Die Welt zu Gast bei der Meisterkursfamilie
Bei der Internationalen Klavierakademie finden sich Pianistinnen und Pianisten aus verschiedensten Ländern der Erde in Murrhardt ein. Maria Litsoukov (Deutschland), Julio Goulart Pasquali (Brasilien) und Arda Arman (Türkei) erzählen von ihrem Weg zur Musik und wie sie die Kurse erleben.

© Stefan Bossow
Julio Goulart Pasquali, Maria Litsoukov und Arda Arman (von links) sind in Brasilien, Deutschland und der Türkei groß geworden. Sie verbindet, dass sie erst Geige gespielt, dann aber zum Klavier gefunden haben. Bei den Meisterkursen in Murrhardt genießen sie die Arbeit mit den Dozenten und den Austausch untereinander. Foto: Stefan Bossow
Von Christine Schick
Murrhardt. Der Name ist Programm: Die Internationale Klavierakademie in Murrhardt eröffnet Menschen, die sich dem Piano verschrieben haben, die Möglichkeit, sich intensiv mit Werken und ihrem Spiel auseinanderzusetzen, – und diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus der ganzen Welt. Dieses Jahr besuchen 32 Pianistinnen und Pianisten aus zwölf Nationen die Meisterkurse und mit der Herkunft sind oft auch unterschiedliche Lebenswege verbunden. Stellvertretend für die vielen werfen Maria Litsoukov (Deutschland), Julio Goulart Pasquali (Brasilien) und Arda Arman (Türkei) ein paar Schlaglichter auf ihre Geschichte.
Aus dem brasilianischen São Paulo, einer der bevölkerungsreichsten Städte der Welt, kommt Julio Goulart Pasquali. Dort studiert der 24-Jährige auch an der Musikhochschule Klavier. Dass er bei den Meisterkursen in Murrhardt dabei und dafür so weit gereist ist, hat mehrere Gründe. Deutschland ist für ihn seit seinem Jahr als Austauschschüler in Berlin kein unbekanntes Terrain mehr. „Ich wollte nach Deutschland kommen, um möglichst viele Freunde zu treffen, aber nicht nur Urlaub machen, sondern die Reise auch noch mit etwas Nützlichem verbinden“, erzählt er. So nutzt er nun die Chance, bei den drei „Superprofessoren“ in den Meisterkursen dabei zu sein.
Ein Brasilianer mit einem Faible für historische Instrumente und Spielkunst
Bei Akademieleiter Christian A. Pohl und Jacques Rouvier war er bereits im Unterricht, noch auf der Liste steht Markus Groh. „Das Niveau ist hoch“, sagt er und dass die Arbeit ihn inspiriere. Ursprünglich hat Julio Goulart Pasquali mit Geigenunterricht begonnen, ist dann aber aufs Klavier umgestiegen. Sein damaliger Lehrer, ein Barockgeiger, gab ihm noch ein gewisses Erbe mit – die Beschäftigung mit alter Musik und das Spiel auf historischen Instrumenten. „Mein Hauptinstrument wird immer das moderne Klavier sein, aber es macht mir viel Spaß, auf ein historisches Instrument zu wechseln“, sagt er. Der Kontrast zwischen dem Spiel auf einem Hammerflügel, der aus der Zeit Mozarts oder Beethovens stammt, und dem auf einem heutigen Klavier eröffnet ihm einen zusätzlichen Erfahrungskosmos. Was wird vom Instrument beeinflusst? Was von den musikalischen Gedanken lässt sich trotzdem auf ein modernes Instrument übertragen? Was heißt das für die Spielpraxis?
Letztere ist für ihn das A und O seiner Berufung. „Beim Üben lernt man immer was Neues.“ An der Akademie schätzt er, dass zwar alle danach streben, ihr Bestes zu geben, all dies aber trotzdem in einem entspannten Ambiente stattfindet, „mit Freude und nicht mit Druck“. Dabei hat der Brasilianer vergleichsweise spät mit dem gezielten Unterricht – mit 14 Jahren – angefangen. Mittlerweile ist er im vierten Studienjahr und möchte noch ein Masterstudium anschließen. Seine Eltern – beide Mediziner – haben ihn dabei immer unterstützt. „Auch wenn sie kein Instrument spielen, lieben sie die Musik.“ Mit Blick auf Brasilien sagt er, dass es im Land natürlich große Ungleichheit gebe, gleichzeitig aber staatliche Hochschulen ohne Gebühren, an denen auch junge Menschen mit finanziell bescheideneren Möglichkeiten studieren könnten.
Als Zweitjüngste des diesjährigen Meisterkurses verfolgt Maria Litsoukov aus Radebeul bei Dresden gespannt, wie die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Studium gekommen sind und wie das Zusammenspiel auf den verschiedenen Ebenen bei der Ausbildung funktioniert. Die 17-Jährige macht nächstes Jahr Abitur und ist in die Nachwuchsförderklasse bei Christian A. Pohl an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig aufgenommen worden.
