Trypillia-Kultur vor 6000 Jahren

Die Geburt der ersten Mega-Citys fand in der Ukraine statt

Die Trypillia-Kultur schuf die ersten Mega-Siedlungen der Welt bereits vor 6000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Ukraine und Moldawien. Wie sie es schafften, die bis zu 15.000 Menschen zu ernähren, haben Forscher entschlüsselt.

Rekonstruktion der Trypllia-Mega-Siedlung Maidanetske. Dort lebten schon vor 5800 Jahren rund 15.000 Menschen.

© © Susanne Beyer/Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Kiel

Rekonstruktion der Trypllia-Mega-Siedlung Maidanetske. Dort lebten schon vor 5800 Jahren rund 15.000 Menschen.

Von Markus Brauer/dpa

Vor mehr als 6000 Jahren entstanden nördlich des Schwarzen Meeres die ältesten Siedlungen Europas und die größten der damaligen Welt: Sie sind damit also sogar älter als die Urzeit-Metropole Uruk im heutigen Irak und die Cheops-Pyramide in Ägypten.

Mega-Siedlungen in der Ukraine

Diese Megasiedlungen der Trypillia-Kultur auf dem Gebiet der heutigen Ukraine und Moldawiens waren bis zu 3,2 Quadratkilometer groß und boten Lebensraum für bis zu 15.000 Menschen. Aber wie sich eine so große Bevölkerung zu Beginn der Zivilisation ernähren konnte, gab Forscher bisher ein Rätsel auf.

Tatsächlich besaß die Trypillia-Kultur bereits ein raffiniertes System aus Ackerbau und der Viehzucht, aber mit einem Fokus: der Erbse. „Die Versorgung der Bewohner der Megasiedlungen beruhte auf einem äußerst ausgeklügelten Nahrungs- und Weidemanagement“, sagt der Paläoökologe Frank Schlütz von der Universität Kiel.

Demnach wurde ein großer Teil der Rinder und Schafe auf eingezäunten Weiden gehalten. „Der dort anfallende Dung der Tiere wurde von den Menschen benutzt, um insbesondere die Erbsen intensiv zu düngen.“

Hauptnahrung bestand aus Erbsen und Getreide

Demnach waren Erbsen und Getreide die Hauptpfeiler der damaligen Ernährung, während Fleisch nur etwa zehn Prozent beitrug. Das beim Pflanzenbau anfallende Erbsenstroh diente vermutlich zur Fütterung der Herden auf den Weiden.

Diese eng verzahnte Wirtschaftsweise habe den Menschen der Megasiedlungen eine gesunde Ernährung gesichert, schreibt das Team um Schlütz in den „Proceedings“ der US-nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“).

NEW The c.4200-3600 BC Trypillia settlements of Europe were so-called 'mega-sites', having populations of up to 10,000 people! Evenly-sized houses suggest that they were egalitarian, meaning large populations did not necessarily cause higher inequality https://t.co/MlPrYVfLEJpic.twitter.com/y10sE22kX8 — ntiquity Journal (@AntiquityJ) March 4, 2024

Trypillia-Kultur: 6800 bis 5000 v. Chr.

Die Trypillia-Gesellschaften – auf Russisch Tripolje genannt – entstanden vor etwa 6800 Jahren in der äußerst fruchtbaren Waldsteppe zwischen dem Donauzufluss Pruth an der rumänisch-moldawischen Grenze und dem Dnipro (Dnjepr). Die Größe der Siedlungen erreichte ihr Maximum vor mehr als 6000 Jahren.

Die Großsiedlungen lösten sich vermutlich infolge sozialer Spannungen nach wenigen Jahrhunderten wieder auf und vor 5000 Jahren waren die Trypillia-Gesellschaften ganz verschwunden. Die mit Abstand größten Siedlungen lagen im östlichen Gebiet, südlich des heutigen Kiew.

Die Gebäude jener Siedlungen wurden planmäßig ringförmig um einen zentralen Platz angelegt und enthielten neben Wohnhäusern riesige Versammlungshallen, die zu den größten damaligen Bauten Europas zählten, sowie kleinere Versammlungsgebäude in den einzelnen Vierteln. Aufgrund der Architektur geht das Team von einer Gesellschaft aus, die noch in der Blütezeit der Megasiedlungen recht egalitär strukturiert war.

