Wahl in Hamburg
Ein Hoffnungsträger für die SPD
Peter Tschentscher, Wahlsieger von Hamburg, ist Laborarzt. Und so arbeitet er erklärtermaßen auch in der Politik: Untersuchung, Diagnose, Therapie.
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© dpa//Christian Charisius
Peter Tschentscher wird auf der Wahlparty von den Genossen gefeiert.
Von Christoph Link
Spät in der Nacht – nach der Befragung durch alle Sender – ist der Erste Bürgermeister von Hamburg, Peter Tschentscher, zum zweiten mal für eine Dankesrede zur noch heißen SPD-Wahlparty in die „Markthalle“ gekommen und sofort wechselte die Musik von Hard Rock zur HSV-Hymne „Mein Hamburg lieb ich sehr“ und die Menge der SPD-Mitglieder hat den gebürtigen Bremer Tschentscher umringt, geknuddelt und mit Peter-Peter-Rufen bejubelt.
Ein neuer Hoffnungsträger ist da für die gebeutelte Partei. „Na, ich habe ja jetzt schon alles gesagt“, rief der Wahlsieger der Bürgerschaftswahl vom Sonntag ins Mikrofon, dessen Partei Federn lassen musste, dem Bundestrend folgend, aber die Sozialdemokraten sind weiter die führende politische Kraft in der Hansestadt.
Verkehr, Hafen und Sicherheit prägten den Wahlkampf
Der Wahlkampf in Hamburg war mit lokalen Themen – Verkehr, Hafen, Sicherheit – geführt worden, aber für Tschentscher war ein bundespolitischer Aspekt wichtig – eine Migrationspolitik mit Augenmaß. Er sei noch am Samstag mit Jusos auf Wahlkampftour in Kneipen gewesen und habe die Vielfalt seiner Stadt mit Menschen aus 180 Nationen erlebt, diese Weltoffenheit mache Hamburg aus, und fast am meisten freue ihn am Wahlergebnis, „dass diese Stadt mit der AfD nichts zu tun haben will!“. Im übrigen kündigte er „harte Verhandlungen“ mit einem „neuen Koalitionspartner“, gemeint ist die CDU, oder der bestehende Koalitionspartner, die Grünen, an.
Peter Tschentscher (59), verheiratet, Vater eines Sohnes, kam einst zum Medizinstudium nach Hamburg und blieb dort hängen. Er arbeitete als Labormediziner bis 2011 am Uniklinikum Eppendorf, dann holte Olaf Scholz, damals Erster Bürgermeister, das Bürgerschaftsmitglied Tschentscher als Finanzsenator ins Rathaus.
Als Scholz im März 2018 selbst als Bundesfinanzminister nach Berlin wechselte, da war Tschentscher bei der SPD nur dritte Wahl für dessen Nachfolge an der Rathausspitze – zwei Bewerber hatten abgewinkt – aber Tschentscher nahm den Chefposten an.
Tschentscher wird als Stadtmanager wahrgenommen
Sollte er seine kommende Amtszeit ausfüllen, wird er der am längsten regierende Erste Bürgermeister an der Alster sein. Detailversessen und akribisch bei der Arbeit, zurückhaltend, sachlich, aber auch „gut zuhörend“ bei der Begegnung mit Bürgern – so wird Tschentscher wahrgenommen, als nüchterner Stadtmanager.
Anders als sein Vorgänger und Noch-Bundeskanzler Scholz sei Tschentscher „spontan“, sagen Parteifreunde und einer lobt, dass auch seine Frau Eva-Maria als First Lady sich mit zahlreichen Schirmherrschaften in die soziale Arbeit der Stadt einbringe. Vom Arbeitsprinzip orientiere er sich an der Medizin, hat Tschentscher einmal gesagt: Untersuchung, Diagnose, Therapie.
Seinen harten Kurs in der Corona-Zeit haben ihm die Hamburger Wähler offenbar verziehen, seine Olaf Scholz schützenden Zeugenaussagen im Cum-Ex-Steuerskandal haben sie wohl schweigend hingenommen. Welchen Rückhalt der Sozialdemokrat Tschentscher in der Stadt hat, dass zeigt ein Vergleich der SPD-Resultate von der Bundestagswahl, wo sie in Hamburg auf 22,7 Prozent abstürzte, und der jetzigen Bürgerschaftswahl, die auf Tschentscher fokussiert war, und bei der die Hamburger SPD auf 33,5 Prozent kam.
Zur SPD im Bund hat Tschentscher etwas Distanz gehalten, zu seiner Abschlusskundgebung im Wahlkampf hatte er Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz eingeladen, keinen der Parteigenossen aus Berlin.
Bundespolitische Ambitionen werden ihm nicht nachgesagt. Aber bundesweit wirft man nun eine Auge auf ihn. Bemerkenswert ist die Gratulation des schleswig-holsteinischen Ministerpräsident und CDU-Vorsitzenden Daniel Günther: „Das deutlich verbesserte Ergebnis im Vergleich zur Bundestagswahl vor einer Woche zeigt, dass Peter Tschentscher von seinem Amtsbonus profitieren und als Person überzeugen konnte.“