Ein anspruchsvolles Ehrenamt

Fraktionsvertreter des Murrhardter Gemeinderats diskutieren über Anforderungen und die Arbeit in der Lokalpolitik

Die Kommunalwahlen rücken näher und für die Parteien und Bürgergruppierungen gilt es, Kandidaten für ihre Listen in den Städten und Gemeinden zu finden. Keine ganz einfache Aufgabe. Warum eigentlich, und wie sehen amtierende Stadträte ihre Tätigkeit, das Amt und die Rahmenbedingungen? In einer Diskussionsrunde steckten Fraktionsvertreter des Murrhardter Gemeinderats das thematische Feld ab und gaben Einblick in ihre persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen.

Stefanie Behrens (rechte Seite, Mitte) beleuchtet beim Gespräch im Casino der Kreissparkasse Murrhardt mit (von links) Wolfgang Hess (UL), Edgar Schäf (SPD), Susanne Barreuther (CDU-FWV) und Gerd Linke (MD/AL) verschiedene Facetten, die das Amt als Stadtrat und -rätin mit sich bringt. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Stefanie Behrens (rechte Seite, Mitte) beleuchtet beim Gespräch im Casino der Kreissparkasse Murrhardt mit (von links) Wolfgang Hess (UL), Edgar Schäf (SPD), Susanne Barreuther (CDU-FWV) und Gerd Linke (MD/AL) verschiedene Facetten, die das Amt als Stadtrat und -rätin mit sich bringt. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Der Fokus des Abends, zu dem die Volkshochschule Murrhardt eingeladen hatte, lag dabei nicht auf der inhaltlichen Lokalpolitik, sondern auf der Tätigkeit an sich und Institution des Amtes, sprich, welche Herausforderungen mit ihm verbunden sind. In der Runde, die Stefanie Behrens, Juristin aus Waldenbuch, moderierte, standen Wolfgang Hess von der Unabhängigen Liste, Edgar Schäf von der SPD, Susanne Barreuther von der CDU-FWV sowie Gerd Linke von den Murrhardter Demokraten/Alternative Liste Rede und Antwort.

Schon die Frage, wie die Wege ins Amt aussehen, zeigte spannende Facetten auf. Haben Susanne Barreuther und Wolfgang Hess die Erfahrung gemacht, als Nachrücker ins Gremium zu kommen und sich durch ihre Arbeit dort zu profilieren, konnte Edgar Schäf auf seinen Bekanntheitsgrad bauen und zog direkt ein. Er wiederum war über die Jahre damit konfrontiert, dass im Gremium auch Entscheidungen auf die Tagesordnung kamen, die nicht unbedingt bürgerfreundlich und folglich nicht so einfach zu vertreten waren. Für Gerd Linke ist die Eintrittskarte in den Gemeinderat mit der persönlichen Vernetzung verbunden, was sich beispielsweise in der vergangenen Legislaturperiode auch bei zwei jungen Vertretern bemerkbar gemacht habe. Sie wurden direkt ins Gremium gewählt.

Die Kandidatensuche ist nicht gerade ein Zuckerschlecken. Für Wolfgang Hess aber kein Phänomen, das nur aufs Ehrenamt Gemeinderat gemünzt ist: „Das zieht sich durch alle gesellschaftlichen Bereiche, betrifft auch Vereine.“ Viele wollten sich nicht mehr über einen längeren Zeitraum festlegen und das Amt sei natürlich auch mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. „Da sollte man schon ehrlich sein.“ Susanne Barreuther kann verstehen, dass jemand, der Arbeit und Familie unter einen Hut bringen muss, sich das gut überlegt. „Wenn jemand antritt, will er es auch richtig machen, denke ich“, sagte sie.

„Wie könnte man die Bedingungen denn verbessern, es den Menschen leichter machen?“, erkundigte sich Stefanie Behrens und stellte familienfreundliche Sitzungszeiten, Kinderbetreuungsangebote und die Möglichkeit, per Videochat zu tagen, zur Diskussion. „Die Wege in Murrhardt sind ziemlich kurz“, sagte Gerd Linke mit Blick auf letzteren Vorschlag. Er sah eher noch eine Chance darin, die Verpflichtung, über die vergleichsweise lange Zeit im Amt zu bleiben, etwas zu lockern, wenn sich für Einzelne Schwierigkeiten abzeichneten.

Dann kam die Moderatorin zu einer der Kernfragen – wie die Vertreter ihre eigene Kontrollfunktion und Durchsetzungskraft gegenüber der Stadtverwaltung einschätzen. Edgar Schäf war der Meinung, dass Vertreter und Gremium nicht unterschätzt werden sollten. Beschlüsse könnten durchaus gekippt und die Gemeindearbeit klar mitgestaltet werden. Allerdings gab er auch zu bedenken, dass dabei letztlich die Rahmenbedingungen – ob eine Kommune über gewisse oder so gut wie keine Mittel verfügt – ausschlaggebend seien. Wolfgang Hess: „Ich kann schon etwas bewegen, aber dazu brauche ich auch eine Mehrheit und muss auf die anderen zugehen.“ Nicht zu unterschätzen sei der Wissensvorsprung einer Verwaltung, will heißen, auch die Vorbereitung innerhalb der Fraktion und mögliche Nachfragen vor einer Sitzung können entscheidend sein.

