Tempel von Esna in Ägypten
Die farbenfrohe Zeit der Pharaonen leuchtet wieder
Ägypten ist überreich gesegnet mit Bauwerken aus antiker Zeit. In einem der Tempel aus der Ptolemäerzeit, dem Tempel des Gottes Chnum in Esna, werden einstfarbenfrohe Wandmaleiern unter Beteiligung von Tübinger Altertumsforschern restauriert.
Von Markus Brauer
Der vor mehr als 200 Jahren wiederentdeckte ptolemäisch-römische Tempel von Esna, 60 Kilometer südlich von Luxor in Ägypten gelegen, soll in einem ägyptisch-deutschen Kooperationsprojekt vollständig restauriert werden
Ptolemäischer Chnum-Tempel von Esna
Vom eigentlichen Tempel ist nur die Vorhalle erhalten, der sogenannte Pronaos. Ein Proanos ist eine Vorhalle bei griechischen Tempeln, durch die man in den eigentlichen Kultraum, den Naos, gelangte.
Der Chnum-Tempel von Esna wurde auf den Ruinen eines früheren Heiligtums aus der 18. Dynastie, wahrscheinlich unter Pharao Thutmosis III. (1486-1425 v. Chr.) errichtet. Der Neubau entstand unter der Herrschaft der Pharaonen Ptolemaios VI.und Ptolemaios VIII. im zweiten Jahrhundert v. Chr..
Der ptolemäische Hauptteil des Bauwerks mit dem Naos des Chnum – einem altägyptischen Gottheit, die seit dem Alten Reich belegt ist – ging im Mittelalter verloren. In römischer Zeit begann unter Kaiser Claudius (41–54) der Bau des noch vorhandenen Pronaos, der unter Kaiser Decius (249–251) vollendet wurde.
Tempelvorhalle wurde als Feuerstelle genutzt
Die Bevölkerung nutzte die Tempelvorhalle in den vergangenen 1800 Jahren als Feuerstelle. Daher waren die ursprünglich farbenfrohen Wand- und Säulendekorationen dunkel und schwarz geworden, berichten die Forscher. In den letzten sechs Jahren hatte ein Team bereits die früheren Farben der gesamten mit astronomischen Darstellungen bemalten Decke sowie der 18 inneren Säulen freigelegt.
Auf ägyptischer Seite stehen die seit 2018 laufenden Restaurierungsarbeiten unter der Leitung von Hisham El-Leithy vom Dokumentationszentrum des Ministeriums für Tourismus und Altertümer (MoTA), auf deutscher Seite ist der Ägyptologe Christian Leitz vom Institut für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen beteiligt.
Gelb und rot dominieren die Farbgebung
In diesem Jahr hat eine neue Phase der Restaurierungsarbeiten begonnen. Die Restauratoren stellten die südliche Innenwand sowie den südlichen Teil der westlichen Rückwand des Pronaos fertig. Sie brachten die ursprünglichen Farben mit den dominierenden gelben und roten Pigmenten zum Vorschein.
„Die größte Entdeckung in diesem Jahr waren die zahlreichen gemalten Details der Kleidung des Königs und der Gottheiten von Esna, ihre Kronen und ihre Throne“, erklärt Christian Leitz. „Diese waren aufgrund der dicken Rußschicht über den Reliefs zuvor überhaupt nicht zu sehen.“
Detaillierte Opferszenen
Die Details der Malereien sind Bestandteil von Opferszenen, welche die Innenwände des Tempels bedecken. Bislang waren nur die hieroglyphischen Texte und die Reliefs bekannt, aber auch die Dekoration der Throne habe ihre eigene Bedeutung, betont Leitz.
In einer Szene, einem Opfer von Pfeil und Bogen an die Göttin Neith, entdeckten die Konservatoren im unteren Teil des Throns vier gemalte Bögen. „Vielleicht waren sie ein Teil von ursprünglich neun Bögen, die ein Hinweis auf die sogenannten neun Bögen als Bezeichnung für Ober- und Unterägypten und sieben weitere ausländische Regionen waren, über die der ägyptische König herrschte“, erklärt der Ägyptologe.
Heilige Barke des Gottes Chnum
Ein weiteres Beispiel sei der Schurz des Königs in einer der Opferszenen. Darauf sind zwei gemalte Pflanzen zu sehen. Der Papyrus ist die Pflanze von Unterägypten und die Lilie (unten) die Pflanze von Oberägypten,. Was symbolisiere, dass der König der Herrscher über beide Teile des Landes war, so Leitz.
„Die vielleicht spektakulärste Szene ist die mit der heiligen Barke der lokalen Gottheit Chnum, die den Schrein des Gottes trägt“, erläutert der Altertumswissenschaftler. Die Barke wird von mehreren Priestern getragen, die sie in einer Prozession aus dem Innersten des Tempels herausholten. „So konnten die Einwohner von Esna den verschlossenen Schrein des Gottes zumindest zu besonderen Anlässen im Jahr sehen. Für den Rest des Jahres war er im Tempel verborgen, zu dem nur die Priester Zugang hatten.“
Idealbeispiel altägyptischer Tempelarchitektur
Der Pronaos des Tempels von Esna hat eine Länge von 37 Metern, eine Breite von 20 Metern und misst 15 Meter in der Höhe. Der Sandsteinbau wurde spätestens unter dem römischen Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) vor das eigentliche Tempelgebäude gesetzt.
Die Lage mitten im Stadtzentrum hat den Forschern zufolge wohl dazu beigetragen, dass die Vorhalle erhalten blieb und nicht wie andere Gebäude während der Industrialisierung Ägyptens als Steinbruch zur Gewinnung von Baumaterial genutzt wurde.
Schon zu Napoleons Zeiten erregte der Pronaos in Fachkreisen große Aufmerksamkeit, da man ihn als Idealbeispiel altägyptischer Tempelarchitektur betrachtete.