Schon als Knirps von der Mutter
in Geige und Klavier unterrichtet
Dass sie bereits als Vierjährige mit dem Unterricht begonnen hat, kommt nicht von ungefähr. Sie stammt aus einer Musikerfamilie mit russisch-japanischem Hintergrund und ihre Mutter übernahm die ersten Ausbildungsschritte, hat sie zuerst in Geige, dann in Klavier unterrichtet. Als Linkshänderin wurde sie mit der Violine nicht richtig warm. Doch auch ein Flügel stand zu Hause und zu ihm entwickelte sie ein ganz anderes Verhältnis. Ihr Ziel ist es, nach ihrem Abitur Klavier zu studieren. „Eigentlich hat die Schule bei uns schon begonnen“, sagt sie. Nun hat sie also (erst mal nur) Klavierunterricht, bei dem sie auch interessiert lauscht, weil der je nach Konstellation auch ganz unterschiedlich ablaufe. Sie hebt die gute Atmosphäre und das freundliche Miteinander bei den Meisterkursen hervor und dass sich auch über das Klavierspiel hinaus, sprich über die Begegnungen und den Austausch noch viel mitnehmen lasse.
Das dürfte auch Arda Arman freuen. Der 24-jährige Pianist mit türkischen Wurzeln studiert nämlich nicht nur bei Christian A. Pohl, sondern ist dieses Jahr auch mit im Team, das die Internationale Klavierakademie in der Walterichstadt organisiert.
Wenn sich in der Unterrichtssituation plötzlich ein Schalter umlegt
Insofern ist er Ansprechpartner und Mittler für die Studentinnen und Studenten genauso wie Teilnehmer. Die ersten Tage hieß es, sich vor allem organisatorischen Dingen zu widmen, nun kann auch er den Unterricht der Professoren besuchen und ist gespannt auf die gemeinsame Arbeit. Dabei spiegeln sich unterschiedliche Vorstellungen zu Werk und dessen Umsetzung wider, erläutert er. Wichtig ist ihm, die Einschätzungen der verschiedenen Dozenten vergleichen zu können. „Die Aussagen klingen manchmal vielleicht sogar ähnlich, aber es gibt Momente, in denen ich einen ganz bestimmten Aspekt dann plötzlich verstehe“, beschreibt er solch ein Aha-Erlebnis, bei dem sich der Schalter umlegt, weil die Perspektive etwas anders ausfällt. „Und ich frage mich: Was hat diejenige oder derjenige jetzt anders gemacht?“
Arda Arman hat ebenfalls in jungen Jahren, im Kindergartenalter, mit dem Geigenunterricht begonnen, aber sein Lehrer wollte, dass er es auch mit dem Klavier versucht. Später merkte er, dass es die richtige Wahl war – das Piano eröffnet die Möglichkeit, mit verschiedenen Stimmen und großem Klangvolumen zu arbeiten. In Istanbul, wo er aufwuchs, ging er ins staatliche Konservatorium und musste früh – in der neunten Klasse – entscheiden, ob er eine musikalische Laufbahn zugunsten einer breiteren Schulausbildung einschlagen will, was im anders ausgerichteten türkischen Bildungssystem begründet liegt. „Wir haben in der Familie darüber intensiv diskutiert, als ich etwa 13 Jahre alt war.“ Arman ging diesen Weg, machte sich nach seinem Abschluss kundig, wo er Musik studieren kann, und traf dabei auf Christian A. Pohl. „Ich habe recherchiert, Universitäten angeschrieben und er war einer derer, die zurückgeschrieben haben.“ Mit 18 Jahren kam er nach Leipzig, um in der Nachwuchsförderklasse zu starten, mittlerweile ist der Bachelorabschluss in greifbare Nähe gerückt. Dass er seinen Master anschließen will, sei klar, nur beim Schwerpunkt müsse er noch überlegen. Die breite Ausrichtung des bisherigen Studiums mit künstlerischen und pädagogischen Bereichen hat er als sehr wertvoll erlebt.
Austausch über die Musik
und familiäres Zusammensein
Die Internationale Klavierakademie ist für ihn deshalb so besonders, weil nicht nur Menschen aus so vielen verschiedenen Herkunftsländern zusammenkommen, sondern auch mit so vielen unterschiedlichen pianistischen Hintergründen – beispielsweise auch jenseits eines klassisch-musikalischen Werdegangs. Aus diesem Grund sollte ebenso der persönliche Austausch nicht zu kurz kommen. „Während der zehn Tage wohnen, leben und arbeiten wir hier zusammen wie in einer großen Familie.“