Der Umbruch verlangt noch etwas Zeit

Hans-Jürgen Boysen sieht in Großaspachs neuer Mannschaft sehr viel Potenzial schlummern. Der Trainer erinnert aber auch daran, dass der Ex-Drittligist insgesamt 16 Zugänge integrieren muss und in Sachen Vorbereitung der Konkurrenz hinterherläuft.

Hans-Jürgen Boysen sieht die SG auf einem guten Weg. Er weiß aber, dass der Umbruch nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Hans-Jürgen Boysen sieht die SG auf einem guten Weg. Er weiß aber, dass der Umbruch nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

„Wir brauchen noch Zeit.“ Ein Satz, der Hans-Jürgen Boysen in jüngster Vergangenheit immer wieder über die Lippen geht. Der 63-jährige Fußballlehrer tut alles, um jedem die Realität klarzumachen. Nach dem Abstieg aus der Dritten Liga geht es für die SG Sonnenhof Großaspach in der Regionalliga zunächst einmal nur darum, den Umbruch unfallfrei zu überstehen. „Vom Kader der Vorsaison sind nur sechs Spieler geblieben“, rechnet er vor und belässt es nicht bei dieser einen Zahl: „Wir müssen 14 Zugänge integrieren und wenn es mit der Verpflichtung eines weiteren Akteurs für die offensive Außenbahn sowie eines zusätzlichen Torwarts klappt, dann sind es sogar 16.“

Was Boysen weiß, jedoch nicht sagt, das ist, dass Klubs an solchen Kraftakten schon gescheitert sind. In Aspach sind die Verantwortlichen überzeugt, dass sie es gestemmt bekommen. Dafür braucht es manchmal allerdings etwas mehr Geduld. Der langjährige Zweitliga-Trainer und frühere Bundesliga-Profi weiß das. Damit es alle anderen kapieren, wird er nicht müde, klar zu sagen, weshalb die Elf aus dem Fautenhau eben noch nicht in allerbester Form sein kann. Zum Beispiel, weil es bei der Zusammenstellung des neuen Kaders „Zeit gebraucht hat, da wir gehofft haben, vom Drittliga-Aufgebot ein paar Spieler mehr halten zu können“. Angreifer wie Kai Brünker, Dominik Martinovic und Orrin McKinze Gaines, Mittelfeldakteure wie Onur Ünlücifci und Kamer Krasniqi. Die sind aber wie einige andere weg und Boysen muss sehen, dass er um die verbliebenen Spieler wie die Routiniers Julian Leist, Kai Gehring und Nico Jüllich möglichst rasch ein funktionierendes Team aufbaut.

„In acht bis zehn Wochen“, antwortet der Kurpfälzer in schwäbischen Diensten auf die Frage, bis wann er damit rechnet, dass die neue Mannschaft richtig eingespielt ist und die Abläufe sitzen. Bis dahin gilt es, sich durchzuhangeln und an Punkten einzusammeln, was einzusammeln ist. Dass die SG trotzdem schon jetzt in der Lage ist, gegen viele Ligakontrahenten zu bestehen, das steht für Boysen außer Frage. Denn: „Wir haben unsere Zugänge mit Bedacht ausgewählt. Wir haben eine gute Qualität.“ Nun gilt es eben, „das Rad Tag für Tag ein Stück weiterzudrehen“. Erschwert wird das durch den Fakt, dass zunächst einmal alle Akteure auf den gleichen Fitnessstand kommen müssen. Nicht einfach, sind da doch einerseits die Zugänge aus den Spielklassen unterhalb der Dritten Liga, die fast ein halbes Jahr ohne Training und Wettkampf waren. Auf der anderen Seite stehen die Spieler, die von Ende Mai bis Anfang Juli in der Dritten Liga ohne richtige Vorbereitung ein Mammutprogramm bewältigen mussten und danach nicht mal drei Wochen Pause machen konnten, obwohl die SG teilweise mehr als einen Monat nach der Konkurrenz mit der Vorbereitung startete. „Wir haben versucht, sensibel mit der Belastung umzugehen“, sagt Boysen und erinnert an ein weiteres Problem aus der Anfangszeit: „Im ersten Training hatten wir neben den Verbliebenen nur vier Zugänge.“ Gut vier Wochen später ist der Kader fast komplett, aber „die Spieler kamen eben erst nach und nach“. Heißt, dass momentan zwar die Qualität passt, im Zusammenspiel jedoch noch viel Stückwerk ist. Für den gebürtigen Mannheimer steht fest: „Wir müssen uns physisch, spielerisch und taktisch steigern. Vor allem müssen wir unseren Spielaufbau in den Griff bekommen und wir brauchen noch mehr Torgefahr über die Außenbahnen.“

