Genderstreit im Boxen

Drängende Fragen und Bachs Botschaft

Inmitten des Genderstreits um zwei Boxerinnen bezieht Thomas Bach auf einer Pressekonferenz deutlich Stellung. Zur Aufklärung des verworrenen Falls trägt aber auch der IOC-Präsident wenig bei.

Imane Khelif (links) – ihre Teilnahme am Wettbewerb löste Diskussionen aus.

© dpa/Joel Carrett

Imane Khelif (links) – ihre Teilnahme am Wettbewerb löste Diskussionen aus.

Von red/SID

Den einen Scherz gönnte sich Thomas Bach noch, er wusste ja, dass es ungemütlich werden würde. „Seine-sationell“ seien die Triathlon-Wettbewerbe gewesen. Haha. Lustig. Weiter im Text. Und jetzt ernsthaft: Herr Präsident, was gedenkt das IOC im Genderstreit um die Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yuting zu tun, die sich am Wochenende beide eine Medaille sichern können?

Am Samstag stellte sich Bach öffentlich dem Thema, das spätestens seit Donnerstag die in Paris „seine-sationell“ dahinfließende olympische Bewegung etwas aus dem Feierrhythmus gebracht hat. Drängende Fragen nach Fairness, Frauenrechten und medizinischen Hintergründen beschäftigen die Sportwelt, zufriedenstellende Antworten lieferte aber auch Bach nicht.

Doch er bezog deutlich Stellung, verteidigte Khelifs und Lins Start in Paris, verurteilte die Aggression im Netz und griff den Box-Weltverband IBA als vermeintlichen Auslöser des Streits, der den schönen Schein der Spiele stört, scharf an. Bachs Botschaft: „Es bestand nie ein Zweifel daran, dass sie Frauen sind.“

Politisch motivierter Kulturkrieg

Die Einschätzung basiere auf einer „wissenschaftlichen Basis“, die Bach jedoch nicht genauer erläuterte. „Das ist die einzige Weise, wie man zu einer korrekten Entscheidung kommt, und nicht, indem man eine Umfrage in den Sozialen Medien organisiert.“ Dort sorgen reichweitenstarke Prominente wie Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling oder Elon Musk für Stimmung gegen den vermeintlichen Genderwahnsinn, jetzt auch noch Männer in Frauenwettbewerben antreten zu lassen.

Bach bezeichnete das als „politisch motivierten Kulturkrieg“, an dem sich das Internationale Olympische Komitee nicht beteiligen werde. „Hatespeech, Aggression und Beschimpfungen in den Sozialen Medien sind völlig inakzeptabel.“ Denen sieht er sich auch selbst ausgesetzt - aus dem Führungskreis der IBA.

„Die russische Seite“ und der Verband, den das IOC nach mehreren Skandalen nicht mehr anerkennt, hätten schon vor den Spielen von Paris eine „Diffamierungskampagne“ gegen Frankreich, Olympia und das Internationale Olympische Komitee gestartet. Mit Kommentaren, „die ich nicht wiederholen will“, sagte Bach.

Vor allem Präsident Umar Kremlew provoziert, wo er nur kann. Am späten Freitagabend mit der Ankündigung, der Italienerin Angela Carini Preisgeld zu zahlen - und zwar in derselben Höhe wie der Olympiasiegerin. Geld für Gold ist ohnehin ein Reizthema für Bach, Kremlew treibt es mit der IBA auf die Spitze.

Carini unter Tränen aufgegeben

Carini hatte gegen Khelif nach 46 Sekunden unter Tränen aufgegeben und der Algerierin den Handschlag verweigert. Auch wenn sie sich hinterher bei Khelif entschuldigte und versöhnliche Worte fand, war dies der Funke, der den Feuersturm auslöste. Viertelfinalgegnerin Anna Luca Hamori aus Ungarn goss mit geschmacklosen Posts sogar noch Öl ins Feuer.

Kremlew dürften die Debatten im olympischen Boxen gut gefallen, den Athletinnen und Athleten und auch vielen nationalen Verbänden dagegen überhaupt nicht. Noch steht der Sport für Los Angeles 2028 auf der Kippe. Bach versicherte zwar, dass er Boxen unbedingt im Programm halten wolle, dafür brauche das IOC aber einen „verlässlichen Partner“.

Ein neuer Verband (World Boxing) will es versuchen. „Es liegt an ihnen, sich zu entscheiden“, ob ihre Sportler in L.A. um Medaillen kämpfen können, sagte Bach in Richtung der nationalen Boxverbände. Doch der Einfluss der IBA ist stark. So stark, dass Bach nicht mehr zum Scherzen zumute war.

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Erstellt:
3. August 2024, 14:40 Uhr

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