Weltklimakonferenz COP 29

Drei Deutsche berichten über die COP in Baku

Die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan endet nach 32 Stunden Verlängerung mit einem Beschluss. Dennoch gilt die COP unter Kritikern als gescheitert. Drei Deutsche, die in Baku dabei waren, gewähren einen persönlichen Blick hinter die Kulissen.

Annika Sauer aus Heidelberg (links) war unter den jungen deutschen Aktivisten, die spontan ein Gespräch mit Jennifer Morgan hatten, der deutschen Chefverhandlerin.

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Annika Sauer aus Heidelberg (links) war unter den jungen deutschen Aktivisten, die spontan ein Gespräch mit Jennifer Morgan hatten, der deutschen Chefverhandlerin.

Von Julia Bosch, Thomas Faltin und Judith A. Sägesser

Zwischenzeitlich sah es so aus, als scheitere die Weltklimalimakonferenz in Baku (Aserbaidschan). Mitten in der Nacht zum Sonntag, nach 32 Stunden Verlängerung, dann der Gipfelbeschluss, den die einen „einen Witz“ nennen und die anderen „eine neue Ära der Klimafinanzierung“.

Wie blicken Teilnehmer aus Deutschland auf die COP? „Die Ausgangslage war denkbar ungünstig“, sagt Melanie Nagel, eine Politikwissenschaftlerin, die an den Unis in Heidelberg und Tübingen tätig ist. Sie war erstmals bei der Weltklimakonferenz als „Observer“ dabei, also als Beobachterin. Kurz vor Beginn der COP wurde Donald Trump zum neuen US-Präsidenten gewählt, und die deutsche Ampel-Regierung zerbrach. Dadurch hätten laut Nagel entscheidende Länder „keine großen Versprechungen machen können“.

Klimahilfen: Kleine Einigung

Das zentrale Thema bei dieser COP war die Frage, wie Klimaschäden und -schutz bezahlt werden sollen – und von wem. Die sogenannten Entwicklungsländer, die stark von der Erderwärmung betroffen sind, forderten für die Zeit von 2025 bis 2035 jährliche Zahlungen von 1,3 Billionen Dollar, mindestens aber bis 2030 Zahlungen der Industriestaaten von 500 Milliarden Euro.

Die Industriestaaten sagten zunächst 250 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2035 zu; nach Verlängerung und erbittertem Streit einigte man sich auf 300 Milliarden US-Dollar. Dass sich China und die Golfstaaten nicht an dem Fonds beteiligen, stößt auf immer lautere Kritik. Sie gelten offiziell noch als Entwicklungsländer, was aber nicht mehr der Realität entspricht. Während China zaghafte Schritte machte, blieben die Golfstaaten bei ihrer ablehnenden Haltung.

Reimund Schwarze, Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, hätte gedacht, dass man sich zumindest bei 400 bis 500 Milliarden Dollar treffen würde – diese Summe sei vergangenes Jahr beim Global Stocktake in Dubai bereits anvisiert worden. Schwarze ist die erste Woche in Baku dabei gewesen.

Emissionen: Keine Einigung

Für Annika Sauer, Psychologie-Studentin aus Heidelberg und mit ihren 21 Jahren eine der jüngsten Teilnehmer beim Gipfel in Baku, kam ein Thema bei dieser COP viel zu kurz. Die Verringerung der CO2-Emissionen und damit die Abkehr von fossilen Energien. „Das ist ja das wichtigste Thema“, sagt Sauer, die erstmals für die Naturschutzjugend als Beobachterin dabei gewesen ist.

Tatsächlich ist es in Baku nicht gelungen, die Abschlussformulierung von Dubai zu wiederholen geschweige denn zu unterstreichen: die Abkehr von fossilen Energien. Insbesondere Saudi-Arabien stemmte sich Verhandlern zufolge vehement dagegen.

Unterdessen ist Reimund Schwarze – auch trotz der Wahl Trumps – einigermaßen optimistisch. Er beteilige sich am Austausch der Partnerschaftsstädte in den USA und Deutschland und stelle fest, dass auf kommunaler Ebene beiderseits des Atlantiks sehr viel passiere. In Baku habe sich zudem das „andere Amerika“ formiert und präsentiert.

Insgesamt ist sich der Klimaforscher sicher, dass diese Konferenzen einen langsamen, aber doch beständigen Fortschritt brächten. So habe der umstrittene COP-Präsident Muchtar Babajew das Thema der einheitlichen UN-Standards für den globalen Handel mit Emissionsgutschriften aus der Konferenz herausgelöst und schon am ersten Tag zu einem Abschluss gebracht. Babajew habe sich als „schlauer Hund“ entpuppt, so Schwarze. Allerdings gab es umgehend Kritik, dass die Regeln zu lasch seien.

Zuletzt wurde die Frage immer lauter, ob diese Konferenz in ihrer jetzigen Form noch eine Berechtigung hat.

