Die mentale Frische macht’s

Mit einem unbeirrbaren Auftritt hat Jelena Ostapenko das Finale des Tennis Grand Prix mit 6:4, 6:1 gegen Aryna Sabalenka gewonnen.

Jelena Ostapenko zeigt ihre Errungenschaften nach dem Finalsieg in Stuttgart: Pokal und Auto.

© Baumann (3), imago/Eibner

Jelena Ostapenko zeigt ihre Errungenschaften nach dem Finalsieg in Stuttgart: Pokal und Auto.

Von Heiko Hinrichsen

Stuttgart - Als der letzte Ball im Finale des 48. Stuttgarter Tennis Grand Prix gespielt war, da hatte Aryna Sabalenka eine zündende Idee: „Ich glaube, ich werde mir jetzt einen Porsche bestellen – sonst wird das nichts mehr mit mir und dem Wagen“, sagte die Nummer eins der Tenniswelt. Schließlich hatte die 26-Jährige gerade bei ihrer vierten Finalteilnahme in Stuttgart zum vierten Mal verloren. Diesmal vor allem im zweiten Satz ziemlich glatt mit 4:6, 1:6 gegen Jelena Ostapenko.

Der schnittige Sportwagen geht daher neben der Prämie von rund 125 000 Euro für den Turniersieg nach Lettland, der Heimat von Ostapenko, die nicht nur im Finale bewies, dass Tennis zu einem hohen Grad von der mentalen Komponente entschieden wird. Denn während die klar favorisierte Sabalenka, die gegen ihre Gegnerin zuvor noch nie verloren hatte, spätestens im zweiten Satz mit sich, ihren Schlägen und der Tenniswelt zu hadern begann – und einen Schläger wütend zertrümmerte, blieb ihre Gegnerin Jelena Ostapenko, als Nummer 24 der Weltrangliste der klare Underdog, stets voll fokussiert.

So tat die Lettin, die 2017 als erste ungesetzte Spielerin die French Open gewonnen hatte, auf dem Court vor mit 4200 Fans ausverkauftem Haus zwar nichts außergewöhnlich Spektakuläres. Vielmehr schaufelte sich die 27-Jährige konstant und unbeirrbar durch das Finale. Mal spielte sie druckvolle Longline-Bälle, mal cross gegen die Laufrichtung ihrer Gegnerin – und obendrein garnierte sie ihr Spiel mit einem Ass, wenn es nötig war. Dazu der Schuss Lockerheit, der sie schon zum Sieg über Iga Swiatek, die Nummer zwei der Welt, getragen hatte.

„Es ist ein unheimlich schönes Gefühl, hier gesiegt zu haben. Und das auch noch gegen Aryna, sie ist ein Champion. Ich wusste, dass hier etwas Großes passieren kann“, sagte Jelena Ostapenko, die bei ihren früheren Teilnahmen in Stuttgart nie über das Viertelfinale hinausgekommen war. Nun durfte sie das Siegerauto von der Bühne fahren – und verriet: „Ich fahre gerne schnell.“

Während Ostapenko aus dem 630 PS starken Porsche Macan Turbo mit E-Antrieb und der Sonderlackierung Papayametallic winkte, durften sich auch die Macher des Turniers über eine gelungene Veranstaltung freuen. 33 000 Fans kamen an den sieben Spieltagen des Hauptfeldes in die Arena – und sahen zwar einige Favoritinnen-Stürze, wie jenen der zweifachen Stuttgart-Siegerin Iga Swiatek oder der beiden US-Girls Jessica Pegula und Coco Gauff, doch unter dem Strich standen fünf Spielerinnen der Top 6 im Viertelfinale des Tennis Grand Prix 2025. „Das ist gehobenes Grand-Slam-Niveau“, sagte der Turnierdirektor Markus Günthardt.

Also wird es auch in Zukunft weitergehen mit Spitzentennis im Neckarpark. Schließlich ist die Firma Porsche der Inhaber der Turnier-Lizenz auf der WTA-Tour – und hegt keine Absichten, mit ihrem Erfolgsturnier aus dem Frauentennis auszusteigen, in das man ja seit 1978 als Sponsor involviert ist. „Die ganze Vorstandschaft war da, die jetzt weitergereist ist nach China zur Schanghai Automesse“, erzählt Günthardt, 67, der wie seine Sportliche Leiterin Anke Huber, 50, nicht ans Aufhören denkt.

„Mir macht die Aufgabe sehr viel Spaß“, sagt Günthardt. Schließlich dient das Turnier auch als gesellschaftlicher Treffpunkt zur Kontaktpflege. 3300 Personen wurden in Summe im VIP-Raum bewirtet. Darunter auch der VfB-Vorstandschef Alexander Wehrle, der sich nach dem 4:4-Spektakel bei Union Berlin das Finale des Porsche Tennis Grand Prix nicht entgehen ließ. Aufgerundete 30 000 Euro an Spenden gingen durch die Aktion „100 Euro für ein Ass“ an soziale Einrichtungen.

„Wir sind sehr happy mit dem Turnierverlauf und stolz, dass wir fünf deutsche Spielerinnen im Hauptfeld präsentieren konnten“, sagte Anke Huber zur sportlichen Komponente. Allerdings musste sie ihre sämtlichen vier Wildcards einsetzen, um die deutsche Note hochzuhalten. Zudem schlüpfte Ella Seidel als „Lucky Loserin“ der Qualifikation ins Hauptfeld.

„Wenn du eine lokale Heldin hast, dann ist das von der Stimmung her natürlich noch mal eine ganz andere Nummer“, sagt Günthardt – und denkt an die Zeit zurück, als mit Julia Görges, zweimal Angelique Kerber und Laura Siegemund vier deutsche Spielerinnen den Titel holten. Eine erste nationale Delle hatte es gegeben, als nach dem zweiten Turniersieg von Anke Huber 1994 lange nichts mehr kam. „So ein Tal erleben wir jetzt wieder“, sagt Huber. Doch die ehemalige Nummer vier der Welt ist sich sicher, dass „wir im deutschen Frauentennis bald wieder bessere Zeiten erleben. Das Potenzial dazu ist da.“

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Erstellt:
21. April 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
21. April 2025, 23:56 Uhr

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