist als „Botschafter des Friedens“ um den Erdball
Wenige Wochen nach Gagarin fliegt Alan Shepard als erster US-Amerikaner ins All. Doch erst 1969 schaffen die Amerikaner im Wettrennen der Systeme mit der Mondlandung von Neil Armstrong einen echten Coup. Am 12. April 1981 schicken sie mit dem Space Shuttle die erste Raumfähre ins All.
Gagarin reist nach seinem historischen Flug als „Botschafter des Friedens“ um den Erdball. Nie zuvor – und vielleicht auch nie danach – ist die Sowjetunion so wohlwollend aufgenommen worden. Doch zu Hause in Moskau ziehen dunkle Wolken auf. Berichte über Alkohol-Exzesse und Frauengeschichten des Familienvaters machen die Runde.
27. März 1968: Gagarin kommt bei einem Testflug ums Leben
itten in dieser Phase stirbt Gagarin: Am 27. März 1968 stürzt der Mann, der im All mit Blick auf die Erde den Begriff vom „Blauen Planeten“ prägte, beim Test eines Jagdflugzeugs vom Typ MiG-15 UTI bei Moskau ab. War es ein Pilotenfehler, eine technische Panne- oder gar Sabotage? Um die Ursache ranken sich noch immer Legenden.
Gagarins Urne wird bei einem Staatsbegräbnis in der Kremlmauer beigesetzt. Auf dem Mond trägt heute ein 265 Kilometer langer Krater seinen Namen.