„Der Zweck ist, die Biervielfalt zu zeigen“
Interview Thomas Szasz, der in der Walterichstadt die Brauerei Hey Joe Brewing betreibt, lädt am Wochenende zum Murrhardter Brauereifest mit sieben Mitstreitern ein. Er erklärt, was Craftbier bedeutet, was er am weiblichen Herangehen ans Thema schätzt und sich auch künftig wünscht.

© Stefan Bossow
Thomas Szasz schenkt sich ein Helles ein. Es ist das beliebteste Bier. Beim Fest lassen sich aber viel mehr Sorten verkosten. Foto: Stefan Bossow
Laut einer Studie lässt sich die Zielgruppe von Craftbierbrauereien als männlich, jung und mit einem überdurchschnittlichen Einkommen beschreiben. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Jein. Also, für den Stuttgarter Markt würde ich das unterschreiben, wobei das weibliche Publikum ebenso interessiert ist. Wir waren vor Kurzem zum Beispiel auf dem Stuttgarter Craftbierfestival und da trifft das zu. Hier in Murrhardt und Umgebung haben wir ein gemischtes Publikum.
Das heißt, die Altersspanne ist größer?
Genau. Das Publikum ist schon hauptsächlich ein männliches, aber es gibt auch weibliche Kundinnen, die beispielsweise Geschenke für Partner, Freunde und Verwandte kaufen.
Wollen Sie auch Frauen ansprechen?
Klar, wir wollen jeden ansprechen, der alt genug ist, um in die Welt der Biervielfalt eintauchen zu dürfen. Also, wir haben ja auch Biere, die durchaus eher Frauen ansprechen, wie beispielsweise eine Sorte mit Mango. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Frauen beim Thema Bier experimentierfreudiger sind. Männer wollen ihr Helles oder Weizen und Frauen probieren auch mal was Neues. Wenn man beispielsweise sagt, man arbeitet mit Zitrus- oder tropischen Aromen, dann werden sie gleich neugierig und das finde ich ganz toll.
Das heißt, es muss nicht einfach nur süß sein, sondern Frauen interessiert, wie das Bier genau schmeckt?
Die meisten unserer Biere sind nicht besonders süß, weil ich das auch nicht so sehr mag. Manchmal ist die Süße aber auch sorten- oder prozessbedingt. Je stärker ein Bier ist, desto süßer schmeckt es auch, das heißt, manchmal geht es nicht anders, bei einem Bockbier zum Beispiel.
Inwiefern bedienen Sie ganz unterschiedliche Biertrinkertypen? Zwei haben wir schon, die Traditionellen und die Experimentierfreudigen.
Wir haben eigentlich für jeden Gaumen das richtige Bier. Von traditionell einfach, sage ich jetzt mal, über experimenteller und moderner. Und dann eben ganz ausgefallene und abgefahrene Sorten. Wir versuchen schon, da jeden abzuholen und uns nicht auf eine Gruppe zu fixieren.
Was wäre denn ein Beispiel für ein abgefahrenes Bier?
Also neben den Bieren, die wir mit Früchten brauen, gibt es zum Beispiel auch Sauerbiere. Die sind bei den, sagen wir mal, traditionellen Biertrinkern verschrien, weil sie ganz anders schmecken, obwohl es sich tatsächlich um ein sehr traditionelles Bier handelt. Das hatte ursprünglich damit zu tun, dass die Gärung schlecht kontrollierbar war, wodurch zum Beispiel Wildhefen ins Bier gelangten, was heute nicht mehr der Fall ist. Auch diese Biere kann man zum Beispiel mit Früchten und Gewürzen brauen. Das schmeckt wirklich sehr gut, wenn man sich dafür öffnet. Zwei weitere Beispiele wären ein Rauchbier mit geräuchertem Malz, in Franken ebenfalls eine ganz traditionelle Sorte, oder ein Glühbier ähnlich wie der Glühwein von den Zutaten her.
Was ist bei Ihnen die beliebteste Sorte?
Das Helle.
Gibt es eine Erklärung?
Es ist einfach das, was man auch aus dem Supermarkt kennt, also das „normalste“ Bier.
Wenn Sie das jemandem erklären müssen, der noch überhaupt keinen Kontakt mit dem Thema hatte, wie würden Sie beschreiben, was Craftbier überhaupt ist?
Das ist eine gute Frage, weil es tatsächlich so ist, dass viele Menschen denken, Craftbier wäre was komplett anderes als „normales“ Bier. Aber das ist es überhaupt nicht. Anders ist nur die Art der Herstellung, würde ich sagen. Für mich steht dabei auch die Vielfalt im Mittelpunkt, also der Wunsch, neue Stile auszuprobieren, die für die Region vielleicht ungewöhnlich sind. Es macht sich also an der Größe der Brauerei fest, sprich es sind kleinere Brauereien, an der Art der Herstellung und an handwerklichen Aspekten. Man arbeitet ohne Automatisierung und mit Naturbelassenheit, sprich ohne Pasteurisierung und Filtrierung. Je stärker das Produkt ein naturbelassenes ist, desto weniger lang ist es wiederum haltbar. Die meisten Leute verstehen auch nicht, dass sie für solch ein Bioprodukt mehr zahlen müssen, obwohl es weniger lang haltbar und nicht so schön klar ist. Dieses Bewusstsein ist bei den Biertrinkern noch nicht so angekommen wie bei Kunden anderer Branchen.
