Neuer US-Präsident
Donald Trump zwingt die EU zum Handeln
Der neue US-Präsident ist ein kaum berechenbarer Politiker. Das macht Verhandlungen überaus schwierig, aber nicht unmöglich.
Von Knut Krohn
Europa steht vor einer historischen Herausforderung. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte muss sich die EU darauf einstellen, dass ihr die USA nicht mehr freundlich gesinnt sind. Schon während seiner ersten Amtszeit hat US-Präsident Donald Trump keinen Hehl aus seiner Verachtung gegenüber den „europäischen Schmarotzern“ gemacht. Damals stolperte er noch unerfahren und kaum vorbereitet ins Amt, doch die Vorzeichen haben sich dieses Mal gewandelt. Seine Gefolgsleute stehen bereit, die entscheidenden Stellen im Staat zu besetzen und Trump selbst kündigt seit Wochen unverblümt einen Kampf gegen die drei Säulen an, die dem Westen über Jahrzehnte Frieden und Wohlstand garantiert haben: Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Freiheit.
Trump hält nichts von Kompromissen
Für Europa wird es also wichtig, sich robust auf Donald Trump vorzubereiten. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn der neue US-Präsident vertritt exakt den Gegenentwurf dessen, wie in Brüssel Politik gemacht wird. Er hält nichts von diesen mühsamen, EU-typischen Kompromissen, die in monatelangen Verhandlungen ausklamüsert werden. Trump will schnelle politische „Deals“, bei denen er das Gefühl hat, als Sieger vom Feld zu gehen. Dabei hat Trump seine eigene Unberechenbarkeit als taktisches Mittel kultiviert. Er legt es etwa darauf an, sein Gegenüber mit maßlos überzogenen Forderungen in Panik zu versetzen und so in die Defensive zu drängen.
Umso wichtiger ist es für die EU, sehr genau zu definieren, welches die gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Ziele sind, bevor die Union in die anstehenden Verhandlungen mit den USA einsteigt. Denn von der Geschlossenheit Europas als wirtschaftlicher Weltmacht wird es abhängen, ob auf die angedrohten US-Zölle oder auch Trumps China-Politik wirklich glaubhaft mit Gegendruck reagiert werden kann.
Die Schwäche der EU ist ihre Uneinigkeit
Gemeinsames Handeln ist allerdings nicht die große Stärker der Europäischen Union. In der Regel verfolgt im Ernstfall jeder der 27 Mitgliedstaaten seine nationalen Interessen. Der US-Präsident wird also versuchen, die EU zu spalten, um für sich den maximalen Gewinn herauszuholen. Während Frankreich in Sachen Wirtschaft zur Konfrontation mit Trump bereit scheint, trägt der Exportweltmeister Deutschland vor allem seine Bedenken zur Schau. Und die Staaten in Osteuropa sind ziemlich einfach zu erpressen, denn sie befürchten, dass die USA im Falle eines drohenden Handelskrieges Europa den Atomschild und damit den Schutz vor Russland entziehen.
Allerdings kann sich auch Donald Trump beim anstehenden Kräftemessen nicht voll auf seine Freunde in Europa verlassen. Denn der ungarische Premier Viktor Orban oder etwa Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni wären von protektionistischen Maßnahmen aus Washington selbst direkt betroffen. Also werden auch sie versuchen, mäßigend auf ihren mächtigen Freund einzuwirken.
Die EU muss sich neue Partner suchen
Um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, ist es für die EU auch von großer Bedeutung, das große Potenzial als internationale Handelspartnerin auszuschöpfen. So ist es kein Zufall, dass die Union und Malaysia am Tag der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump die Wiederaufnahme von Gesprächen über ein Freihandelsabkommen angekündigt haben. Ende vergangenen Jahres war nach jahrelangen Verhandlungen auch das Mercosur-Abkommen mit Staaten in Südamerika besiegelt worden. Die Übereinkunft erschließt nicht nur neue Märkte, sondern sichert auch wichtige Rohstofflieferungen, damit die europäischen Industriebetriebe wettbewerbsfähig bleiben.
Gleichzeitig soll die EU-Wirtschaft angekurbelt und auch „Trump-fest“ gemacht werden. Geplant ist, den EU-Bürokratiedschungel zu lichten und Wachstumshemmnisse zu entfernen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dahingehend bereits einen zum Teil tiefgreifenden Umbau der Europäischen Union versprochen. Angesichts der drohenden disruptiven Veränderungen in den USA spricht vieles dafür, dass die ehrgeizigen Reformpapiere dieses Mal nicht in der Schublade irgendeiner Amtsstube verschwinden. Möglich ist, dass Donald Trump mit seinem rabaukenhaften Auftreten den Brüsseler Apparat aus seiner selbstverliebten Lethargie reißt. Europa müsste dem US-Präsidenten dafür dankbar sein.