Bernhard Vogel tot

Die Wiedervereinigung in Person

Der Christdemokrat Bernhard Vogel hat als einziger deutscher Politiker in zwei Bundesländern regiert. Jetzt starb er im Alter von 92 Jahren.

Der frühere Ministerpräsident Bernhard Vogel (1932 bis 2025)

© AFP/Patrik Stollarz

Der frühere Ministerpräsident Bernhard Vogel (1932 bis 2025)

Von Armin Käfer

Der schönste Abend im Leben von Bernhard Vogel war am 12. September 1999. Da hat er für die CDU eine absolute Mehrheit in Thüringen errungen und wurde zum siebten Mal Ministerpräsident. Später relativierte er die Erinnerung an den Zenit seines politischen Werdegangs: „Absolute Mehrheiten sind am Abend, an dem man sie gewinnt, eine ungewöhnlich schöne Sache. Vom Tag danach an sind sie eine ungewöhnlich schwierige Sache. Denn von diesem Tag an fällt im ganzen Land kein Ziegel mehr von einem Dach, ohne dass du selbst daran schuld bist.“ Vogel war 23 Jahre lang Ministerpräsident – und das gleich in zwei Bundesländern. Am Sonntag ist er im Alter von 92 Jahren gestorben.

Dieser Mann war im besten Sinne ein Unikum des politischen Betriebs: Kein anderer hat in zwei verschiedenen Ländern regiert, 1976 bis 1988 in Rheinland-Pfalz und danach von 1992 bis 2003 in Thüringen – so verkörperte Vogel höchstpersönlich das Zusammenwachsen von Ost und West nach der deutschen Wiedervereinigung.

Einzigartig ist auch der Umstand, dass seiner in Bayern beheimateten Familie gleich zwei politisch talentierte Söhne entstammen. Bernhard Vogels älterer Bruder Hans-Jochen, der 2020 starb, war Bundesminister in verschiedenen Ressorts, Regierender Bürgermeister in Berlin, 1983 Kanzlerkandidat und von 1987 bis 1991 als Nachfolger Willy Brandts SPD-Vorsitzender. Die beiden, so der jetzt Verstorbene, waren „im politischen Alltag oft unterschiedlicher Meinung, aber in unserer demokratischen Grundüberzeugung immer einen Sinnes“.

Vogel hat in der alten Kohl-CDU gegen Helmut Kohls Willen Karriere gemacht. Der hatte nach seinem Wechsel von Mainz nach Bonn eigentlich Heiner Geißler als Nachfolger im Amt des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten favorisiert. Vogel setzte sich in einem heftigen Konkurrenzkampf durch – wobei die beiden befreundet waren. Der Wettbewerb um die Macht habe ihre Freundschaft aber „nie infrage gestellt“ versicherte Vogel. Sie habe bis zu Geißlers Tod im Jahre 2017 fortbestanden.

Die Vogel-Ära in Rheinland-Pfalz endete mit einer Art parteiinternem Putsch. Sein Nachfolger Carl-Ludwig Wagner hielt sich aber nur drei Jahre im Amt, nachdem die CDU zuvor 45 Jahre lang regiert hatte. Seitdem ist sie dort in die Opposition verbannt. Es war für Vogel durchaus ein Motiv, vier Jahre nach seinem unrühmlichen Ende in Mainz es noch einmal als Ministerpräsident zu versuchen, um den „dussligen CDU-Leuten von Rheinland-Pfalz“ (wie er selbst sagte) zu beweisen, dass sie den Falschen abserviert hatten. Auch beim zweiten Mal war er nicht Helmut Kohls erste Wahl.

Ursprünglich wollte Vogel Professor werden. Er hatte Politikwissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft studiert. Sein Doktorvater war Dolf Sternberger, Erfinder des Verfassungspatriotismus, dem Vogel sich zeitlebens verpflichtet fühlte. Das politische Grundwissen hatte ihm allerdings sein Bruder Hans-Jochen schon als Schulbub eingepaukt: Für jede richtige Antwort auf Fragen zu den jeweils wichtigsten Ereignissen der Zeit gab es 50 Pfennig Belohnung.

Vogel bleibt als stets freundlich zugewandter Gesprächspartner in Erinnerung, bodenständig, aber nie engstirnig oder gar provinziell. Er war tiefgläubig, aber nicht bigott. Zu seinem Vermächtnis gehört ein Satz, der den überzogenen Erwartungen an den Staat widerspricht, aus der sich die sogenannte Politikverdrossenheit nährt, die gegenwärtig groß in Mode ist. Vogel formulierte dieses Bekenntnis in einem seiner letzten großen Interviews: „Politik ist die Kunst des Möglichen, nicht des Unmöglichen.“

Zum Artikel

Erstellt:
3. März 2025, 16:08 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen