Die Bahnticketverkaufsstelle in Murrhardt schließt
Wer eine Fahrkarte bei einem menschlichen Gegenüber kaufen will und Fragen dazu hat, konnte bisher zur DB-Verkaufsstelle in der Murrhardter Bahnhofstraße gehen, wo auch die Postfiliale und das Reisebüro Bönisch untergebracht sind. Aus Kostengründen wird der Service nun beendet.
Von Christine Schick
Murrhardt. Tanja Bönisch-Maag, die als Geschäftsführerin für den Verkauf in der Postfiliale sowie für das Reisebüro und die Bahnticketverkaufsstelle verantwortlich zeichnet, berichtet, dass sie den DB-Ticketverkauf zum Ende des Monats auslaufen lässt und der Service dort zum 1. Oktober geschlossen wird. „Die Kosten für die Ticketverkaufsstelle sind höher als die Einnahmen, was die Entscheidung unausweichlich macht“, lässt sie wissen.
Letztlich sei die Thematik aber nicht neu, sondern habe sich über Jahre angekündigt. Vor etwa fünf Jahren habe die Deutsche Bahn die Vergütung beim Verkauf gesenkt. Hinzu kamen in den vergangenen Jahren schwierige Rahmenbedingungen wie die Coronapandemie und die Baumaßnahmen rund um Stuttgart 21. Auch die Einführung des 9-Euro-Tickets machte sich der Gestalt bemerkbar, dass der Verkauf von regulären Fahrkarten zurückging. Der Verkauf des Deutschlandtickets läuft ausschließlich digital, so Bönisch-Maag. Zwar ist Corona kein Thema mehr und auch Stuttgart 21 als Projekt in mehr oder weniger absehbarer Zeit abgeschlossen, allerdings gibt es für den Verkauf auch bestimmte Fixkosten wie EDV-Lizenzgebühren oder ein EC-Cash-Gerät. Zwischenzeitlich habe man für den Kauf von Fahrkarten in weiter entferntere Orte eine Gebühr verlangt, der regionale Bereich sowie Baden-Württemberg seien aber abgedeckt und ohne Zusatzentgelt möglich gewesen. Aktuell stand die Einführung eines neuen Reservierungssystems ins Haus, was ebenfalls mit Kosten verbunden gewesen wäre.
Aufgrund der schwierigen Situation hat sich Tanja Bönisch-Maag an die Stadtverwaltung und die Gemeinderäte gewandt, um abzuklären, ob eine finanzielle Unterstützung möglich ist, um die Bahnticketverkaufsstelle am Laufen zu halten, wie sie berichtet. Doch die schriftliche Anfrage per E-Mail im März sowie eine Erinnerungsnachricht Anfang Juli dieses Jahres seien bisher ohne Antwort geblieben.
Anlaufstelle seit der Schließung des Verkaufsschalters im Bahnhof
Dass die Bahnticketverkaufsstelle des Reisebüros Bönisch nun ihren Betrieb einstellt, sieht die Geschäftsführerin als eine bedauerliche Entwicklung für die Region. Seit der Schließung des Verkaufsschalters der Bahn im Murrhardter Bahnhof 2004 sei diese eine wichtige Anlaufstelle gewesen und habe einen Beitrag in puncto Mobilität für Murrhardt und Umgebung sowie die gesamt Region geleistet. Sie wertet die Entwicklung als bedenklichen Trend, der den öffentlichen Nahverkehr weiter schwächt. Zwar gebe es die Fahrkartenautomaten am Bahnhof und die Möglichkeit, Tickets online zu kaufen, doch die Erfahrung der vergangenen Jahre am DB-Ticketverkauf habe gezeigt, dass durchaus noch Bedarf an persönlichem Verkauf und Beratung bestehe. Für Tanja Bönisch-Maag hat das vor allem auch mit der spät angepackten Digitalisierung im Land zu tun, die nun in vergleichsweiser kurzer Zeit durchgezogen werden soll. „Skandinavische Länder sind da schon sehr viel länger dabei, natürlich auch, weil die Bedingungen wie die nicht so dichte Besiedlung dies auch notwendig gemacht haben“, sagt sie. Aber eine Umstellung brauche auch Zeit, um die Menschen insgesamt mitzunehmen und nicht zu überfordern. In ländlichen Regionen benötigten manche für solch einen Übergang Unterstützung, beispielsweise Personen, die älter sind oder sprachliche Probleme haben wie Asylbewerber, aber auch solche, die spezifische Fragen zum Bahnsystem haben und sich nicht durch eine regelmäßige Nutzung mit den Regeln und Möglichkeiten auskennen.
Bleibt die Frage, inwieweit Gelegenheit beim Reisebüro besteht, ein Bahnticket zu kaufen. Doch Tanja Bönisch-Maag macht klar, dass dies nur im Rahmen einer gebuchten Reise möglich ist, also wenn eine Bahnfahrt Teil eines ganzen Urlaubspakets ist. Einen Ticketverkauf im engeren Sinne wird es nicht mehr geben.
Wichtig ist der Geschäftsführerin, dass sich in Bezug auf die Postfiliale und das Reisebüro nichts ändert, dort alles beim Alten bleibt. Das bezieht sich auch auf die beiden Mitarbeiterinnen, die den DB-Ticketverkauf in der Bahnhofstraße 6 mitbetreut haben und für deren Stellenumgang sich nichts verändert.
Auf Anfrage bei der Stadtverwaltung, wie dort die Schließung des Verkaufs und die Frage nach Unterstützung gesehen wird, antwortet Bürgermeister Armin Mößner: „Wir haben die Sache geprüft und das Amt für Wirtschaft, Kultur und Tourismus war mit Frau Bönisch-Maag in Kontakt.“ Der Hintergrund der Schließung sei vermutlich auch das Deutschlandticket, das zum 1. Mai 2023 eingeführt wurde und ausschließlich als Abo direkt bei den Abo-Centern (VVS) erworben werden könne. Das bedeute für die Agentur vor Ort, dass sich die Einnahmen auf ein Minimum reduzieren werden. „Die Durchsetzung eines Serviceentgelts für den Fernbereich war bis dato nicht möglich und wird für den Nahbereich in Zukunft nicht realisierbar sein“, so Mößner. Dagegen stünden die Fixkosten. „Eine Bezuschussung haben wir uns überlegt, sind aber zum Ergebnis gekommen, dass wir keine laufende Bezuschussung leisten können. Letztlich würde ein Präzedenzfall geschaffen, der uns dann auch in anderer Hinsicht immer wieder begegnet. Es ist schade, dass diese Dienstleistung aufgegeben wird, aber der Schritt ist aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar.“