Stuttgart: Ausstellung zu Nikolaus Plump
Die Bilder zu den Kinderbüchern
Sein Name kennt kaum einer, aber ganze Generationen sind mit den Illustrationen von Nikolaus Plump aufgewachsen. In Stuttgart schuf er die Cover zu zahllosen Kinderbüchern.
Von Adrienne Braun
Vermutlich könnte man noch in sehr vielen Haushalten aus dem Regal eines „seiner“ Bücher herausziehen: die Märchen der Gebrüder Grimm oder Melvilles dicken Schmöker „Moby Dick“, auf dessen Cover der weiße Wal durch die Wogen jagt. Und natürlich die „Fünf Freunde“ von Enid Blyton. Ob sie zum Leuchtturm gefahren sind oder einen Entführer gejagt haben, die Jugendbücher haben viele Generationen geprägt – und Nikolaus Plump hat ihnen lange ein Gesicht gegeben. Ende der Fünfzigerjahre begann der Illustrator, die Cover zu gestalten – und bis heute stößt man in Kellern und Flohmärkten noch auf seine typischen Zeichnungen: schwarze Umrisslinien und lässig getupfte Farbflächen.
So ist es ein großes Hallo, das man derzeit in der Stuttgarter Galerie Elseins erleben kann. Denn wer als Kind gelesen hat, wird sich an viele dieser Buchcover erinnern, ohne zu wissen, dass sie in Stuttgart am Killesberg entstanden sind, im Atelier von Nikolaus Plump, einem Berliner, den es nach dem Krieg hierher verschlagen hatte – „vermutlich, weil es hier viele Verlage gab“, wie Pascal Hauser sagt. Er ist der Enkel des Künstlers und selbstverständlich mit den Büchern groß geworden, an denen der Opa mitwirkte – wie „Wickie und die starken Männer“ oder „Robinson Crusoe“.
Als vor fünf Jahren ein Fan der „Fünf Freunde“ auf die Familie zukam und vorschlug, eine Homepage zu Nikolaus Plump zu gestalten, war das Interesse des Enkels geweckt. „Da habe ich angefangen zu recherchieren“, erzählt Pascal Hauser.
Hause hat auch die Ausstellung in Plieningen eingefädelt, die mit Zeichnungen, Gemälden und Büchern die Vita des Opas nachzeichnet: Geboren 1923, Kunststudium in Berlin, Soldat im Zweiten Weltkrieg, Fortsetzung des Studiums in München und in Weimar.
Illustrationen für die Stuttgarter Nachrichten
Damit war Plump gut gerüstet für eine doppelte Karriere – einerseits als Künstler, andererseits als Illustrator. Als er nach der Heirat nach Stuttgart zog, fertigte Plump für die Stuttgarter Nachrichten unterhaltsame Illustrationen. In der Ausstellung sieht man etwa eine Zeichnung eines Schneiders, der Maß nimmt am sehr dicken Bauch eines Mannes. Dann wieder mokierte sich Plump über den „Homo fernsehiens“.
Das Künstlerische war Nikolaus Plump in die Wiege gelegt, denn der Vater war Kunstmaler und die Mutter Puppenspielerin, die in Berlin eine eigene Marionettenbühne betrieb. Und dass er selbst Lust am Spielen hatte, verraten die Zirkuswagen, die er für seine Tochter Cordula baute. Einer von ihnen ist derzeit in Waldenbuch in der Ausstellung „we are family“ im Museum der Alltagskultur ausgestellt, aber die Tochter hat auch einige ihrer Schätze für die Schau in der Galerie Elseins zur Verfügung gestellt.
„Er war sicher ein eher extrovertierter Lebemensch“, meint Pascal Hauser, der seinen Großvater selbst nicht mehr kennengelernt hat. Nikolaus Plump wurde Professor an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd, und nachdem er am Lago Maggiore ein Haus gekauft hatte, lud er seine Studierenden auch hierher ein zu Kunstworkshops. Italien wurde auch zu einem Lieblingsmotiv seiner freien Kunst, die er gelegentlich auch ausstellen konnte.
Seine eigentlichen Erfolge hatte Nikolaus Plump aber als Illustrator. 1957 beauftragte ihn das Kultusministerium, das offizielle Lesebuch für die Volksschulen von Baden-Württemberg zu gestalten. Er war für zahlreiche Verlage tätig, illustrierte Romane und schuf wohl an die 400 Cover, wie Pascal Hauser schätzt. In manchem Buch hat die Familie noch persönliche Hinweise gefunden: Hier der handschriftliche Eintrag „Für Omi von Nickel“ – das war sein Spitzname.
Grimms Märchen für ABC-Schützen
In der Ausgabe von Grimms Märchen für „ABC-Schützen“ steht im Klappentext, dass die sechsjährige Cordula dem Grafiker Plump bei der Gestaltung „eine unbestechliche Beraterin gewesen“ sei. „Er trifft mit seinen Bildern den wahren Ton unserer altvertrauten Märchen. Sie sind kindertümlich und berücksichtigen auch die kindliche Vorliebe für jede Einzelheit.“
Die Szene im historischen London, die Nikolaus Plump für den Einband von „Oliver Twist“ gestaltete, mag heute ein wenig altmodisch wirken, die Cover der „Fünf Freunde“ sind dagegen so frisch und lebendig, dass sie sich noch gut zwischen den Bildwelten heutiger Kinderbücher machen würden.
Der Enkel ist bis heute begeistert
Bis zu seinem Tod 1980 lebte und wirkte Nikolaus Plump in Stuttgart, einige seiner Illustrationen landeten aber auch auf ausländischen Ausgaben. Den Namen des Gestalters kann man immer nur im Kleingedruckten finden, auf den Covern selbst hat Nikolaus Plump aber stets seine Signatur „n.pl.“ hinterlassen. Bei einigen Büchern tauchte er aber auch mit dem vollen Namen auf dem Titel auf – denn er hat auch selbst Kinderbücher geschrieben wie „Der Riesenstuhl“.
Der Enkel ist bis heute begeistert von den strahlenden Farben der Zeichnungen, aber auch vom Einfallsreichtum seines Opas. „Er hatte Fantasie“, sagt Hauser, was man besonders an den Illustrationen zu den Märchen aus 1001 einer Nacht sehen könne – „ dabei war er nie außerhalb Europas.“
Ausstellung in der Galerie Elseins, geöffnet am 19.10. von 14 bis 18 Uhr und am 25.10. ab 17 Uhr, Goezstraße 39, Stuttgart-Plieningen