Elektromobilität

Die Autoindustrie stemmt sich gegen die Krise

An den CO2-Grenzwerten für Autos will die EU nicht rütteln. Erleichterungen könnte es für die Hersteller aber dennoch geben.

Der chinesische Hersteller BYD stellt seine neuesten Modell in Deutschland vor. In China hat der Autobauer die deutsche Konkurrenz schon abgehängt.

© AFP/INA FASSBENDER

Der chinesische Hersteller BYD stellt seine neuesten Modell in Deutschland vor. In China hat der Autobauer die deutsche Konkurrenz schon abgehängt.

Von Knut Krohn

Wenn Politiker aus Baden-Württemberg in Brüssel auftauchen, steht meist das Auto im Mittelpunkt der Diskussionen. Inzwischen haben sich die Vorzeichen der Besuche allerdings dramatisch verändert. Der über Jahrzehnte boomende Fahrzeugbau hat das Bundesland im Südwesten reich gemacht, doch nun schliddert der gesamte Industriezweig immer tiefer in die Krise. Dafür verantwortlich gemacht werden auch die Vorgaben der Europäischen Union. „Die Automobilbranche ist eine der wichtigen europäischen Leitindustrien“, betonte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut jüngst auf einem von Baden-Württemberg organisierten Wirtschaftsgipfel in Brüssel. Sie sieht ihren Einsatz für die Autobauer in Brüssel also in einem wesentlich größeren Kontext.

Die Schlüsselindustrie in Deutschland

Mit rund 770 000 Beschäftigten ist die Automobilbranche Deutschlands Schlüsselindustrie und gemessen am Umsatz die mit Abstand der größte Industriezweig. Doch die Nachfrage schwächelt, vor allem der E-Auto-Bereich kommt nicht in die Gänge und aus China droht neue Konkurrenz. Dort ist der heimische Hersteller BYD dem langjährigen Marktführer VW uneinholbar enteilt. Und nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA könnten neue Zölle das Geschäft auf dem wichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Autoindustrie erschweren.

Europas größter Autobauer Volkswagen hat reagiert und kündigt Lohnkürzungen, Werksschließungen und Stellenabbau an. Aber auch Mercedes will die Kosten in den kommenden Jahren um mehrere Milliarden Euro drücken. Nicht besser sieht es bei den Zulieferern aus. Bosch will Tausende Stellen abbauen, jüngst kündigte das Unternehmen die Streichung von bis zu 3800 Jobs an. Und auch bei ZF Friedrichshafen sollen weltweit über 10 000 Arbeitsplätze wegfallen.

Die Ministerin läutet die Alarmglocken

Aus diesem Grund läutete Nicole Hoffmeister-Kraut in Brüssel die Alarmglocken. „Die Automobilbranche ist der Innovationstreiber Nummer Eins in Europa“, betonte sie. „Als Leitindustrie ist sie nicht nur das Rückgrat der europäischen Wirtschaft, sondern auch eine zentrale Quelle unseres Wohlstandes.“ Das seien Gründe genug, dass die EU die Automobilbauer während des laufenden Transformationsprozesses gezielt unterstütze und ihnen nicht ständig Steine in den Weg lege.

Die Wirtschaftsministerin aus Baden-Württemberg kam mit zwei sehr konkreten Forderungen nach Brüssel. Zum einen will sie das Vorziehen der Überprüfung der Flottengrenzwerte und zum anderen die Aussetzung von angedrohten Strafzahlung für die Autoindustrie wegen des Verfehlens der CO2-Grenzwerte. Dabei beißt sie beim ersten Punkt wohl auf Granit, kann im zweiten Fall aber auf Erleichterungen hoffen.

