Mehrkampffinale in Paris 2024

Die ganz große Turnshow – und Helen Kevric wird starke Achte

Das Mehrkampffinale der Turnerinnen bei den Olympischen Spielen von Paris war eine riesengroße Show. Simone Biles gewinnt nach einem spektakulären Finish ihr sechstes Gold. Und Helen Kevric beweist, dass sie ein Versprechen für die Zukunft ist.

Simone Biles hat Mehrkampf-Gold in Paris geholt, Helen Kevric (re.) wurde starke Achte.

© IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Andrzej Iwanczuk

Simone Biles hat Mehrkampf-Gold in Paris geholt, Helen Kevric (re.) wurde starke Achte.

Von Dirk Preiß

Was. Ein. Showdown. Wer erwartet hatte, die Entscheidung um olympisches Gold im Mehrkampffinale der Turnerinnen würde eine spektakuläre Angelegenheit, der musste um zirka halb neun am Donnerstagabend einsehen: falsch gelegen. Denn: Es war mehr als das. Simone Biles aus den USA und die Brasilianerin Rebeca Andrade lieferten sich ein unglaublich enges Duell, das erst mit dem letzten geglückten Salto in den Stand entschieden wurde.

Als Simone Biles diesen gezeigt hat, tobte die Arena in Paris-Bercy, wenig später bekam sie ihre sechste olympische Goldmedaille von Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der auch Rebeca Andrade ehren durfte. Die Brasilianerin wurde Zweite, Tokio-Olympiasiegerin Sunisa Lee (USA) gewann Bronze. Und im Schatten der Superstars ereignete sich auch aus deutscher Sicht erstaunliches.

„Gerade hat eine Reporterin zu mir gesagt, dass ich nun die achtbeste Turnerin der Welt bin“, sagte also Helen Kevric – setzte ein verschmitztes Grinsen auf und ergänzte: „Das hört sich schon ganz schön an, muss ich sagen.“

Aber: Da geht es nicht nur um den Klang – auch die Fakten sprechen eine deutliche Sprache. 16 Jahre alt ist Helen Kevric erst, sie turnt ihre ersten Olympischen Spiele – und erreichte neben Sarah Voss (am Ende 24.) gleich das Mehrkampffinale. Und agierte dann so abgezockt, als hätte es das ganze Drumherum gar nicht gegeben.

Viel Prominenz im Publikum

Zinedine Zidane saß diesmal im Publikum, einige Stars des US-Basketballteams waren da, auch das Model Kendall Jenner. Aber Helen Kevric hatte sich etwas fest vorgenommen: „Ich wollte diesmal nicht so oft ins Publikum schauen.“ Denn: In der Qualifikation hatte sie die riesige Arena in Bercy doch mehr erschlagen, als sie es gedacht hatte. Die Nervosität wollte einfach nicht verfliegen. „Diesmal war ich gelassener“, sagte sie. Allerdings erst nach der ersten Übung.

Ihr Wettkampf begann am Schwebebalken – also an jenem Gerät, an dem sie in der Quali noch gepatzt hatte. Als sie den Balken am Donnerstag ohne Absturz hinter sich gebracht hatte, wurde sie ruhiger. Und lieferte vielleicht nicht an ihrer oberen Leistungsgrenze ab, vor allem am Stufenbarren „ist noch Potenzial nach oben“, sagte sie. Aber eben doch extrem solide auf schon hohem internationalen Niveau. Dass es noch deutlich besser geht, bewiesen die Superstars des Abends.

Allerdings: Auch Simone Biles war nicht ohne Fehler durchgekommen. Am Stufenbarren patzte die 27-Jährige, bekam nur 13,733 Punkte und war danach „enttäuscht“. Weil Rebeca Andrade stark turnte, kam es zum Herzschlagfinale. Vor den Übungen am Boden lagen Biles und Andrade lediglich 0,166 Punkte auseinander. Die Brasilianerin legte dann vor – erturnte 14,033 Punkte. Dann konterte Biles in beeindruckender Manier. Danach gab es: rasende Zuschauer, Standing Ovations, 15,066 Punkte – und die sechste olympische Goldmedaille ihrer Karriere. Die besondere Bedeutung hat.

„Das hier heute bedeutet mir die Welt“, sagte Simone Biles später, scherzte unentwegt mit ihrer Teamkollegin Sunisa Lee – wurde aber auch ernst: Vor drei Jahren, erklärte sie, hätte sie nie gedacht, so etwas noch einmal erreichen zu können. „Ich war verletzt, nicht körperlich, sondern mental“, erinnerte sie sich an die Zeit nach den Spielen von Tokio.

Simone Biles ist stolz auf ihren Weg zurück

In Japan hatte sie sich wegen psychischer Probleme vorzeitig aus dem Teamfinale zurückgezogen. Das Turnen war in der Folge weit weg. Aber sie kämpfte sich mithilfe auch von Psychotherapeuten zurück – und sagte nun: „Ich bin so stolz auf den Weg, den ich gegangen bin. Ich habe nicht aufgegeben, habe physisch und psychisch viel gearbeitet.“ Was sich ausgezahlt hat.

In drei Gerätefinals kann sie in Paris noch weitere Medaillen gewinnen. Auch Helen Kevric tritt noch einmal an. Am Donnerstag hatte sie oft parallel zum oder kurz nach dem US-Superstar ans Gerät gehen müssen. „Ich habe immer bewusst gewartet, bis der Applaus beendet war“, verriet sie ihre Taktik. Die sie am Sonntag (15.40 Uhr) nicht brauchen wird.

Denn im Stufenbarren steht zwar die Turnerin aus Ostfildern – nicht aber Simone Biles.

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Erstellt:
1. August 2024, 22:08 Uhr

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