Mit Blick auf eine Wahlbeteiligung der vergangenen Kommunalwahlen in Baden-Württemberg von durchschnittlich 49,1 Prozent und in Murrhardt von 45,4 Prozent, stellte Stefanie Behrens die Frage, ob man damit zufrieden sein könne und wie die Fraktionen ihre Chancen sehen, die Wähler zu mobilisieren. „Es ist unglaubwürdig, wenn man erst drei Monate vor der Wahl auf die Menschen zugeht. Man sollte nicht denken, dass die Leute blöd sind“, stellte Wolfgang Hess fest. „Klar, 45,4 Prozent sind schlecht.“ Edgar Schäf wertete den Anteil eher als Zeichen dafür, dass die Menschen nicht unzufrieden seien. In der Stadt von Bürgern auch direkt angesprochen werden zu können, sah er als Möglichkeit, Anliegen aufzunehmen und weiterzugeben.

In dieser Hinsicht geht die CDU-FWV aktiv auf die Menschen zu, berichtete Susanne Barreuther. Mit ihrer Tour de Ländle seien sie mehrmals im Jahr insbesondere in den Teilorten unterwegs – auch in Nicht-Wahlkampfzeiten. Für Gerd Linke ist bei der Kandidatensuche wichtig, dass diese einen guten Durchschnitt der verschiedenen Bevölkerungs- und Interessensgruppen abbilden und so ihrer repräsentativen Aufgabe gerecht werden.

Publikum mahnt multimediale, digitale Informationsmöglichkeiten über die Gemeinderatsarbeit an

Ob das große Interesse für die alltägliche Arbeit eines Gemeinderats deshalb ausbleibt, weil dort selten die bedeutenden Lebensthemen entschieden werden (Gerd Linke) oder die Gesellschaft eher satt beziehungsweise übersättigt ist (Susanne Barreuther), konnte letztlich nicht geklärt werden. Gleichzeitig griff Stefanie Behrens die Frage auf, ob die Arbeit für die Bürger wirklich transparent sei, und merkte in diesem Zusammenhang an, dass zumindest auf der Stadthomepage keine Informationsmöglichkeit über die Sitzungen bestehe.

An dieser Stelle schaltete sich auch das Publikum ein und unterstrich die Notwendigkeit, sich über neue, auch multimediale und flexibel nutzbare Informationsmöglichkeiten, beispielsweise Videoaufnahmen von Sitzungen, Gedanken zu machen. Manche digitale Formen hätten zudem den Vorteil, ein Interesse zumindest quantitativ zu erfassen (beispielsweise über Zugriffszahlen) und eine Rückmeldung der Bürger zu ermöglichen.

Die erlangt spätestens dann ein größeres Gewicht, wenn sich Widerspruch zu Vorhaben oder Beschlüssen des Gemeinderats regt. In welcher Verbindung stehen mangelnde Transparenz, schlechte Informationspolitik und das generelle, steigende Bedürfnis nach direkter Demokratie? Die Runde war sich einig, dass Murrhardt mit seinen Bürgerentscheiden zumindest eine gewisse Erfahrung auf letzterem Gebiet nachweisen kann. Gerd Linke ist in der Rückschau froh um die Lösungen, die durch die Bürgerentscheide entstanden sind, sie seien durch den Dialog mit dem Bürger möglich geworden. Susanne Barreuther glaubt, dass besagte Bürgerentscheide allerdings auch ein Ergebnis schlechter Informationspolitik sind. Zwar seien sie ein mögliches Korrektiv, gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass die Entscheidung dann ohne die entsprechenden Hintergründe getroffen werde. In der Diskussion mit dem Publikum wurden weitere Aspekte zusammengetragen – die Berechtigung einer repräsentativen Demokratie, deren Vertreter wohlinformiert Entscheidungen abwägen, genauso wie der nachvollziehbare Wunsch von Bürgern, bei gewichtigen Weichenstellungen ein Wörtchen mitzureden.

Zum Schluss sprach die Moderatorin noch das Geschlechterverhältnis in den Kommunalparlamenten an. In Baden-Württemberg sind es 26 Kommunen, die mit keiner Frau in den Reihen des Gemeinderats aufwarten können, insgesamt liegt der Anteil bei 23,9 Prozent, erläuterte Stefanie Behrens.

Susanne Barreuther fühlt sich als einzige Vertreterin des weiblichen Geschlechts zwar wohl im Gremium, findet es aber schade, allein zu sein. Die Frage ist, wie es kommt, dass sich auch nicht so einfach Kandidatinnen für die Listen finden. In Gesprächen hat Susanne Barreuther zwei Punkte ausgemacht: Die Doppelbelastung Beruf und Familie, bei der ein zusätzliches Ehrenamt schwierig erscheint, sowie dass sich Frauen das Amt weniger zutrauen als vielleicht Männer.

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Erstellt:
28. Februar 2019, 06:00 Uhr

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