Zögern bei der Europäischen Kommission

„Ich würde nicht davon ausgehen, dass die Überprüfung vorgezogen wird“, sagte Mark Nicklas, bei der Veranstaltung in der Brüsseler Landesvertretung von Baden-Württemberg. Damit widerspricht er den Autobauer, die hoffen, dass eine frühere Überprüfung zu schwächeren Grenzwerten führen würde, weil der Ausgangswert bei den CO2-Emissionen aktuell noch höher ist. Der Kommissionsvertreter Nicklas hielte das aber nach eigenen Worten für einen Verfehlten Ansatz, da es langfristig den Zielen der deutlichen Abgasreduktion widersprechen würde. Zudem sei das handwerklich nicht zu schaffen. Der Grund: die Kommission kann die Grenzwerte nicht einfach aussetzen. Das entsprechende EU-Gesetz müsste geändert werden. Dies erfordert die Zustimmung von Europaparlament und Ministerrat.

Etwas Hoffnung machte Mark Nicklas allerdings im Fall der angedrohten Strafzahlungen wegen des Verfehlens der CO2-Grenzwerte. Die drohen, weil die Werte für Autos 2025 von rund 115 Gramm je Kilometer auf 93,6 Gramm sinken. Das ist ein Durchschnittswert. Die Hersteller haben je nach Art der Flotte individuelle Ziele. Für jedes Gramm zu viel wird eine Strafe von 95 Euro je Auto fällig.

Staaten wollen die CO2-Vorgaben aufweichen

Gegen diese Maßnahme formiert sich allerdings in den EU-Mitgliedstaaten zunehmend Widerstand. Sogar der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) möchte zunächst darauf verzichten, ähnlich äußert sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im nahenden Bundestagswahlkampf werden auch CDU und FDP vehement dafür eintreten. Die italienische und französische Regierung werben seit Monaten für einen Aufschub.

Der EU-Kommissionsvertreter Mark Nicklas gibt jedoch zu bedenken, dass ein Aufschub auch eine Ungerechtigkeit berge, denn es gebe auch Autobauer, die die vorgegebenen Grenzwerte erreichen würden. „Man fragt sich, weshalb das manche schaffen und andere nicht“, sagte der EU-Beamte. Tatsächlich haben sich BMW und der Stellantis-Konzern, zu dem Fiat, Peugeot und Opel gehören, gegen eine Aufweichung der Ziele gestellt.

Autobauer entnervt von den Diskussionen

Etwas entnervt von den sich bisweilen im Kreise drehenden Diskussionen der Politik scheinen inzwischen die Autobauer. So unterstrich Kai Lücke vom Autozulieferer ZF Friedrichshafen in Brüssel, dass „die Richtung der Reise“ doch klar sei. Im Bereich der Pkw werde der Elektroantrieb bald eindeutig dominieren. Aber der Leiter der Außenbeziehungen des Unternehmens betonte: „Wie wir dorthin kommen, das ist doch die entscheidende Frage.“ Und er konstatierte: „Im Moment läuft es nicht zufriedenstellend.“ Europa solle sich von anderen „Weltregionen inspirieren lassen“, forderte Kai Lücke und hat dabei vor allem China im Blick. Dort würden mit großem Erfolg vor allem die Rahmenbedingungen für das Hochlaufen der Elektromobilität verbessert, wozu er auch die Förderung von Plug-in-Hybriden zählt.

Auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, forderte die Politiker bei der Veranstaltung in Brüssel auf, sich nicht nur über den Regulierungskatalog zu beugen, sondern vor allem an den Voraussetzungen zu arbeiten, dass Elektroautos für die Verbraucher im Alltagseinsatz attraktiver werden. Sie betonte, die Zukunft für den Pkw-Verkehr sei elektrisch, zentral sei aber die funktionierende Ladeinfrastruktur. „Die Autofahrer müssen sicher sein, dass sie ihr Fahrzeug überall landen können.“ Hildegard Müller brachte es auf die griffige Formel: Weniger reden, mehr machen – dann werde das mit dem Hochfahren der Elektromobilität funktionieren.

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Erstellt:
9. Dezember 2024, 15:16 Uhr

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