Deshalb bedauert Boysen, dass seine Elf kaum richtige Testspiele absolvieren konnte, sondern vor allem im WFV-Pokal beschäftigt war. Ideal sei das in der jetzigen Situation nicht, urteilt der Trainer, für den erschwerend hinzukommt: „Dann verjubeln wir da innerhalb von 19 Tagen auch noch 300000 Euro.“ Wobei er zum 0:6 im Halbfinale des Wettbewerbs der Vorsaison in Ulm sagt: „Die Niederlage war ja wenigstens noch verdient.“ Das 1:2 vor drei Tagen im Drittrundenduell in Freiberg sei jedoch kropfunnötig gewesen und „ärgert mich maßlos“. Für ihn ist es allerdings auch ein Ergebnis der bisherigen Vorbereitung. „Wir stehen da zwar nicht ganz am Anfang“, aber richtig losgegangen ist es eben erst jetzt.

Aspachs Trainer macht aber auch klar, dass er um den Neustart zwar weiß, „jammern uns aber nicht hilft, schließlich wussten wir von vornherein um die Situation“. Was helfe, so der alte Hase im Fußballgeschäft, das sei harte Arbeit. Denn in einem ist sich Hans-Jürgen Boysen sicher: „Wenn wir die letzten zwei offenen Positionen schließen, dann haben wir einen guten Kader zusammen.“ Auch wenn der noch Zeit und Geduld braucht, bis er richtig zueinanderfindet. Wobei das nur fürs Zusammenspiel auf dem Rasen gilt. Neben dem Platz passt es schon, sagt der Coach und urteilt: „Menschlich ist das bereits eine super Truppe.“

Die komplette Sonderveröffentlichung mit der Regionalliga-Saisonvorschau mit dem SG-Mannschaftsfoto und den Kadern aller Teams ist hier zu sehen.

Zurückhaltende Zielsetzung

Die Erwartungen: Sportdirektor Joannis Koukoutrigas sagt: „Vom sofortigen Wiederaufstieg zu sprechen, wäre vermessen.“ Ins erste Viertel der Tabelle will er aber schon. Eine Zielsetzung, mit der Trainer Hans-Jürgen Boysen leben kann. Für ihn sind Elversberg und Ulm die Topfavoriten. Zu den vier, fünf Vereinen dahinter zählt er aber sicher auch seine Elf. Klar ist, bei 22 Teams und sechs Absteigern wartet eine Mammutrunde, in der nicht viel schiefgehen darf, will man nicht in die Bredouille kommen.

Die Neuen: Derzeit sind es 14 Zugänge, 16 sollen es werden. Mit Özgür Özdemir (zuletzt zweite türkische Liga) und Sebastian Schiek (VfR Aalen) sind zwei Defensivspieler zurück, die schon in der Dritten Liga für Aspach am Ball waren. Beide zählen aber zu jenen Akteuren, die eine lange Pause hinter sich haben und die in Sachen Spielpraxis sowie Fitness entsprechend viel Nachholbedarf haben. Von den bisherigen Zugängen haben sich vor allem Mohamed Diakite (zweite rumänische Liga) und der 19-jährige Marvin Cuni (Bayern München II) in den Vordergrund gespielt. Diakite überzeugte sowohl im zentralen defensiven Mittelfeld wie als Innenverteidiger. Cuni gefiel auf der linken Außenbahn als trickreicher und schneller Mann, der auch schon einige Tore erzielte. Treffer erwartet Hans-Jürgen Boysen auch von den beiden neuen Stürmern Jan Ferdinand (Hoffenheim II) und Dominik Widemann (Würzburger Kickers). „Sie werden ihre Tore machen“, ist sich der Coach sicher.

Die Verbliebenen: Vom Drittliga-Kader sind nur Kapitän Julian Leist, Kai Gehring, Ken Gipson, Nico Jüllich, Joel Gerezgiher und Jonas Meiser sowie die Nachwuchskräfte Vincent Sadler, David Nreca-Bisinger und Flavio Santoro geblieben. Das ist nicht so viel, wie die SG hoffte. Erschwerend hinzu kommt, dass das bewährte Innenverteidigerduo Leist und Gehring aus Verletzungs- und privaten Gründen das Trainingslager fast nicht oder gar nicht mitmachte. Deshalb bestand im Pokalspiel die Abwehrzentrale aus Gipson und Diakite, die ihre Sache gut machten. In der Mittelfeldzentrale dürften Nico Jüllich und auch Joel Gerezgiher gesetzt sein, wobei der Zweitgenannte ebenso wie Offensivmann Jonas Meiser über ein Jahr lang verletzt war und erst in der Endphase der Drittliga-Saison wieder auf den Platz zurückkehrte. Heißt: Rhythmus, Konstanz und Kraft sind bei beiden noch ausbaufähig.

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Erstellt:
29. August 2020, 06:00 Uhr

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