Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich
Die Botschafterin der Ukraine bei Olympia
Jaroslawa Mahutschich ist Weltrekordlerin, Welt- und Europameisterin, nur der Olympiasieg fehlt ihr noch. Das will sie in Paris ändern – auch, um mit der Goldmedaille die Menschen in der kriegsgebeutelten Heimat zu stärken.
Von Jochen Klingovsky
Medaillen bei Olympischen Spielen zu gewinnen, ist für viele Nationen ein erstrebenswertes Ziel. Und für manche Länder in diesen schwierigen Zeiten sogar extrem wichtig. Nachdem die ukrainische Säbelfechterin Olha Charlan einen deutlichen Rückstand gegen Choi Sebin (Südkorea) aufgeholt und doch noch Bronze geholt hatte, sank sie auf die Knie und küsste den Boden. „Diese Medaille ist für mich besonders, weil sie für mein Land ist, für die Menschen in der Ukraine, für die Soldaten, die sie verteidigen“, sagte sie, „und sie ist auch für die Sportler, die nicht hierher kommen konnten, weil sie von Russland getötet worden sind.“
Ähnlich äußerte sich der Gewehrschütze Serhij Kulisch (Silber). Nun könnte eine den Medaillensatz komplettieren, die nicht nur der größte Sportstar ihres Landes ist. Sondern auch eine Botschafterin der Ukraine. Denn Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich nutzt jede Gelegenheit, um über das Leid nach dem russischen Überfall zu sprechen. Und auch darüber, dass der Kampfeswillen ungebrochen sei: „Das ukrainische Volk wird niemals aufgeben.“
Es ist ziemlich sicher, dass Jaroslawa Mahutschich in Paris die Bühne der Olympischen Spiele für ihren nächsten großen Auftritt nutzen wird. Sportlich. Symbolisch. Und mit klaren Worten.
Jaroslawa Mahutschich : „Der Krieg hat mich mental stärker gemacht“
In der Qualifikation am Freitag reichten der amtierenden Welt- und Europameisterin zwei Sprünge über 1,92 m und 1,95 m, um ganz sicher ins Finale am Sonntagabend einzuziehen. Alles andere wäre allerdings auch eine Sensation gewesen. Schließlich hatte sie am 7. Juli beim Diamond-Meeting in Paris einen der Uralt-Weltrekorde der Leichtathletik ausgelöscht. Fast 37 Jahre hatte die Bestmarke der Bulgarin Stefka Kostadinowa (2,09 Meter) gehalten, dann sprang Jaroslawa Mahutschich mit ihrem blau-gelben Lidschatten (Nationalfarben der Ukraine) einen Zentimeter höher. Und widmete den Weltrekord ihrer Heimat. „Ich gebe alles für mein Land“, sagte sie mit der ukrainischen Flagge über der Schulter, „bei jedem Sprung bin ich in Gedanken bei all den Ukrainern, die mein Mutterland verteidigen. Es ist wirklich schwer, wirklich schlimm. Leider haben mich mehr als zwei Jahre Krieg mental stärker gemacht, als ich es vorher war.“
Es sind Botschaften, die gut ankommen. Auch an oberster Stelle. Wolodymyr Selenskyj jedenfalls gratulierte Jaroslawa Mahutschich zum Weltrekord. „Sie hat der ganzen Welt den echten Siegeswillen der Ukraine gezeigt“, erklärte der ukrainische Präsident, „wir danken ihr dafür, dass sie die ukrainische Flagge so hoch gehisst und diesen Sieg für unser Land und unser Volk errungen hat. Solche Siege sind unglaublich wichtig für unsere Stärke und Einheit.“
Flucht mit dem Auto nach Belgrad
Auch deshalb zählt für Jaroslawa Mahutschich nur Olympia-Gold – auch wenn selbst der größtmögliche Erfolg die Erinnerungen nicht auslöschen würde. Als im Februar 2022 der Krieg ausbrach, befand sich Jaroslawa Mahutschich in Dnipropetrowsk, sie erlebte, wie wie sie einmal erzählt hat, mitten in der Nacht „Stunden der totalen Panik mit Explosionen, Bränden, Luftschutzsirenen“. Mit dem Auto gelang ihr die Flucht, 60 Stunden später erreichte sie die knapp 2000 Kilometer entfernte serbische Hauptstadt Belgrad und wurde dort erstmals Hallen-Weltmeisterin. Es ist bis heute ihr emotionalster Erfolg. Allerdings ist Jaroslawa Mahutschich, die auf der ganzen Welt lebt, deren Eltern aber weiterhin in der Ukraine sind, auch noch keine Olympiasiegerin. Es ist der letzte große Titel, der ihr fehlt. Auch Gold in Paris, das ist eine Selbstverständlichkeit, würde sie den Menschen in der Heimat widmen. Und zugleich einen Dank an Sebastian Coe senden.
In der Leichtathletik sind auf Bestreben des Präsidenten des Weltverbandes Athletinnen und Athleten aus Russland weiterhin komplett von Wettbewerben ausgeschlossen – es gibt nicht, wie beim Rest Olympias, Ausnahmeregelungen für neutrale Sportlerinnen und Sportler. Worüber Jaroslawa Mahutschich sehr dankbar ist. „Auch wenn sie unter neutraler Flagge starten, weiß doch jeder, woher sie kommen, und sie ändern dadurch auch nicht ihre Meinung“, sagt die beste Hochspringerin der Welt, „Russland ist ein terroristischer Staat, seine Athleten gibt es in meinem Leben nicht mehr.“
Sondern nur noch klare Botschaften. Bei jeder Gelegenheit.