Riesengipfel: Pro & Contra

Kritisch äußerten sich etwa der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, die einstige UN-Klimachefin Christiana Figueres oder auch Benito Müller, Koordinator für internationale Klimapolitikforschung an der Universität Oxford und Direktor von Oxford Climate Policy. Dem „Spiegel“ sagte Müller unlängst, das Format sei zu groß. „Deswegen sorgen diese Mega-COPs für Enttäuschungen.“ Was es stattdessen für diese Zusammenkünfte brauche: Ruhe und Intimität für Verhandlungen.

Reimund Schwarze hingegen hält die Weltklimakonferenz in ihrer jetzigen Form für unverzichtbar. Nur wenn alle Staaten am Tisch sitzen, vom kleinen Inselstaat bis zu China, seien die Prozesse legitimiert. Zudem sieht er die Konferenz als das „Innere des Maschinenraums“ des Klimaschutzes, und es sei wichtig, dass man als Politiker, Wissenschaftler oder Klimaaktivist die Zusammenhänge und Zwänge erkenne. Das gelinge nur auf den großen Konferenzen. „Ich habe tiefes Vertrauen in diesen Maschinenraum. Es geht immer weiter, egal wer vorne steht“, so Schwarze.

Melanie Nagel sieht es ähnlich: „Es ist total wichtig, dass man sich einmal pro Jahr trifft.“ Erstens finde dort ein großer Wissensaustausch statt, zweitens helfe der persönliche Kontakt erheblich bei Verhandlungen. Und drittens werde durch das ganze Drumherum ein Druck aufgebaut, den man anders kaum erzeugen könne.

Annika Sauer, die als Aktivistin ein Bruchteil dieses Drumherums und Drucks war, sagt, die COP habe sie viel Energie gekostet. Zum einen als Neuling zu verstehen, wie hier der Hase läuft. „Es ist ein ganz neues Universum, das man betritt.“ Zum anderen zu merken, wie langsam alles geht und dass man nur ein ganz kleines Zahnrädchen im großen Getriebe sei. „Aber ich habe mich schon gehört gefühlt.“ Zum Schluss war es aber vor allem Warten und Bangen.

Gastgeber: Eindrücke aus Baku

„Aserbaidschan exportiert zu 90 Prozent Öl, hat also zunächst wenig Klima-Interesse – aber weil die die Präsidentschaft hatten, mussten sie ‚abliefern‘“, sagt Nagel. Der Verhandlungsführer habe versuchen müssen, einen Kompromiss herbeizuführen, was nicht einfach sei, „man hat ihm förmlich angesehen, wie schwierig diese Rolle ist“. Die Menschen vor Ort seien „unglaublich nett“ gewesen. Obwohl man den vielen Freiwilligen die Müdigkeit angesehen habe, sei alles perfekt organisiert gewesen.

Als problematisch hat Melanie Nagel in Baku die ungleich verteilte Aufmerksamkeit wahrgenommen: „Bei einer Pressekonferenz der EU-Kommission ist der Raum komplett voll“, berichtet sie. Gleichzeitig kämen nur wenige, wenn Vertreter aus Afrika einluden, „die Sorgen und Nöte der Menschen aus dem Globalen Süden sind sehr unterrepräsentiert“. Dabei sind es genau diese Länder, die die Klimaerwärmung am deutlichsten spüren.

Für Reimund Schwarze war die COP in Ägypten vor zwei Jahren die schlimmste. Damals hätten Spitzel in den Veranstaltungen gesessen und Teilnehmer seien verhaftet worden. Jetzt in Aserbaidschan sei es nicht so drastisch gewesen. Allerdings seien die Kontingente für Nichtregierungsorganisationen um drei Viertel zusammengestrichen worden – er habe sich auch ein Ticket teilen müssen und habe deshalb nur die erste Woche anwesend sein können. Die Proteste von Aktivisten seien deswegen in Baku leiser gewesen als sonst.

Das kann Annika Sauer, die 21-jährige Klimaaktivistin aus Heidelberg, bestätigen. Es sei ihnen immer wieder schwer gemacht worden, an Veranstaltungen teilzunehmen, erzählt sie. Beispielsweise weil Türen doch verschlossen blieben oder Termine und Treffpunkte spontan verlegt worden seien. Von diesen Hürden haben die jungen deutschen Aktivisten Jennifer Morgan, der Chefverhandlerin von Deutschland, persönlich berichtet. „Sie hat das sehr ernst genommen“, sagt Annika Sauer, die dabei war, als es am 20. November recht kurzfristig zu dem Gespräch zwischen Morgan und einer Handvoll Klimaaktivisten gekommen ist.

Für Melanie Nagel war das Format „People’s Plenary“, zu dem keine Politiker kommen durften, eine echte Bereicherung: „Dort sollten die ungehörten Stimmen gehört werden.“ Es habe ergreifende Reden und Gesang gegeben, teils Tränen. „Mir hat das neue Hoffnung in die Zivilgesellschaft gegeben bei der Eindämmung der Klimakrise.“

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Erstellt:
24. November 2024, 12:16 Uhr

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