Ausstellung in Friedrichshafen

Ein Wrack erzählt die Geschichte der RAF

Am 13. Oktober 1977 entführten palästinensische Terroristen die „Landshut“, verlangten die Freilassung von elf RAF-Mitgliedern und ermordeten den Kapitän. Der Flugzeugrumpf wird nun in Friedrichshafen zum Erinnerungsort an den RAF-Terror umgerüstet.

Halle Q – letzte Station der „Landshut“ am Rande des Flughafens Friedrichshafen

© Uli Fricker

Halle Q – letzte Station der „Landshut“ am Rande des Flughafens Friedrichshafen

Von Uli Fricker

Die Halle Q an der Flughafenstraße 28 in Friedrichshafen wirkt unscheinbar. Ein heller Zweckbau mit konventionellem Dach. Dutzende solcher Hangars stehen am Rand der Rollbahn des Regionalflughafens. Dennoch unterscheidet sich das Anwesen Nummer 28 von seinen Nachbarn: Im Inneren der ehemaligen Werkstatt steht der Rumpf eines Flugzeugs, das unfreiwillig deutsche Geschichte geschrieben hat. Hier parkt das, was von der ehemals stolzen Lufthansamaschine „Landshut“ übrig geblieben ist. Das Wrack soll Mittelpunkt einer Ausstellung werden, die von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) organisiert wird.

„Wir werden hier einen Ort der historischen Bildung errichten“, sagt Christian Gieseke. Zusammen mit drei Kollegen stellt er das Team, das die „Landshut“ herrichten und museumsreif machen soll. Momentan ist das Flugzeug vom Typ Boeing 737-200 in jämmerlichem Zustand. Die ursprüngliche Lackierung ist mehrfach übermalt worden. Die Außenhaut des Fliegers ist völlig verschmutzt. Reinigungskräfte putzen die Oberfläche mit Wasser und Schwamm, aber ohne Lauge. An seinem vorletzten Standort in der brasilianischen Stadt Fortaleza setzten sich Rotalgen fest, deren grauer Rest muss jetzt weg. Der Vogel wirkt inzwischen wie ein trauriger Pottwal, der gestrandet ist.

15 Millionen Euro sind als Budget vorgesehen

„Die ‚Landshut’ wird nur gereinigt, nicht restauriert“, sagt Gieseke. Die Besucher sollen das Flugzeug eines Tages begehen können. In den Urzustand soll sie nicht zurückversetzt werden, das wäre auch entschieden zu teuer. Aktuell sind 15 Millionen Euro für die Reparatur und das Herrichten von Halle 28 vorgesehen. Dieses Budget ist fixiert und kann auch nicht von einer neuen Regierung verkleinert werden. Der Topf für das Projekt Landshut geht auf einen Beschluss des Bundestages zurück. Dieser beauftragte die Bundeszentrale mit der Sicherung des Flugzeugs, das 1977 von palästinensischen Terroristen entführt worden war, um Gefangene der RAF freizupressen.

Die „Landshut“ hat eine bewegte Geschichte hinter sich – auch nach der spektakulären Entführung. Nach der Lufthansa hatte die Boeing später wechselnde Besitzer. Zuletzt war sie in Fortaleza abgestellt, dort verstaubte sie unter den subtropischen Bedingungen. Zeithistoriker machten darauf aufmerksam, bis der damalige Außenminister Sigmar Gabriel 2017 die Initiative ergriff: Er ließ die inzwischen zerlegte Maschine von Brasilien nach Friedrichshafen fliegen. In einer spontanen Rede schob der SPD-Politiker die Obhut für das Wrack der Stadt Friedrichshafen zu, bei der Gabriel große Reichtümer vermutete. Doch hatte der spendable Minister (der wenige Wochen später die Politik verließ) die Rechnung ohne den schwäbischen Wirt gemacht: Gemeinderat und OB nahmen das gut gemeinte Geschenk nicht an; sie ahnten kaum bezifferbare Folgekosten. Viele Bürger der reichen Stadt am Bodensee fragten sich, was die „Landshut“ überhaupt mit ihnen zu tun hat. Erst der Bundestag machte das Projekt flott und gab es in die Hände der BpB, die am Bundesinnenministerium angesiedelt ist.

Ambitionierter Zeitplan

Bis Ende 2026 soll die Maschine vorzeigbar sein. Bis dahin soll der Hangar einer modernen Ausstellung ähneln mit Schautafeln, Videos, Bildern und Interviews mit den damaligen Passagieren. Das ist, gemessen an der Aufgabe, nicht viel Zeit. „So ein Projekt hatten wir noch nie“, sagt Christian Gieseke. Die inhaltliche Linie ist klar: Besucher sollen nicht überwältigt, sondern informiert werden. Das Wrack der „Landshut“ ist ohne alles Zutun imposant, gerade in diesem ruinösen Zustand. Der künftige Erinnerungsort werde sich dabei nicht darauf beschränken, was damals und 1977 war. „Der Ort soll bis heute weiterführen“, versichert Gieseke, Fragen der Gegenwart sollen miteinfließen, etwa diese: Wie geht eine Gesellschaft mit Terror um?

Bis dahin ist noch viel Arbeit. Immerhin ist das ehemalige Personenflieger in seiner technischen Struktur komplett sortiert. Am Rand der Halle sind die beiden Flügel säuberlich auf einem gelben Gestell gelagert. Auch das ausgebaute Fahrgestell wurde aus Brasilien mitgeschickt, dazu drei Motoren, einer davor offenbar als „Ersatzmotor“. Damit die Einzelteile beim Transport keinen Schaden nehmen, wurden sie mit nagelneuen Matratzen abgepolstert. Das ist nur eines von vielen auch skurrilen Details, die sich um das berühmte Fluggerät ranken.

Die Odyssee der Landshut

ErpressungsversuchDie Lufthansamaschine „Landshut“ und deren Entführung am 13. Oktober 1977 markiert den Höhepunkt des sogenannten Deutschen Herbstes. Die Geiselnahme an Bord begann am 13. Oktober 1977 und dauerte fünf Tage. Die Maschine befand sich auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt, als sie von vier palästinensischen Terroristen entführt wurde. Sie verlangten die Freilassung von elf RAF-Mitgliedern.

InterventionFünf Tage später, auf dem Flughafen Mogadischu in Somalia, stürmte ein Kommando der GSG 9 die „Landshut“ und befreite 86 Passagiere. Zuvor hatten die Geiselnehmer Jürgen Schumann, den Kapitän des Flugzeugs, erschossen.

Zum Artikel

Erstellt:
18. März 2025, 11:50 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen