Ein Stuckateurmeister auf Abenteuerreise

2019 war der Murrhardter Marc Deriu auf Weltreise. Fast ein Jahr lang tingelte der Rucksackschwabe durch insgesamt 15 Länder in Mittel- und Südamerika sowie Südostasien. Seine Erlebnisse teilt er mittlerweile in spannenden und unterhaltsamen Videos auf Youtube.

In öffentlichen Verkehrsmitteln, wie hier in Ikquitos am Amazonas, kam Marc Deriu leicht in Kontakt mit Einheimischen. Fotos: Marc Deriu

In öffentlichen Verkehrsmitteln, wie hier in Ikquitos am Amazonas, kam Marc Deriu leicht in Kontakt mit Einheimischen. Fotos: Marc Deriu

Von Cordula-Irene von Waldow-Noller

Murrhardt. „Das Schwierigste ist der erste Schritt. Hat man sich erst einmal aufgemacht, wird es von Tag zu Tag einfacher. Die Komfortzone allerdings sollte man zu Hause lassen, wenn man auf Weltreise gehen will“, weiß Marc Deriu. Seit seinem Bali-Urlaub 2013 hatte der heute 32-jährige Murrhardter davon geträumt, auch einmal mit Rucksack um die Welt zu reisen – wie die begeisterten Menschen, denen er dort begegnet war. Sechs Jahre später erfüllte er sich seinen Traum. Ein Nebenjob neben der Vorbereitung auf die Meisterprüfung zum Stuckateur ermöglichte ihm ein Reisebudget von 20000 Euro. Seine Wohnung konnte er für die Reisezeit untervermieten.

Wenige Tage nach seiner Meisterprüfung 2019 ging es los. Marc Deriu erinnert sich: „Grob geplant hatte ich nur Mittelamerika. Das Übrige hat sich dann ergeben.“ Flexibilität und Spontaneität, andächtiges Staunen über Naturschönheiten und Überraschendes hinter jeder Ecke wurden zu seinen täglichen Begleitern auf seiner Abenteuerreise. Er sagt: „Man wächst mit jeder neuen Entscheidung über sich hinaus und verliert die Angst vor dem Unbekannten.“

Fast ein Jahr lang war Marc Deriu unterwegs. Er reiste durch 15 Länder in Mittel- und Südamerika sowie Südostasien. Auf seiner Reise „mit Höhen und Tiefen“ legte er rund 25000 Kilometer zurück – vorwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus, Zug oder Boot, per Motorrad oder zu Fuß. Am meisten begeisterten ihn die Schönheit der Natur, die Lebensfreude der Menschen sowie die Vielzahl an berührenden Begegnungen. Wie etwa mit dem kleinen Jungen, dem er in Mexiko kurz vor der Grenze nach Guatemala begegnete. „Er bettelte um Geld“, erzählt Marc Deriu. Der Schwabe kaufte dem Kind die benötigten Schuhe und erhielt als Dankeschön von dem Vater ein Freundschaftsband. „Ich habe es die ganze Zeit getragen. Irgendwann hatte ich es doch verloren und mir zur Erinnerung daran in Medellín in Kolumbien ein Tattoo um den rechten Oberarm stechen lassen.“

In Guatemala lernt er Spanisch

In Myanmar half der Stuckateurmeister eine Woche lang gegen Kost und Logis in einem Kloster, in dem für mittellose Kranke zwei Krankenstationen eingerichtet waren, mit, Schlafsäle für die Freiwilligen aus aller Welt zu bauen, die dort als Pflegekräfte arbeiten. „Wir haben auf Holzplanken ohne Matratzen geschlafen, 50 bis 60 Menschen in einem Raum“, erinnert er sich. Noch mehr setzten ihm allerdings das Leid und die Armut der Kranken zu. „Dort kam man nicht zur Ruhe.“

Das war bei seinem viertägigen Trip ohne Führer durch Bolivien anders. Nur mit Rucksack und Schlafsack ausgerüstet, war das Sternenzelt sein Dach über dem Kopf. Um Geld zu sparen, nahm Marc Deriu oft den langsameren und dafür günstigeren Bus, übernachtete in billigen Unterkünften und lernte Spanisch in Guatemala. „Ohne Sprachkenntnisse kommt man in Mittel- und Südamerika nicht zurecht“, sagt er. 200 Euro für Sprachschule, Unterbringung in einer Gastfamilie und den Lebensunterhalt für eine Woche ermöglichten ihm preisgünstig rasche Sprachfortschritte.

