Krieg in der Ukraine
Die Nato wehrt sich gegen Russlands hybride Angriffe
Bei einem Treffen in Brüssel verständigt sich die Allianz auf ein Maßnahmenpaket gegen „feindliche Aktivitäten“.
Von Knut Krohn
Russland führt einen hybriden Krieg gegen den Westen. Gegen diese Angriffe wird die Nato in Zukunft verschärft vorgehen. Das haben die Außenminister der Allianz am Mittwoch beschlossen. Nato-Generalsekretär Mark Rutte bestätigte nach dem Treffen in Brüssel, dass die Staaten sich auf ein entsprechendes Maßnahmenpaket gegen „feindliche Aktivitäten“ verständigt hätten. Konkret nannte er einen „verstärkten nachrichtendienstlichen Austausch, mehr Übungen, einen besseren Schutz kritischer Infrastruktur, eine verbesserte Cyberabwehr und ein härteres Vorgehen gegen Russlands Schattenflotte von Ölexportschiffen.“
Russland dreht Wien den Gas-Hahn zu
Mit hybriden Angriffen sind verdeckte Attacken staatlicher oder nicht-staatlicher Akteure gemeint, die oft nicht aufgeklärt werden können. Neben Sabotage-Akten umfasst die verdeckte russische Kriegsführung laut Nato-Generalsekretär Rutte auch Hackerangriffe und Erpressung mit russischen Öl- und Erdgaslieferungen, von denen einige Nato-Länder weiter abhängig sind. Zuletzt hatte Russland Österreich den Gashahn abgedreht.
Ein lange unterschätztes Problem sei, so erklären Nato-Experten, dass man sich im Westen daran gewöhnt habe, dass die hybriden Angriffe stetig intensiver und häufiger werden. Aus diesem Grund habe die Allianz zu lange nicht angemessen auf diese hybride Bedrohung reagiert. Das soll sich nun ändern und die Nato-Staaten wollen die neue Strategie gegen hybride Angriffe bei ihrem Gipfel in Den Haag im kommenden Juni besiegeln.
Besonders anfällige Infrastruktur in Europa
Als besonders anfällig für Sabotageakte betrachtet die Nato die Infrastruktur unter Wasser. Das haben auch Zwischenfälle in den vergangenen Monaten immer wieder gezeigt. Zuletzt hatten Schäden an Unterwasser-Datenkabeln in der Ostsee für Aufsehen gesorgt, unter anderem zwischen Deutschland und Finnland. Auf dem Meeresboden rund um Europa liegen wichtige Gas-, Öl- und Datenleitungen von einer Länge von über einer Million Kilometer. Russland hat nach Informationen der Nato bereits vor vielen Jahren damit begonnen, diese Leitungen auch mit ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen genau zu kartieren. Problematisch ist aus Sicht der Allianz, dass in diesem Fall ein Ungleichgewicht in der Verwundbarkeit herrscht, weil Russland bei weitem nicht in dem Maße auf solche Infrastruktur angewiesen ist wie die Alliierten.
Auch deshalb forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei dem Nato-Treffen in Brüssel eine verstärkte Zusammenarbeit, um verdeckte Angriffe etwa im Ostseeraum abzuwehren. Der russische Präsident Wladimir Putin baue in der Ostsee-Region „mit Unterstützung von anderen seine hybriden Angriffe auf die europäische Friedensordnung weiter aus“, sagte Baerbock nach einem Gespräch mit den Außenministern baltischer und nordischer Nato-Länder.
Russland ist auch eine Gefahr für die Demokratie
Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky betonte am Rande des Treffens in Brüssel, alleine in diesem Jahr habe es 500 verdächtige Vorfälle in Europa gegeben. Bis zu 100 könnten Russland zugeschrieben werden, darunter hybride Angriffe, Spionage und andere Einfluss-Operationen. „Wir müssen ein starkes Signal an Moskau senden, dass dies nicht länger toleriert wird“, erklärte Lipavsky.
Wladimir Putin ziele mit seinen Angriffen aber nicht nur auf die Versorgungsinfrastruktur, betonte die deutsche Außenministerin. Sein Ziel sei es, die demokratischen Gesellschaften Europas ins Wanken bringen. Zu diesem Zweck sollen Trolle im Internet auch über Fakenews Zweifel bei den Bürgern sähen. Das befürchtet Baerbock offensichtlich auch für die Bundestagswahl am 23. Februar. Der Kremlherrscher versuche, Themen wie Rente oder Kindergeld „gegen unsere Ukraine-Unterstützung auszuspielen“, sagte sie.
Auf die Möglichkeit der Beeinflussung von Wahlen durch Russland wurde bei dem Nato-Treffen in Brüssel immer wieder hingewiesen. Es müsse damit gerechnet werden, dass Russland angesichts der labilen politischen Zustände auch in einigen EU-Staaten ein groß angelegtes Programm startet. Dabei könnte wie zuletzt in Moldau auf die Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen, auf Cyberattacken oder Stimmenkäufe gesetzt werden.