Neues Fahrzeug
Dieses E-Auto ist Mercedes heilig – Franziskus fährt jetzt G-Klasse
Konzern-Chef Ola Källenius hat Papst Franziskus ein ganz besonderes G-Klassen Modell übergeben. Es ist die erste vollelektrische Mercedes- Variante eines Papamobils. Dieses besondere Fahrzeug bezieht der Vatikan schon seit 95 Jahren vom Stuttgarter Hersteller.
Von Peter Stolterfoht
Es gibt wohl kein anderes Autokennzeichen, das mehr Menschen mit eigenen Augen gesehen haben als dieses: SCV 1. Die Buchstaben stehen für Stato della Città del Vaticano und bedeuten übersetzt Vatikanstadt-Staat. Die „1“ gehört dann natürlich zum Oberhaupt der katholischen Kirche, dem Papst. Womit der Code des Papamobils geknackt ist, den so viele Millionen schon live gesehen haben. Dann, wenn sich der Audienzwagen im Schritttempo seinen Weg durch die Menschmassen bahnt.
Im italienischen Volksmund heißt SCV aber auch „Se christo vedesse“, übersetzt: „Wenn Christus das sähe“. Dann würde er an diesem Mittwoch neben Papst Franziskus vor dem Petersdom in Rom auch den Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius erkennen sowie seine für Marketing und Vertrieb zuständige Vorstandskollegin Britta Seeger.
Die Untertürkheimer Delegation händigte dem Papst sein neues Papamobil aus, das erstmals ein vollelektrischer Mercedes-Benz ist.
Schwarzer beziehungsweise weißer Rauch wird bei der Wahl eines neuen Papstes auch weiterhin aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle steigen. Dagegen kommt überhaupt kein Rauch mehr aus dem Auspuff des päpstlichen Wagens.
Dreiländer-Team von Mercedes arbeit am Unikat für den Papst
Die neue Variante des berühmtesten Dienstfahrzeugs der Welt basiert auf einer elektrischen G-Klasse, das an Mercedes-Standorten in Italien, Österreich und Deutschland und als Unikat entwickelt und danach gefertigt worden ist. Ein Auto also, das zur internationalen Luxusstrategie von Mercedes-Chef Ola Källenius passt, aber gleichzeitig auch auf die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus zur Notwendigkeit nachhaltiger Entwicklung einzahlt. Mit dem neuen Papamobil wird er dann pünktlich 2025 zum Heiligen Jahr, ein Anlass, der nur viermal in einem Jahrhundert gefeiert wird, emissionsfrei unterwegs sein.
Rund ein Jahr lang hatten Spezialistinnen und Spezialisten zusammengewirkt. Die Projektsteuerung lag dabei in Rom. In Graz entstand der elektrische Antriebsstrang, während Karosserie, Innen- und päpstliche Individualausstattung in Sindelfingen gefertigt wurden. Vertreter dieses Dreiländer-Teams waren ebenfalls zur Mercedes-Privataudienz des Papstes im Rahmen der Fahrzeugübergabe eingeladen worden.
„Wir bauen den perfekten Mercedes für jeden Kunden – auch für den Vatikan“, so Britta Seeger. „Wir freuen uns, den Wunsch des Heiligen Vaters nach einem elektrischen Papamobil erfüllen zu dürfen und sind besonders stolz, das Fahrzeug nach seinen Wünschen und Bedürfnissen angefertigt zu haben.“ Keine Auskunft gibt Mercedes dagegen über die Kosten des Fahrzeugs und wer sie am Ende trägt. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie im Werbeetat des Konzerns schon verbucht sind – als Geschenk, und das hat Tradition.