Also beispielsweise, wenn es um biologisch angebaute, regionale Obst- oder Gemüsesorten geht?
Genau, Obst oder Gemüse, das nicht perfekt aussieht, weil es halt nicht behandelt und der Umgebung ausgesetzt wurde. Und so ist es auch mit dem Bier. Dieses Verständnis fehlt noch ein bisschen, dass ein handwerklich hergestelltes Produkt aus natürlichen Zutaten eben nicht immer exakt gleich schmeckt und aussieht. In Franken gibt es eine ganz andere Bierkultur als hier. Das ist ein himmelweiter Unterschied, wie das gelebt wird. Dort gibt es tatsächlich in so gut wie jedem Ort eine kleine Brauerei, die handwerklich herstellt. Das Bier ist drei Monate haltbar und den Menschen ist klar, dass es zum Beispiel keine Hitze verträgt und möglichst frisch getrunken werden sollte.
Ich denke, dass Craftbier bei jungen Menschen schon angesagt ist. Wenn dem so ist und sich Jüngere kleineren, lokalen Brauereien zuwenden, wo liegen aus Ihrer Sicht die Chancen?
Also ich würde mich schon freuen, wenn wir dazu beitragen können, diese Bierkultur zu erhalten beziehungsweise auch zu schaffen. Das würde mir vollkommen ausreichen. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn jetzt in den Nachbarorten überall Brauereien aufmachen würden, im Gegenteil. Ich würde mich freuen, all diese Biere ausgiebig zu verkosten. Zwischen kleinen Brauereien besteht auch kein Konkurrenzdenken.
Vor dem Hintergrund laden Sie auch zum Brauereifest ein – neben einer Beilsteiner und Weissacher Brauerei gibt es noch weitere aus Stuttgart. Wie konnten Sie Kollegen aus der Landeshauptstadt überzeugen, nach Murrhardt zu kommen?
Da ist keiner dabei, den ich jetzt einfach so aus dem Blauen heraus gefragt habe, sondern wir kennen uns. Wir arbeiten zum Teil auch zusammen, indem wir zum Beispiel gemeinsam Malz bestellen, damit wir uns die Frachtkosten teilen können. Manche waren auch schon mal auf dem Brauereifest, was bisher dreimal am Tag des Schwäbischen Waldes stattfand. Das ist schon immer die Absicht dieses Festes gewesen, den Leuten zu zeigen: Hey, guck mal, da gibt es eine kleine Brauerei. Probier doch mal!
Mein Eindruck ist, dass in den letzten zehn Jahren einige lokale Brauereien aufgemacht haben und weitere dazukommen. Auch Ihre gehört dazu. Wie kommt das?
Ja, also ich glaube, es liegt zum einen daran, dass es erlaubt ist und man für das Handwerk nicht zwingend eine Ausbildung braucht. Jeder darf brauen, ein Gewerbe eröffnen und das Bier verkaufen. Zum anderen ist es einfach ein sehr schönes, vielseitiges und interessantes Handwerk. Man verbindet Technik, genauer Anlagentechnik, mit naturwissenschaftlichen Aspekten. Man sollte ein bisschen was von Physik verstehen sowie den biochemischen Prozessen. Dazu kommt noch die Arbeit im engeren, körperlichen-handwerklichen Sinne. Nicht zu vergessen, dass Bier in Deutschland ein doch sehr weit verbreitetes Genussmittel ist.
Noch mal zurück zum Brauereifest. Was wäre Ihr Tipp, viele Biere probieren zu können, ohne zu viele Promille einzusammeln?
Ich empfehle unbedingt, möglichst viele verschiedene Biere der Brauereien zu probieren. Diese werden eigene Gläser mitbringen, darunter ist die kleinste Variante, glaube ich, 0,3 Liter. Oft geht man ja auch mit einer Gruppe zu solch einem Fest und kann sich da beim Probieren auch ein wenig untereinander abstimmen. Also der Zweck des Festes ist tatsächlich, die Biervielfalt zu zeigen. Bringen die sieben Teilnehmer im Schnitt vier Biere mit, macht das 28 Sorten.
Das Gespräch führte Christine Schick.
Brauereien Das Murrhardter Brauereifest steigt auf dem Marktplatz am Freitag, 12. Mai, ab 18 Uhr, Samstag, 13. Mai, ab 16 Uhr sowie Sonntag, 14. Mai, ab 14 Uhr. Zu Gast sind: Hey Joe Brewing, die Brauerei von Thomas Szasz in Murrhardt, Weissacher Tälesbräu (Weissach im Tal), Sondersud (Beilstein) sowie Cannstatter Keller Bräu, das Bierzimmer, Kraftpaule und die Bierothek – alle aus Stuttgart. Fürs leibliche Wohl sorgen drei Teams: UKU Galloways, Meat Buddies und der Obst- und Gartenbauverein Sulzbach. Zum Musikprogramm: Am Freitag spielen die Heart Core Maniacs Bluesrock (19 bis 23 Uhr), am Samstag bietet Kelly Parkhurst&Band Classic-Rock (19 bis 23 Uhr) und am Sonntag tritt Kelly Parkhurst unplugged auf (16 bis 20 Uhr).
Programmflyer Die Brauereien, ihre Biere und das Programm finden sich auf einem Flyer unter www.murrhardt.de (Veranstaltungskalender). Die Stadt unterstützt das Brauereifest und hofft damit auf ein weiteres belebendes Event für die Innenstadt.