Die Narren sind los in Murrhardt
42 Narrengruppen ziehen beim 14. Murrhardter Nachtumzug durch die Innenstadt. Am oberen Tor, auf dem Marktplatz und am alten Gasthof Sonne-Post kündigen zwei Sprecherinnen und ein Sprecher sie an, erklären Häs und Narrenrufe.
Von Melanie Maier
Murrhardt. Ob sie aufgeregt ist? Ach was. „Vielleicht kommt’s noch“, sagt Diana Spreu und lächelt. Danach sieht es jedoch nicht aus. Die Zunftmeisterin der Murreder Henderwäldler wirkt an diesem Abend ganz entspannt. Und das, obwohl sie in wenigen Minuten vor Hunderten von Zuschauern und Zuschauerinnen den 14. Murrhardter Nachtumzug kommentieren wird. Insgesamt zwei Sprecherinnen und ein Sprecher werden das wilde Narrentreiben begleiten: Diana Spreu am Marktplatz, Julia Kugler am oberen Tor und Christian Schweizer an der alten Gaststätte Sonne-Post. Ihre Aufgabe wird es sein, die Narrengruppen anzusagen, besondere Figuren oder das Narrenhäs zu erklären und mit dem Publikum Hexen, Hansel und Guggenmusiker anzufeuern.
Doch wie wird man eigentlich Ansager oder Ansagerin bei einem Narrenumzug? Als Zunftrat Jugend gehöre das einfach zu ihren Aufgaben, erklärt Julia Kugler, die – wie auch Diana Spreu – das blau-grüne Häs der Wasserfratzen trägt. Die 25-Jährige ist von klein auf bei den Murreder Henderwäldlern. 2023 hat sie den Nachtumzug zum ersten Mal kommentiert. „Das war okay“, sagt sie. „Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse.“ Die größte Schwierigkeit im vergangenen Jahr sei der Regen gewesen. Die Zettel mit den Informationen zu den Narrengruppen waren irgendwann durchgeweicht und nicht mehr zu gebrauchen. „Wir haben dazugelernt“, sagt Julia Kugler und klappt die schwarze Mappe in ihrer Hand auf. Die Blätter darin stecken in Klarsichtfolien. Unkaputtbar.
Diana Spreu ist für eine Kollegin eingesprungen, die krankheitsbedingt ausfällt. Für sie ist es die Ansagerinnenpremiere in Murrhardt – als Zunftmeisterin läuft sie normalerweise vorne mit. Als dreimalige Landesnarrensprecherin fällt ihr der Job aber leicht. Das Wichtigste sei, die Namen und Rufe der Gruppen richtig anzusagen, so die 43-Jährige aus Welzheim, die bereits seit 25 Jahren wegen ihrer Schwiegermutter und ihres Mannes bei den Henderwäldlern ist. „Am schwierigsten ist die Aussprache, weil viele Namen und Rufe auf Schwäbisch sind“, erklärt Diana Spreu. Vor allem, wenn man sie vorher noch nie gehört habe.
Auf den Eintrittskarten sind die Namen und Rufe der Narrengruppen abgedruckt
Das bestätigt ein Blick auf die „Krawatte“: Auf der Innenseite der fast unterarmlangen Eintrittskarten sind die Namen der Zünfte und ihre Rufe abgedruckt. Damit können die Zuschauerinnen und Zuschauer gleich mitrufen. Aber wie spricht man Scafhusa Hoga aus? Oder Arnegger Weethexen? „Ganz peinlich wird’s, wenn man bei einem Karnevalistenumzug als Ansager die Namen des Prinzenpaars vergisst“, sagt Diana Spreu. So etwas sei in Murrhardt aber noch nie passiert.
Nachtumzug in Murrhardt 2024
Die Narren sind los am Samstagabend in Murrhardt! Der Abend startet mit einem ökumenischen Gottesdienst. Der Umzug durch die Innenstadt beginnt einige Minuten nach dem geplanten Start um 19.11 Uhr. Insgesamt 42 Gruppen ziehen durch die Straßen und über den Marktplatz.