Er reflektiert: „Man gewöhnt sich ganz schnell daran, sich auf immer neue Umstände einzustellen und für alle Situationen Lösungen zu finden.“ Seit seinem Trip sei er auch zu Hause deutlich entspannter. Zudem habe er nirgendwo schlechte Erfahrungen gemacht, weder im noch kurz zuvor von einem Bürgerkrieg gebeutelten Nicaragua noch in Myanmar. Der südostasiatische Staat, Guatemala mit seiner unberührten Natur und seinen Menschen, die noch ihre alte Kultur bewahrt hätten, sowie das wunderschöne Kolumbien sind seine absoluten Favoriten unter den bereisten Ländern.

Zu den zahlreichen Höhepunkten seiner Abenteuerreise gehören etwa ein Zweitagestrip auf einen Vulkan in Guatemala, eine Bootstour durch die Karibik, vorbei an noch von indigenen Völkern bewohnten Inseln, oder eine Wanderung, die quer durch die Anden führte. Er sah kristallklares, türkisfarbenes Wasser und eine Vielfalt an Tieren und Pflanzen, aber auch ein mangelndes Bewusstsein für den Umweltschutz. „Auf der 30-stündigen Weiterreise per Boot auf dem Amazonas in Peru hat jeder sein benutztes Plastikgeschirr nach jeder Mahlzeit einfach ins Wasser geworfen“, nennt er als Beispiel. Auch im peruanischen Iquitos, das er in der Trockenzeit besuchte, wimmelte es rund um den Ort von Müll. Von den Bewohnern erfuhr der Handwerksmeister: „Wenn der Amazonas hoch steht, wird der Unrat einfach weggespült.“

Sein Rucksack wiegt bis zu 20 Kilogramm

Die Regenzeit in Costa Rica brachte dafür andere Herausforderungen mit sich. In der Tropenfeuchte begannen Marc Derius Kleidung und Rucksack zu schimmeln. Da auch die Wetter- und Temperaturregionen wiederholt wechselten, tauschte der Reisende seine Garderobe immer wieder aus. Bereits in der ersten Woche habe er seinen zwischen 15 und 20 Kilogramm schweren Rucksack größtenteils umgestaltet. Ein Alpakapullover, den er für das bolivische Hochland gekauft hatte, gehört hingegen zu seinen wertvollen Mitbringseln. Und natürlich die Vielzahl an Fotos und Videos, die er unterwegs aufgenommen hat. Diese hat er jetzt begonnen zu informativen und unterhaltsamen Filmen zu kombinieren und auf Youtube zu veröffentlichen (siehe QRCode). „Dabei erlebe ich die gesamte Reise noch einmal nach“, sagt Marc Deriu.

Unvergessen ist auch seine Rückkehr nach Deutschland, aus der absoluten Freiheit zurück in den Arbeitsalltag. Der Stuckateurmeister beschreibt: „Es war Winter und an meinem ersten Arbeitstag habe ich nach einem halben Jahr in der Hitze Südostasiens im Schnee auf einem Gerüst gestanden und mich gefragt, was ich hier eigentlich mache.“

Als nächstes Reiseziel peilt der Murrhardter Venezuela an, „weil es mich reizt“. Sein Traum ist ein Segeltrip um die Welt mit dem eigenen Boot. Er offenbart: „Ich habe mich unterwegs schon öfter gefragt, ob ich nicht ganz aussteigen will.“ Die Arbeit an den Videos – sieben sind erschienen und Marc Deriu rechnet mit gut doppelt so vielen – bereitet ihm trotz allen Aufwands Freude. „Rund 20 Stunden arbeite ich an einem Video, bis die Sequenzen geschnitten, die Texte mit den Reisegeschichten aufgesprochen und aufgezeichnet sind, die Musik ausgewählt und hinterlegt ist. Doch in dieser Zeit bin ich nur physisch anwesend.“

So schwer bepackt war der Rucksackschwabe bei seiner Weiterreise in Belize.

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In Kolumbien entdeckte Marc Deriu die einzigartige Landschaft der Tatacoa-Wüste.

In Kolumbien entdeckte Marc Deriu die einzigartige Landschaft der Tatacoa-Wüste.

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Erstellt:
21. Februar 2024, 06:00 Uhr

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