Das erste Papamobil gab es 1930 von Mercedes
Dieser heilige G-Klassen-Export ist das neueste Kapitel der päpstlichen Mercedes-Geschichte, die bis ins Jahr 1930 zurückreicht und mit einem Präsent begann. Papst Pius XI. erhielt vor bald 95 Jahren einen Benz vom Typ Nürburg 460. Ob man sich davon eine segensreiche Zukunft für das Unternehmen erhoffte, oder schon damals mit dieser weltbekannten Persönlichkeit als Testimonial einen PR-Coup landen wollte, lässt sich heute nicht mehr abschließend klären. Weshalb eine Mischung aus beiden Überlegungen am wahrscheinlichsten erscheint.
Papst Pius war von diesem Geschenk jedenfalls begeistert und hat nach der ersten Fahrt durch die vatikanischen Gärten von einem „Wunderwerk der Technik“ geschwärmt. Das geht jedenfalls aus den sehr akribisch angestellten Recherchen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Konzernarchivs hervor.
Bei Auslandsreisen darf es für den Papst auch eine andere Marke sein
Das war der Beginn einer engen Beziehung zwischen Vatikan und dem Stuttgarter Autobauer, die bis heute besteht. Thomas Pospiech nennt Mercedes den „Haus- und Hoflieferanten des Papstes“. Der Autor beleuchtet dieses spezielle Verhältnis in seinem umfassenden Buch über die Geschichte des Automobils.
Zwischen dem Typ Nürburg und dem aktuellen Modell liegt eine kleine Markengeschichte von Mercedes-Benz. Das erste Papamobil nach dem Zweiten Weltkrieg war ein 300d, der sogenannte Adenauer-Mercedes. Diese umgebaute Staatskarosse erhielt Johannes XXIII. im Jahr 1960. Einen Landaulet, ein geschlossenes Fahrzeug mit Faltverdeck, wurde auch 1965 an Paul VI. übergeben – ein Mercedes 600. In den beiden nächsten Jahren folgten dann gleich drei Fahrzeuge vom Typ 300 SEL der Baureihe 109.
Ewige Treue haben die katholischen Kirchoberhäupter der Marke mit dem Stern aber nicht geschworen. Auf Auslandsreisen ist es Usus, dass der Papst, wenn möglich, in Autos einheimischer Hersteller chauffiert wird. So wurde beispielsweise in den USA 1979 ein Lincoln zum Papamobil, 1982 ein Land Rover in England oder 2019 beim Aufenthalt in Japan ein Toyota mit Wasserstoffantrieb. Und natürlich war auch schon ein Fiat das auserwählte Fahrzeug, das beim Brasilien-Besuch 2013 im Einsatz war.
Das Attentat auf den Papst 1981 und die Folgen
Zu einer Neuerung und einem Schreckensmoment in der Beziehung zwischen dem Vatikan und Mercedes kam es zu Beginn der Achtzigerjahre. 1980 erhielt der Papst erstmals keine Limousine oder Landaulet mehr, stattdessen wurde ein Geländewagen zum Papamobil. Vorteil: In der Sonderanfertigung des Mercedes G 230 war der Papst auf dem Thronsessel hinter der Panzerglaskuppel gut zu sehen. Dieser Aufbau mit Scheibenwischer und Beleuchtung ließ sich auch abnehmen, damit der Heilige Vater auch die vielen Händen schütteln konnte, die sich ihm entgegen streckten.
Das nutzte 1981 der türkische Extremist Ali Agca, um ein Attentat auf Johannes Paul II. zu verüben, der von Schüssen schwer verletzt überlebte. Ein Ereignis, das zu einem Mythos wurde, nachdem Johannes Paul II. seine Rettung der Jungfrau Maria zugeschrieben hatte. Seitdem fährt das Papamobil wieder geschlossen.
2002 ließ Johannes Paul II. anlässlich der Übergabe der M-Klasse eine Bitte über die Medien verbreiten. Das Fahrzeug solle doch nicht mehr „Papamobil“ genannt werden. Dies sei der Würde des Wagens nicht angemessen. Dieser Wunsch konnte dem Papst aber nicht erfüllt werden.