Ein Kammermusikabend mit Gänsehautmomenten

Das Mariani-Klavierquartett interpretiert bei seinem Konzert in Murrhardt Werke von Friedrich Gernsheim, Antonín Dvořák und Bohuslav Martinů.

Philipp Bohnen, Gerhard Vielhaber, Barbara Buntrock und Peter-Philipp Staemmler (von links) spielen sich in die Herzen des Publikums. Foto: Elisabeth Klaper

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Philipp Bohnen, Gerhard Vielhaber, Barbara Buntrock und Peter-Philipp Staemmler (von links) spielen sich in die Herzen des Publikums. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Eine unvergessliche, hochkarätige Sternstunde der Kammermusik erlebten viele Musikliebhaberinnen und -liebhaber beim Gastspielkonzert des renommierten Mariani-Klavierquartetts auf Einladung der Riebesam-Stiftung im voll besetzten Saal des Kulturhauses Klosterhof. 2009 gründeten das Quartett vier international ausgezeichnete Profimusiker: Violinist Philipp Bohnen ist Solist der Berliner Philharmoniker, Bratschistin Barbara Buntrock Professorin für Viola an der Robert-Schumann-Musikhochschule Düsseldorf. Cellist Peter-Philipp Staemmler ist Solist im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks und Pianist Gerhard Vielhaber Professor für Klavierkammermusik an der Musikhochschule Köln. Zur Erinnerung: Gerhard ist der Bruder von Björn Vielhaber, der mit seiner Frau Julia das Jugendensemble „Arsono“ der Riebesam-Stiftung aufbaute. Der Quartettname „Mariani“ ist abgeleitet vom italienischen Geigenbauer Antonio Mariani aus Pesaro, der um 1650 die Viola von Barbara Buntrock baute.

Wiederentdeckung von Gernsheim

Das Programm umfasste Kompositionen aus Romantik und Moderne mit sinfonisch breiter Klangfarbenpalette. Vor Musizierbegeisterung und Virtuosität sprühend interagierten die Musikerin und die Musiker in vollendeter Harmonie. Minutiös gestalteten sie jede Note und Nuance, mit Verve und Sensibilität brachten sie viele unterschiedliche Charaktere und Emotionen intensiv zum Ausdruck. Manchmal schienen sie ihre Instrumente zärtlich zu streicheln und entlockten ihnen lieblichste Klänge. Doch auch mitreißend temperamentvolle, expressive und dramatische Passagen boten sie dar.

Zum Auftakt gestalteten sie das Klavierquartett Es-Dur Opus 6 mit vier Sätzen des jüdischen Pianisten und Komponisten Friedrich Gernsheim. Er war fast vergessen, denn seine Werke durften während der nationalsozialistischen Diktatur nicht gespielt werden und die Noten wurden verbrannt. Das Mariani-Klavierquartett gehört zu den Wiederentdeckern Gernsheims, Zeitgenosse und Freund von Johannes Brahms. Seine Tonsprache entspreche der Romantik, aber mit etwas anderem Stil, erklärte Philipp Bohnen. Anmutig brachten die Künstler die ohrenschmeichelnden, ideenreichen Harmoniebögen zur Entfaltung, ebenso die eingängigen Melodien in lyrischen Kantilenen und graziös verspielte, kunstvolle Figurationen über beschwingten Rhythmen.

Die Klänge der Streichinstrumente und des Klaviers verschmolzen vollendet im Klavierquartett Es-Dur Opus 87 von Antonín Dvořák mit vier Sätzen. Es wies ungewöhnlich ätherische Klangbilder und kurze „Soli“ jedes Instruments mit kunstvollen Figurationen auf, abrupte Wechsel zwischen innigen Wohlklängen und dramatisch aufgewühlten Akkorden.

Weitere Themen

Hinzu kamen je eine der schönsten Violoncello- und Violinmelodien der Romantik sowie eine an Franz Schubert erinnernde Klaviermelodie. Ein heiterer Ländler im Walzertakt illustrierte die feinen Wiener Salons mit perlenden Klavierklängen zu gezupften Saiten, dagegen sprühte ein böhmischer Volkstanz vor Lebensfreude. Effektvoll war die Viola in Szene gesetzt; eine von böhmischer Folklore inspirierte und vielfach verwandelte Melodie mündete nach diversen Stimmungen in einen prachtvollen Abschluss.

Avantgardistisches Stück von Martinů

Einen starken Kontrast dazu bildete das 1942 vollendete erste Klavierquartett von Bohuslav Martinů mit drei Sätzen. Gerhard Vielhaber charakterisierte es als avantgardistisch wegen einer Fülle von sich gegeneinander bewegenden Rhythmen und vom Jazz inspirierten Details. Entstanden unter dem Eindruck der Flucht vor den Nationalsozialisten in die USA 1940, wirkte der Anfang so, als ob jede und jeder ein eigenes Stück spielte. Daraus entwickelten die Künstler ein komplexes Klangkonstrukt voller Energie, Kraft und Virtuosität mit schnellen Läufen und Trillerketten, mitreißend turbulenten Beschleunigungen und stampfenden Rhythmen. Vielstimmige, dichte Harmonien und Dissonanzen der Streichinstrumente drückten ergreifend emotional den Schmerz über Heimatverlust und Krieg aus. Das Klavier begann mit einer tschechischen Pastorale, hinzu kamen verschiedene, teils versteckte Jazzelemente, woraus die Streichinstrumente eine optimistisch wirkende, heitere Melodik und Harmonik entwickelten.

Das Publikum war so fasziniert von den Interpretationen, dass es nach jedem Satz tosenden Beifall spendete, die Musikerin und die Musiker mit enthusiastischen Bravorufen und Jubelapplaus überschüttete und gerne noch eine Zugabe gehört hätte.

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Erstellt:
10. April 2025, 06:00 Uhr

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