Auch sie hält eine schwarze Mappe mit Informationen zu den Narrenzünften in der Hand. Alle Gruppen, die beim Nachtumzug mitmachen wollen, müssen schon bei der Anmeldung einige Daten angeben. „Damit kann eigentlich nichts schiefgehen“, sagt Julia Kugler. Angst davor, etwas falsch zu machen, haben die beiden Frauen nicht. „Wenn man etwas nicht mehr weiß, kann man auch den Narren selbst das Mikrofon in die Hand geben“, sagt Diana Spreu. Auch dass sie heiser werden könnten oder die Stimme versagt, befürchten die zwei Frauen nicht. „Dafür haben wir ja das Mikrofon.“ Auf den Abend bereiten sie sich auch nicht wirklich vor. „Einen Text einzuüben macht keinen Sinn, weil es darauf ankommt, wie das Publikum reagiert“, erklärt Julia Kugler. Jede schaut für sich die Angaben durch, „dann muss es laufen“. Außerdem mache das Ganze ja auch Spaß, fügt sie hinzu, „vor allem, wenn die Leute gut mitmachen“.
Um kurz nach 19 Uhr verabschieden sich die beiden. Diana Spreu macht sich auf den Weg zum Marktplatz, Julia Kugler klettert auf die Mauer des Brunnens vor der Kreissparkasse. Sie blättert noch einmal durch ihre Mappe. Die laute Musik aus dem Verpflegungszelt verstummt. Um 19.11 Uhr soll der Umzug beginnen. Julia Kugler spricht ins Mikrofon – das aber bleibt stumm. Statt der Worte der Ansagerin sind aus der Ferne schon erste „Narri – Narro“-Rufe zu hören. Julia Kugler bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal nach der Technik zu schauen. Ein Glück, dass der diesjährige Nachtumzug mit einer kurzen Verspätung beginnt. Bald darauf ist die Ansagerin zurück. „So, der Zug ist gestartet und ich heiße Sie alle recht herzlich willkommen“, ruft sie.
Von ihrer erhöhten Position aus hat sie einen guten Blick auf das Geschehen. Die Gruppen tragen jeweils ein Schild mit ihrer Laufnummer – Julia Kugler und Diana Spreu profitieren dennoch davon, dass sie Vorstandsmitglieder der Henderwäldler sind und im Landesverband sitzen. Dadurch kennen sie viele Narrenzünfte schon.
Von beiden Straßenseiten schallt es „Narro“ zurück
Mit den Narreneltern, Wasserfratzen, Feuerbarthln und Tannenzapfengurglern, dem Hexenturmweible, dem Hotz und dem Nachtkrabb führen die Murrhardter den Nachtumzug an. Ihr Ruf lautet schlicht „Narri – Narro“ – ein Selbstläufer für Julia Kugler. Die Närrinnen und Narren rufen „Narri“ ins Publikum, von beiden Straßenseiten schallt es „Narro“ zurück.
Weiter geht es mit der ersten Guggenmusikgruppe, den Gässlesfetzer Murr. Julia Kuglers Stimme geht neben den Trommeln, Posaunen und Trompeten etwas unter. Am besten zu hören ist sie direkt neben den Lautsprecherboxen am Verpflegungszelt. Gruppe um Gruppe, Zunft um Zunft stellt die Ansagerin vor und animiert die Menge zum Mitrufen der Narrenrufe. „Ich rufe ‚Wal‘, ihr ruft ‚Halla‘“, fordert sie etwa bei den „Wilde Hörner“, einer Wikingergruppe. „Wal“ – „Halla“ – „Wal“ – „Halla“ – „Wal“ – „Halla“. Läuft. Nicht ganz so gut klappt das Zusammenspiel bei den langen Rufen. Zum Beispiel bei der Freien Narrenzunft Kernen im Remstal, deren Spruch „Dran, drüber, drauf – der Alptraum nimmt seinen Lauf“ nicht ganz so eingängig ist. Julia Kugler lässt sich davon nicht beirren. Sie wippt zur Musik der Guggenmusiken im Takt, wirft ab und zu einen Blick in ihre Mappe. „Das geht noch lauter!“, feuert sie das Publikum immer wieder an.
Auch Diana Spreu macht am Marktplatz Stimmung. Die ist bestens in den letzten Umzugsminuten. „Nein, das ist jetzt nicht die Kehrmaschine, die den Umzug beendet, es ist das Team Munero Ready2Rallye“, kündigt sie die abschließende Gruppe 42 an. Mit allen Narrenrufen der Murreder Henderwäldler schließt sie den Umzug: jeweils dreimal „Narri – Narro“, „Wasser – Fratzen“, „Feuer – Barthl“ und „Hei Hotz“. Dann ist der Ansagerinnenjob getan.