Fleischanteil betrug weniger als zehn Prozent

Um die damalige Wirtschaftsweise zu verstehen, analysierte das Team Stickstoff- und Kohlenstoff-Isotope in Böden, Pflanzenresten sowie in Tier- und Menschenknochen von Siedlungen verschiedener Größe – darunter die etwa 200 Hektar große Stadt Maidanetske, die mit bis zu 15.000 Bewohnern als bevölkerungsreichste Stadt jener Zeit gilt.

Wie die Untersuchung ergab, lieferten den Menschen dort Erbsen 54 Prozent und Getreide 28 Prozent der Proteine – insgesamt also etwa 82 Prozent – und zusammen rund 92 Prozent der Kalorien. Tierprodukte sorgten demnach für weniger als 10 Prozent des Kalorienbedarfs. Sie dienten jedoch als Lieferanten wichtiger Nährstoffe wie Vitamin B12 und wurden vermutlich eher bei gemeinsamen Feiern verspeist.

Dung aus der Viehwirtschaft diente als Dünger

„Der Hauptfokus der intensiven Viehwirtschaft war die Entnahme von Dung, um die Ernte proteinreicher Hülsenfrüchte auf den ohnehin fruchtbaren und zusätzlich gedüngten Böden zu ermöglichen“, schreiben die Experten.

„In den Megasiedlungen wurden die meisten Rinder wahrscheinlich eingezäunt gehalten, um den Dung in einem kleinen Areal zu konzentrieren und so leichter sammeln zu können und um die angrenzenden Pflanzenbeete vor den Tieren zu schützen.“ Eine solch ausgeklügelte und umfangreiche Wirtschaftsweise gab es zu jener Zeit wohl nirgendwo sonst auf der Welt.

Reihen von Häusern entlang von Ringkorridoren

„Die Siedlungen zeigen ein nie zuvor gesehenes konzentrisches Layout, das durch Reihen von Häusern entlang von Ringkorridoren gekennzeichnet ist“, berichtet Robert Hofmann. Die in konzentrischen Kreisen angeordneten Gebäude standen dicht an dicht, nur durch schmale Gassen getrennt. Einige Gebäude waren auch miteinander verbunden wie moderne Reihenhäuser.

In regelmäßigen Abständen durchlaufen Verbindungswege diese Häuserringe, ähnlich den Speichen eines Rades. „Diese runde und ovale Struktur sicherte den Bewohner gleichberechtigten Zugang zu den Infrastrukturen und wichtigen Elementen“, schreiben die Forscher.

Großer leerer Platz im Zentrum

Im Zentrum jeder Trypillia-Siedlung gab es einen großen leeren Platz, über dessen Funktion Archäologen bisher nur spekulieren können: War der Platz ein zentraler Versammlungsort, an dem die Bewohner der Megasiedlungen Feste feierten oder Entscheidungen trafen? Oder diente er als zentrale Weide für das Vieh der Bewohner?

Anders als typische Dörfer jener Zeit gehen die Mega-Siedlungen auch nicht allmählich in die umgebende Landschaft über, indem beispielsweise die Häuser im Außenbereich weiter auseinander stehen und die Siedlungsfläche zunehmend von Feldern durchsetzt ist. Stattdessen bleibt die Bebauungsdichte gleich und der Außenrand der Mega-Siedlungen ist klar abgegrenzt. Auch darin erinnern die Trypillia-Ortschaften eher an eine Stadt als an ein steinzeitliches Dorf.

Fortschreitende soziale Ungleichheit

Allerdings zeigt die Analyse der Städte auch, dass die planvolle Wirtschaftsweise nicht von sehr langer Dauer war. Das Verschwinden der kleineren Versammlungshäuser und ein steigender Anteil unterschiedlich großer Wohngebäude deutet auf fortschreitende soziale Ungleichheit hin.

„Wie wir aus vorhergehenden Untersuchungen wissen, kam es infolge zunehmender sozialer Ungleichheit zu gesellschaftlichen Spannungen“, erklärt Ko-Autor Robert Hofmann. „Die Menschen kehrten den Großsiedlungen den Rücken zu und entschieden sich wieder für ein Leben in kleineren Siedlungen.“

Zum Artikel

Erstellt:
2. März 2025, 18:02 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!